1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Auf einen Blick: Afrikaner vor dem IStGH

Maja Braun21. Juni 2016

Mehr als 20 Afrikaner stehen derzeit auf der Anklageliste des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Drei Urteile wurden schon gesprochen, viele der Gesuchten sind noch gar nicht vor Gericht erschienen.

Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag
Bild: picture-alliance/dpa

Côte d'Ivoire

Laurent Gbagbo - Der ehemalige Präsident der Elfenbeinküste ist seit November 2011 in Untersuchungshaft in Den Haag. Seit dem 28. Januar 2016 steht mit Gbagbo zum ersten Mal ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor Gericht. Er soll Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. In der Côte d'Ivoire war nach den Wahlen 2010 Chaos ausgebrochen. Die Anklage wirft ihm vor, für die Ermordung von mindestens 166 Menschen, Vergewaltigung, Misshandlung und Verfolgung von hunderten politischen Gegnern verantwortlich zu sein.

Gegen die damalige First Lady Simone Gbagbo und den ehemaligen Jugendminister Charles Blé Goudé steht die gleiche Anklage. Simone Gbagbo steht in ihrem Heimatland unter Arrest, Den Haag fordert ihre Auslieferung. Goudé wurde im März 2014 an den IStGh überstellt. Sein Fall wird mit der Anklage gegen Gbagbo verhandelt.

Demokratische Republik Kongo

Jean-Pierre Bemba – Im Juni 2016 wurde der ehemalige Vizepräsident der Demokratischen Republik Kongo wegen Kriegsverbrechen zu 18 Jahren Haft verurteilt. Mit Morden und Folter durch eine von ihm befehligte Miliz in Zentralafrika habe Bemba in den Jahren 2002 und 2003 außerdem Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, befand das Gericht.

Thomas Lubanga Dyilo – Der ehemalige Rebellenchef der Miliz "Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo" (FPLC) wurde im März 2012 wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten im Ostkongo zu 14 Jahren Haft verurteilt. Am 1. Dezember 2014 wurde das Urteil in einem Berufungsverfahren bestätigt.

Thomas Lubanga ist der erste Afrikaner, der in Den Haag verurteilt wurdeBild: picture-alliance/dpa

Germain Katanga – Als Anführer der Rebellengruppe "Kräfte des patriotischen Widerstands in Ituri" (FRPI) wurde Katanga für seine Beteiligung an einem Massaker im Februar 2003 im Ostkongo schuldig gesprochen und im Mai 2014 zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Mathieu Ngudjolo Chui – Der Anführer der Nationalen Integrations-Front (FNI) im Ostkongo war Mitangeklagter von Germain Katanga, wurde aber im Dezember 2012 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Bosco Ntaganda – Der Anführer der Miliz "Nationalkongress für die Verteidigung des Volkes" (CNDP) ist seit 2013 in Untersuchungshaft, nachdem er sich selbst gestellt hatte. Ihm werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Konflikt in der Provinz Ituri vorgeworfen. Später verbreitete er als Kommandeur der M23-Miliz im Ostkongo Angst und Schrecken. Der Prozess hat im September 2015 begonnen. Ntaganda plädiert auf nicht schuldig.

Sylvestre Mudacumura – Dem mutmaßlichen Oberbefehlshaber der Rebellengruppe "Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas" (FDLR), werden neun Kriegsverbrechen zur Last gelegt, darunter Vergewaltigung, Folter und Mord.

Die Gewalt in Kenia nach den Wahlen 2007 sollen Kenyatta, Ruto und Sang mit angestachelt habenBild: picture-alliance/AP Photo

Kenia

Kenias Vize-Präsident William Samoei Ruto und der Radiomoderator Joshua Arap Sang müssen sich der Anklage der Mitverantwortung an Mord, Vertreibung und Verfolgung während der Nachwahl-Unruhen 2007/2008 stellen. Der Prozess läuft seit September 2013. Ruto darf mittlerweile per Video-Schaltung von Kenia aus an dem Verfahren teilnehmen.

Uhuru Muigai Kenyatta – Der amtierende Präsident des Landes war wegen Mittäterschaft an Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Nachwahl-Unruhen 2007/2008 angeklagt. Aus Mangel an Beweisen wurde das Verfahren am 05.12.2014 eingestellt. Das Problem der Anklage war vor allem, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Zeugen gegen Kenyatta zurückzogen. Es wird vermutet, dass sie durch Bestechung oder Drohungen dazu gebracht wurden.

Walter Osapiri Barasa – Gegen den Journalisten wurde im Oktober 2013 Haftbefehl erlassen. Barasa soll in Zusammenarbeit mit Regierungsbeamten kenianische Zeugen im Prozess gegen Kenyatta und Ruto beeinflusst haben. Der Haftbefehl gegen Barasa ist der erste, der Beeinflussung von Zeugen zum Gegenstand hat.

Ruto und Kenyatta, die wichtigsten Politiker KeniasBild: picture alliance/dpa

Im September 2015 gab das Weltstrafgericht bekannt, dass der Gelegenheitsarbeiter Philip Kipkoech Bett und der Anwalt Paul Gicheru seit März per Haftbefehl gesucht wurden. Beide sollen eine zentrale Rolle bei der Bestechung von Zeugen im Prozess gegen Vizepräsident William Samoei Ruto gespielt haben. Die kenianische Polizei nahm die beiden am 30. Juli 2015 in Nairobi fest.

Libyen

Saif al-Islam Gaddafi – Der Sohn von Muammar Gaddafi steht im eigenen Land vor Gericht, Libyen will ihn nicht nach Den Haag ausliefern. Dort ist er wegen der Mittäterschaft an Mord und Verfolgung während der Revolution in Libyen angeklagt.

Mali

Im Januar 2013 kündigte IStGh-Chefanklägerin Fatou Bensouda eine Untersuchung der Kriegsverbrechen in Mali an, die während der Kämpfe zwischen islamistischen Aufständischen im Norden des Landes und der malischen Armee stattfanden. Seit Januar 2016 steht mit Ahmad Al Faqi al Mahdi ein islamistischer Dschihadist in Den Haag vor Gericht. In dem Vorverfahren wird entschieden, ob gegen das Mitglied der islamistsichen Gruppe "Ansar Dine" die Anklage wegen Kriegsverbrechen zugelassen wird.

Sudan

Während eines Gipfelbesuches von Sudans Präsident Omar Hassan Ahmad Al-Baschir in Südafrika im Juni 2015 verfügte das Oberste Gericht in Pretoria, Al-Baschir dürfe Südafrika nicht verlassen, bis die Richter eine Auslieferung an den IStGh endgültig geprüft hätten. Das Land ist ein Unterzeichnerstaat des IStGh-Statuts und vertraglich verpflichtet, Haftbefehle des Gerichts in Den Haag auszuführen. Eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus.

Weil Al-Baschir nicht bereit war, mit dem IStGH zusammen zu arbeiten, hatte das Gericht im Dezember 2014 die Ermittlungen gegen ihn und weitere sechs Angeklagte eingestellt, die sich wegen Verbrechen in der Konfliktregion Darfur vor dem Gericht verantworten sollten. Viele andere Staaten ignorieren den Haftbefehl ebenfalls und lassen al-Bashir unbehelligt einreisen. Die mangelnde politische Unterstützung durch die Weltgemeinschaft lasse ihr "keine Wahl, als die Ermittlungen in Darfur einzufrieren", sagte Chef-Anklägerin Bensouda in ihrer Begründung.

Auch die Verfahren gegen die Minister Ahmad Muhammad Harun und Abdel Raheem Muhammad Hussein sowie gegen den mutmaßlichen Führer der Janjaweed-Milizen Ali Muhammad Ali Abd-Al-Rahman, auch bekannt als Ali Kushayb, konnten noch nicht eröffnet werden, weil die Angeklagten noch nicht nach Den Haag ausgeliefert wurden.

Von zwei angeklagten Rebellenführer aus Darfur gilt einer, Saleh Jerbo, als verstorben. Wann der Prozess gegen den zweiten, Abdallah Banda, beginnt, ist offen. Banda war nach seiner Anklage freiwillig vor dem Gericht erschienen.

Uganda

Joseph Kony, Vincent Otti, Okot Odhiambo und Dominic Ongwen – Gegen den Anführer der ugandischen Rebellengruppe "Lord's Resistance Army" (LRA) und drei weitere Kommandanten hat der IStGh bereits 2005 Haftbefehle erlassen. Die LRA ist schon lange auch im Ostkongo, Südsudan und der zentralafrikanischen Republik aktiv.

LRA-Chef Joseph Kony ist noch immer nicht gefasst wordenBild: STUART PRICE/AFP/Getty Images

Dominic Ongwen hat sich Anfang Januar 2015 US-Truppen in der Zentralafrikanischen Republik gestellt. Uganda hat Ongwen an den IStGH ausgeliefert, der Prozess hat noch nicht begonnen.

Bereits im Februar 2014 starb der gesuchte LRA-Anführer Okot Odhiambo bei einem Gefecht mit der ugandischen Armee. Im Juni 2015 wurde sein Tod per DNA-Analyse bestätigt, daraufhin zog die Anklage den Haftbefehl zurück.

Zentralafrikanische Republik

Jean-Pierre Bemba – Der Prozess gegen den ehemaligen Vize-Präsident der Demokratischen Republik Kongo begann 2010. Bemba muss sich für Gewalttaten seiner Rebellenarmee in der Zentralafrikanischen Republik in den Jahren 2002 und 2003 verantworten. Als Chef der kongolesischen Befreiungsbewegung MLC hatte ihn der Präsident der benachbarten Zentralafrikanischen Republik zu Hilfe gerufen, um in seinem Land einen Militärputsch abzuwehren. Ende 2013 kam eine weitere Anklage hinzu. Gemeinsam mit seinem Anwalt Aimé Kilolo Musamba und drei weiteren Gehilfen soll er falsche Beweise vorgelegt und Zeugen beeinflusst haben.