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Wie Biden und Trump um Latinos werben

22. August 2020

Auf dem Parteitag der Demokraten verspricht Joe Biden, Präsident aller US-Amerikaner zu sein. Also auch der knapp 60 Millionen Hispanics, der größten Minderheit. Beim Einzug ins Weiße Haus führt kein Weg an ihnen vorbei.

Auf einem Schuld steht "Latinos for Trump"
Latinos bei den Republikanern werben für eine zweite Amtszeit von US-Präsident TrumpBild: picture-alliance/Miami Herald/B. Padró-Ocasio

Um Geschichte zu schreiben, kann man 35 Dollar spenden. Oder 500. Oder auch 2800. Ganz egal, die Kampagne zur Wiederwahl von Donald Trump kann jeden Cent gut gebrauchen - und seine lateinamerikanischen Anhänger wollen da nicht zurückstehen.

Die Bewegung "Latinos for Trump" macht kräftig Stimmung für ihren Präsidenten, schließlich habe er ihnen eine florierende Wirtschaft, sichere Städte und religiöse Freiheit gebracht. Und das angeblich für Generationen.

Über einen kleinen roten Knopf rechts oben auf ihrer Homepage, gleich über dem Artikel, der sich über Joe Biden lustig macht, geht es direkt zum Spendenformular des Amtsinhabers. Denn nur vier weitere Jahre bedeuten schließlich den "Übergang zur wahren Größe".

"It's the economy, stupid"

Latinos, die den Mann unterstützen, der Mexikaner als Vergewaltiger bezeichnet, lateinamerikanische Einwandererfamilien bei der Einreise auseinander gerissen hat und der den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko als sein größtes Projekt feiert?

Die Wahrheit ist: Auch bei den diesmal 32 Millionen wahlberechtigten Latinos in den USA, die 2020 zum ersten Mal die größte Wählergruppe stellen, gilt heute noch der berühmte Satz "It's the economy, stupid", den Bill Clintons Wahlstratege vor knapp 30 Jahren prägte. Arbeitsplätze und Wirtschaft sind für die Latinos das wichtigste Thema, nicht etwa die Einwanderung.

"Die lateinamerikanischen Kleinunternehmer rechnen Trump hoch an, dass er die Steuern gesenkt hat. Die Latinos, die Republikaner wählen, lieben Donald Trump nicht. Aber sie fühlen sich zuerst als US-Bürger und Republikaner und erst danach als Mitglied ihrer Ethnie", sagt Geraldo Cadava.

Er muss es wissen, niemand sonst versteht so gut, wie Latino-Wähler in den USA ticken. Der Professor für Geschichte und Lateinamerika-Studien an der Northwestern University in Chicago hat das Buch "The Hispanic Republican" geschrieben - über die Latinos, die in den USA treu die Republikaner wählen.

"Den Latino-Wähler gibt es nicht"

Für Cadava steht fest: "Den Latino-Wähler gibt es nicht. Die Puertoricaner in New York wählen anders als die Mexikaner an der Grenze und die Kubaner in Miami. Seit 1970 haben die Demokraten im Schnitt immer 70 Prozent der Latino-Stimmen bekommen, aber die Exilkubaner in Florida wählen Trump, weil er zum Beispiel einen harten Kurs gegen den venezolanischen Präsidenten Maduro fährt."

Schon 2016 entschieden die Latino-Stimmen mit über den Sieg von Donald Trump. Zwar sicherte sich Hillary Clinton mit Hilfe der Latinos die Staaten Colorado, Nevada und New Mexico, aber Texas und vor allem der Swing State Florida mit zusammen 67 Wahlmännern fielen an den Kandidaten der Republikaner.

Auch in diesem Jahr werden die beiden Bundesstaaten mit den meisten lateinamerikanischen Einwanderern  - hinter Kalifornien - womöglich das Zünglein an der Waage sein. 28 Prozent der Latinos wählten vor vier Jahren Donald Trump. Der Amtsinhaber kann auch bei diesen Wahlen mit einer ähnlichen Unterstützung rechnen.

Die Demokraten feierten allerdings mit der Nominierung von Kamala Harris zur Vize-Präsidentschaftskandidatin einen Coup: Die Umfragewerte für die Demokraten schnellten danach vor allem bei den Latinos in die Höhe.

Hoffnung bei US-Demokraten

03:14

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"Nicht irgendeine Minderheit"

Joe Biden scheint dies verstanden zu haben: Er suchte den Kontakt zu spanischsprachigen Medien und startete vor kurzem eine Kampagne extra für die Latinos. Für Geraldo Cadava, dessen Großeltern aus Mexiko und Panama stammen, ist das ein wichtiges Signal, mehr nicht. Die Wählergruppe der Latinos werde immer noch systematisch vernachlässigt.

Weder Republikaner noch Demokraten hätten bis heute verstanden, so Cadava, wie wichtig die Stimmen der Latinos sind. "Sie kommen kurz vor den Wahlen, und dann verschwinden sie wieder für drei Jahre. Sie müssen Geld, Zeit und Energie investieren. Und sie müssen ihr Denken über die Latinos ändern, die US-Bürger sind und nicht irgendeine Minderheit, die man zur Seite schubsen kann."

Der Anteil an den Wählerstimmen der Latinos wächst ständig. Alle 30 Sekunden wird in den USA eine Latina oder ein Latino 18 Jahre alt und kann wählen. Doch die Republikaner fürchten, dass die neuen Wähler sowieso eher zu den Demokraten neigen und kümmern sich deswegen nicht um sie. Die Demokraten wiederum vernachlässigen die Latinos, weil sie glauben, dass diese zu einem großen Teil gar nicht wählen.

"Trumps Latino-Anhänger glauben nicht, dass er rassistisch ist" - Historiker Geraldo CavadaBild: Privat

Tatsächlich ist die hispanische Wahlbeteiligung im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen gering. 2016 gaben gerade einmal 47,6 Prozent der wahlberechtigten Latinos ihre Stimme ab, während bei den Afroamerikanern 59,6 Prozent und bei Weißen sogar 65,3 Prozent wählten.

Wahlmüde? Kein Problem! 

Genau dort werde Donald Trump ansetzen: "Es ist offensichtlich, dass die Trump-Kampagne alles dafür tut, die Stimmabgabe zu unterdrücken. Bei allen US-Amerikanern, die ihn nicht unterstützen, und damit natürlich auch bei den Latinos", sagt Geraldo Cadava.

Trump wolle möglichst nah an den Negativrekord von 44-Prozent Wahlbeteiligung unter den Latinos bei den Präsidentschaftswahlen aus dem Jahr 2004 herankommen. Damals wurde Bush für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.  Gleichzeitig werde Trump alles dafür tun, dass die Latinos, die mit den Demokraten sympathisieren, nicht wählen gingen.

Bidens "Running Mate" Kamala Harris ist bei den Latinos in ihrer Heimat Kalifornien beliebtBild: picture-alliance/dpa/B. Cahn

Als Ronald Reagan 1980 als Kandidat der Republikaner ins Rennen um die Präsidentschaft ging, erklärte er seine Strategie folgendermaßen: "Die Latinos sind bereits Republikaner, sie wissen es nur einfach nicht." Donald Trump wird in den letzten Wochen vor den Wahlen am 3. November vermutlich darauf setzen, dass alle lateinamerikanischen US-Wähler dies auch begreifen.

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