Kulturreise zuhause
3. September 2012Rosenwassereis zergeht auf der Zunge und die Töne des Dafs, einer traditionellen persischen Trommel, klingen noch in den Ohren. Erschöpft sitzt eine Gruppe Kulturwanderer in einem iranischen Restaurant und lässt die Eindrücke der Persien-Tour noch einmal Revue passieren. Drei Stunden lang ist die Reisegruppe durch das iranische Köln gelaufen und dabei in die Sprache, Musik, Literatur und Kunst einer orientalischen Welt in der deutschen Domstadt eingetaucht.
Vor zwei Jahren wurde in Köln die Initiative "Kulturklüngel" von Thomas Bönig ins Leben gerufen. "Klüngel“ ist ein regionaler Ausdruck, der im Rheinland positiv gebraucht wird und "man kennt sich" meint. Bönig will mit seiner Initiative das Zusammenleben zwischen Migranten und Einheimischen in einer multikulturellen Großstadt wie Köln verbessern. Dazu bieten er und sein Team Einblicke in andere Kulturkreise vor der eigenen Haustür an.
Mission: Kennen und verstehen lernen
Bönig meint, dass es offensichtlich nicht ausreiche, wenn Einwanderer sich nur bemühten sich zu integrieren. Damit Integration wirklich klappe, so Bönig, müsste auch bei denen, die schon im Land lebten, Interesse für die zugewanderten Kulturen geweckt werden. "Der beste Weg für ein gutes Miteinander ist, sich gegenseitig kennen und verstehen zu lernen." Das ist auch das Motto des "Kulturklüngel"-Teams: "Leute aus verschiedenen Kulturkreisen, die an einem Projekt arbeiten: Sie präsentieren und vermitteln ihr kulturelles Erbe und setzen sich für mehr Toleranz und interkulturelles Verständnis ein", so Bönig.
Die Teilnehmerzahlen der Wanderungen durch das vielen Stadtbewohnern unbekannte Köln zeigen, dass Bönig mit seiner Idee offenbar einen Nerv getroffen hat. Im Schnitt sollen es 350 Besucher sein, die jeden Monat an einer der 16 verschiedenen Touren teilnehmen - von einer Reise durch das afrikanische Köln bis hin zum indonesischen Leben. Ob seine Touren tatsächlich langfristig die interkulturelle Verständigung fördern, kann Bönig nicht überprüfen. Aber er ist sich sicher, dass zumindest ein Verständnis für die jeweils andere Kultur geweckt werde.
Minzwasser gegen Bauchschmerzen
Die Kulturwanderungen werden von Menschen aus dem jeweiligen Kulturkreis geleitet. "Sie tragen kein Kopftuch?", fragt deshalb Teilnehmerin Sabine die südländisch aussehende Leiterin während einer Persien-Tour. "Ich bin Deutsche, aber eben mit iranischen Wurzeln", bekommt sie zur Antwort. Sima, eine iranisch-stämmige Teilnehmerin, erklärt, dass das Kopftuch zu tragen im Iran zwar per Gesetz vorgeschrieben ist. Dass viele iranische Frauen damit aber gar nicht einverstanden seien. Bei den Kulturführungen haben auch Teilnehmer die Möglichkeit etwas beizutragen.
Etwas später liegt der Duft von Safran, Kurkuma und Kardamom in der Luft. Die "Kulturklüngel"-Teilnehmer treffen auf Mashallah Bahrampour in seinem iranischen Lebensmittelladen. Während er süße Zitronen und iranische Datteln anbietet, erzählt er, dass die Iraner Schwarztee mit Kardamom würzen, und dass man im Iran destilliertes Wasser mit Minze gegen Bauchschmerzen verabreicht. Der Besitzer des "Iran-Shop" hat offenbar Spaß daran den neugierigen Gästen sein Wissen weitergeben zu können. Mit neuen Hausmitteln im Gepäck zieht die Gruppe weiter.
Fliegende Teppiche
Als nächster öffnet Nuri Ansari den Gästen samstags nach Feierabend die Türen seines Teppichhandels und zeigt einen so genannten fliegenden Teppich, den man sonst aus den Märchen von 1001 Nacht kennt. "Seidenteppiche sind sehr fein gewebt und weil sie so leicht sind, werden sie auch fliegende Teppiche genannt", erklärt er den interessierten Zuhörern. Die Ladenbesitzer öffnen ihre Türen für die Kulturwanderer und sind für Fragen bereit. Sie machen aus Überzeugung bei den "Kulturklüngel"-Touren mit, aber sie sind keine bezahlten Moderatoren.
Teppichhändler Ansari lebt seit mehr als 50 Jahren in Köln und hat Zeiten erlebt, in denen die Deutschen eher kritisch und verhalten auf fremde Kulturen in Deutschland reagiert haben. Umso mehr freut er sich jetzt, wenn sich jemand für die iranische Kultur interessiert. "Ich trage gerne meinen Teil zum Völkeraustausch bei", so Ansari.
Anders als das Klischee: Kein Kitsch beim Iraner
Bei Hossein Tohidlou sind die Teppiche fast vergessen, es glitzert hier intensiv. "Ich habe mehr Gold und Kitsch erwartet und dachte, dass iranische Frauen eher wenig Silber tragen", wundert sich Teilnehmerin Lena. Der iranische Juwelier erzählt, dass er tatsächlich mehr deutsche als iranische Kundschaft habe. "Die meisten Iraner kaufen Gold vor allem im Iran oder wollen Schmuck zu iranischen Preisen von mir. Das kann ich ihnen aber nicht bieten", sagt Tohidlou. Der gelernte Goldschmied nutzt die Gelegenheit, den Tourbesuchern seinen selbst hergestellten Schmuck vorzuführen. Er sagt: "Wenn ich eine Kette fertig herstelle, dann frage ich erst meine Ehefrau, ob sie diese tragen möchte.“ Die Tourteilnehmerinnen sind erfreut, Romantik kann auch kulturübergreifend sein.