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Auf (Nimmer-) Wiedersehen, Mr. Blair!

Kersten Knipp29. Mai 2015

Tony Blair hat seinen Rückzug als Sondergesandter des Nahost-Quartetts erklärt. Die Reaktionen darauf fallen verhalten aus. Denn viel erreicht hat Blair nicht. Kritisiert wird er aber nicht nur aus politischen Gründen.

Tony Blair, Sondergesandter des Nahost-Quartetts, 8.4. 2013 (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo

"Wir sind froh, dass er geht. Er hätte schon vor langem gehen sollen." Es sind keine allzu freundlichen Worte, mit denen der palästinensische Unterhändler Mohammad Shtayyeh die Nachricht von Blairs Rücktritt als Sondergesandter des Nahost-Quartetts kommentierte. Blair, so Shtayyeh, habe die für das Amt erforderliche Neutralität vermissen lassen. "Er hat nichts für die Anliegen der Palästinenser getan, sondern wurde von Israel benutzt, um die Besatzungs- und Siedlungspolitik zu rechtfertigen", warf Shtayyeh dem scheidenden Vermittler vor.

Mit seinen harten Worten steht der palästinensische Diplomat nicht allein. Aus politischen und diplomatischen Kreisen in Ramallah und Gaza ist kaum ein gutes Wort über Blair zu hören. "Er war nicht der Gesandte des Quartetts, sondern der Gesandte Israels. Er war absolut parteiisch", fasst der an der Universität Bir Zeit im Westjordanland lehrende Politologe Samir Awad seine Eindrücke zusammen. "Acht Jahre lang hat Blair nichts für die Palästinenser getan", erklärt Nabil Sbaath aus dem Parteivorsitz der palästinensischen Fatah.

Kritik auch aus Israel

Auch in Israel ist man über Blairs Abgang nicht allzu unglücklich. "Neue Hoffnung für den Nahen Osten: Blair hört auf", titelte die Zeitung "Jerusalem Post". Er habe den Ernst des Konflikts unterschätzt, schreibt die Zeitung. "Moralische und intellektuelle Aufrichtigkeit bedeuten unserem Tony nichts. Ihm kommt es darauf an, sein Image einer internationalen Friedenstaube zu bewahren."

Ähnlich äußerte sich auch Yossi Alpher, ein Berater des ehemaligen israelischen Premiers Ehud Barak. Blair habe seine Hoffnungen zu sehr auf die wirtschaftliche Entwicklung gesetzt. Käme die in Gang, fasst Alpher Blairs Überzeugung zusammen, ließen sich auch #link:17398228:politische Erfolge# erzielen. Das sei aber ein Irrtum, so Alpher. "Dieser Konflikt ist vor allem ein politischer und ideologischer. Mit Wirtschaft hat er nichts zu tun."

Seltener Gast: Blair zu Besuch im GazastreifenBild: Getty Images/Afp/Mahmud Hams

Allerdings war Blair, der seit Amt im Sommer 2007, kurz nach seinem Rücktritt als britischer Premier, antrat, von Anfang an gezwungen, auf die Wirtschaft zu setzen. Denn auf die beschränkte sich sein Mandat. Dieses sah und sieht vor, dass sich der Sondergesandte vor allem um die Entwicklung der palästinensischen Ökonomie zu kümmern habe. Doch auch in dieser Hinsicht erreichte er nicht allzu viel. Als sein größter Erfolg gilt aus Sicht der Palästinenser die Öffnung des Jalameh-Grenzübergangs zwischen Israel und dem Westjordanland.

Aufforderung zum Rücktritt

#link:15431393:Kritik an dem Sondergesandten Blair# war immer wieder laut geworden. Qualifizieren konnte er sich zwar unter anderem damit, dass die Befriedung des Nordirland-Konflikts ganz wesentlich sein Verdienst gewesen war. Doch machte ihm von Anfang an der Umstand zu schaffen, dass er sich im Jahr 2002 für die Irak-Invasion der USA ausgesprochen und britische Truppen in den Krieg entsandt hatte. Das legten Kritiker als Zeichen seiner Voreingenommenheit gegen die arabische Welt aus.

Im Juni 2014 veröffentlichte eine Gruppe von Politikern, Intellektuellen und Wissenschaftlern einen Aufruf, der Blair zum Rücktritt auffordert. Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem der Sprachwissenschaftler und Polit-Aktivist Noam Chomsky, der ehemalige britische Botschafter in Libyen und im Iran, Sir Richard Dalton, und der israelische Historiker Ilan Pappé. Blairs Erfolge, schrieben sie, seien "vernachlässigbar".

Acht vergeudete Jahre? Palästinenser protestieren gegen den SiedlunsgbauBild: Abbas Momani/AFP/Getty Images

Vorwurf des Interessenkonflikts

Vor allem warfen sie Blair Interessenskonflikte vor, in die er sich durch sein Engagement begeben habe. "Unserer Ansicht nach weckt Tony Blairs Verhalten bei seinen privaten Geschäften Zweifel an seiner Eignung für die Aufgabe."

Den Vorwurf des Interessenskonflikts erhoben auch andere. So wies etwa die Zeitung "The Guardian" noch im März dieses Jahres darauf hin, dass Blair die israelische Regierung dazu hatte bringen können, dem palästinensischen Mobilfunkanbieter Wataniya die benötigten Frequenzen zu überlassen. Das, so der "Guardian", sei insofern problematisch, als dass Blair auch Berater der Bank JP Morgan sei - deren Kunden in Wataniya investierten.

Ebenso kritisierte der Guardian, es sei gelegentlich nicht ganz klar, in welcher Mission Blair unterwegs sei: in der des Nahost-Vermittlers oder als Vertreter seiner eigenen Interessen - etwa im Namen der Tony-Blair-Stiftung oder seiner Beratungsfirma Tony-Blair-Associates. So habe Blair zu Beginn seiner Amtszeit den Emir von Kuwait besucht. Doch zu dem Gespräch habe er keinen führenden Mitarbeiter aus dem Büro des Nahost-Quartetts mitgenommen, sondern einen Berater von Tony-Blair-Associates. "Wenn sich aus diesem Treffen irgendetwas ergab, das mit dem Nahost-Friedensvertrag zu tun hat, dann weiß niemand, was es war", schreibt der "Guardian". "Tatsache ist, dass der Emir Blair einen Beratungsvertrag über 27 Millionen britische Pfund übergab." Tony Blair wies den Vorwurf des Interessenskonflikt zurück.

Unendlicher Prozess: US-Präsident Jonny Carter vermittel 1979 zwischen Israel und ÄgyptenBild: AFP/Getty Images

"Das gesamte Quartett hat nichts geleistet"

Auch in seinem politischen Engagement überzeugte Blair nicht. So habe er zu wenig Zeit vor Ort verbracht. Auch sei er unter Berufung auf Sicherheitsbedenken zu selten in die palästinensischen Gebiete gefahren. "Er kam nur alle zwei bis drei Monate für ein Foto-Shooting", sagt Mohammad Shtayyeh.

Allein Ghassan Katib, Vize-Präsident der Bir-Zeit Universität, will Blair für die mangelnden Erfolge im #link:16694031:Nahost-Friedensprozess# nicht persönlich verantwortlich machen. "Mit Tony Blair hat das nichts zu tun", erklärt er. "Das gesamte Quartett hat nichts geleistet."

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