1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Auf Wiedersehen, Afghanistan

Hendrik Heinze15. November 2012

Wegtreten am Hindukusch: Die Bundeswehr zieht aus Afghanistan ab. Mitnehmen wird sie 6000 volle Container. Zurücklassen wird sie ein Land mit ungewisser Zukunft. Alle Einzelheiten der Rückverlegung im Überblick.

ISAF-Soldaten (International Security Assistance Force) der Bundeswehr mit einem Transporthubschrauber (Foto: dapd)
Bild: dapd

Verteidigungsminister Thomas de Maizière erklärt die Mühen des Abzugs mit einem Vergleich. "Von einem Baum runterzuklettern ist manchmal komplizierter, als auf einen Baum raufzuklettern." Jörg Langer lacht, als er den Baum-Vergleich hört. "Die Rückverlegung ist vom Prinzip her eigentlich einfach", sagt der Bundeswehrsprecher für das Einsatzgebiet Afghanistan. "Aber in der Realität dann doch wieder nicht ganz so leicht." Worum es geht und was so schwierig ist: Wir erklären die Details der komplizierten "Kletterpartie".

Worum geht's?

Die Bundesregierung möchte die Zahl deutscher Soldaten in Afghanistan verringern. Derzeit tun dort rund 4700 Männer und Frauen Dienst. Ende Januar 2013 sollen es noch 4400 sein, Ende Februar 2014 nur noch 3300. "Es ist nicht so, dass auf einen Schlag nun 1100 Soldaten das Land verlassen", erklärt Langer. "Es ist ein steter Wechsel. Tatsächlich kommen immer wieder neue Soldaten rein - und einige, die rausgehen, werden dann eben nicht mehr ersetzt."

Verteidigungsminister de Maizière beim TruppenbesuchBild: picture-alliance/dpa

Ende 2014 endet die bewaffnete ISAF-Mission nach 13 Jahren - dann sollen alle ausländischen Kampftruppen das Land verlassen haben. Die NATO hat Afghanistan allerdings schon zugesagt, ab 2015 eine Ausbildungs- und Beratungsmission zu schicken.

Was macht den Abzug kompliziert?

Der Abzug geschieht bei laufendem Betrieb. "Das deutsche Kontingent hat dort einen Auftrag", so Bundeswehrsprecher Langer zur Deutschen Welle, "und der lautet nicht Rückverlegung, sondern Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte - so dass sie in der Lage sein werden, selbständig ihre Aufgaben zu erfüllen."

In den kommenden Monaten schickt die Bundeswehr bis zu 300 Logistikexperten nach Afghanistan. 1700 Fahrzeuge und 6000 volle Container müssen außer Landes geschafft werden. "Das sollte fachgerecht gemacht werden", sagt Langer, "und das kann auch nicht jeder. Dazu gibt es spezielle Ausbildungen, damit das Material auch noch verwendungsfähig ist, wenn es in Deutschland ankommt. Damit es nicht im Container durcheinandergeschüttelt und zerstört wurde beim Transport."

Bild: picture-alliance/dpa

Was sagt das Parlament?

Die Bundeswehr ist eine sogenannte Parlamentsarmee - das heißt, über ihre Einsätze beschließt der Bundestag, er erteilt das Mandat. Die Abgeordneten werden den Abzugsplänen der Regierung voraussichtlich zustimmen, wenn auch erst im Januar 2013. Die Oppositionsparteien SPD und Grüne sind in die Pläne eingeweiht und eingebunden. "Das war keine Unterrichtung der Opposition, sondern das waren werbende und verhandelnde Gespräche", sagt Verteidigungsminister de Maizière. Die Linke lehnt den Einsatz als einzige im Bundestag vertretene Partei grundsätzlich ab. Sie fordert einen sofortigen Abzug.

Ändert sich der Auftrag der Bundeswehr?

Mit dem Abzug werde "der Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch einen neuen Charakter bekommen", schreibt die Nachrichtenagentur dapd. Vom Kampfeinsatz werde er sich zum Unterstützungseinsatz wandeln. "Das ist schon jetzt richtig", ergänzt Bundeswehrsprecher Langer. "Der Einsatz wandelt sich eigentlich dauerhaft. Sie können sagen: Mit Beginn des Einsatzes hat er sich gewandelt. Wir sind schon derzeit in erster Linie als Unterstützer tätig und nicht an vorderster Front."

"Wir sind zuversichtlich": Bundeswehrsprecher Jörg LangerBild: PIZ EinsFüKdoBw/Janin Kuhle

Wie lange ist die Bundeswehr schon in Afghanistan?

Das erste Mandat zum Afghanistan-Einsatz beschloss der Bundestag Ende 2001 - und genehmigte höchstens 1200 Mann. In den kommenden Jahren stieg dann die Zahl der Soldaten. 2004 sagte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck einen Satz, der zum geflügelten - allerdings auch zum vielfach kritisierten - Wort wurde: "Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt."

Einen Tiefpunkt erreichte der Einsatz im September 2009, als ein deutscher Oberst in der Nähe von Kundus zwei Tanklaster bombardieren ließ. Bei dem Angriff starben bis zu 142 Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten. In den gesamten elf Einsatzjahren starben auch 52 deutsche Soldaten, 34 davon im Kampf.

Trauerfeier in Hannover: Im Einsatz starben 52 SoldatenBild: dapd

Die Rückverlegung tritt jetzt in eine neue Phase ein. Denn begonnen hatte sie tatsächlich schon früher. 2011 waren noch 5350 deutsche Soldaten in Afghanistan, seitdem werden es schrittweise weniger. Im Herbst 2012 etwa gab die Bundeswehr ihre beiden Feldlager in Faisabad und in Hazrat-e-Sultan auf. Übrig sind derzeit noch das regionale Wiederaufbauteam in Kundus sowie das größte Camp in Masar-i-Scharif - und eine kleine deutsche Einheit in der Hauptstadt Kabul. Der Standort Kundus soll im kommenden Jahr geschlossen werden, das ist bereits beschlossene Sache.

Wie geht es weiter?

Auch ab 2015 sollen noch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan bleiben - vor allem, um die afghanische Armee zu beraten und auszubilden. Ihre Zahl ist aber noch offen. Das Mandat, das der Bundestag im Januar beschließen wird, schafft hier keine Klarheit. Dafür sei es noch zu früh, sagt der Verteidigungsminister. Das sehen etwa die Grünen anders und fordern möglichst bald konkrete Angaben. Die USA, die weiterhin die mit Abstand größte Truppe in Afghanistan stellen, werden in den nächsten Wochen ihr Konzept für die Zeit ab 2015 präsentieren. Das wird dann wohl Grundlage aller deutschen Pläne sein.

Was nun die Entwicklung des Landes angeht, gibt es gegensätzliche Ansichten: "Im wesentlichen ist das davon abhängig, welche Fortschritte die afghanischen Sicherheitskräfte dann gemacht haben werden", sagt Bundeswehrsprecher Langer. "Da sind wir allerdings sehr zuversichtlich. Wenn die dann eine entsprechende Qualität erreicht haben, sollten sie in der Lage sein, für Sicherheit im Land zu sorgen." Auch der Verteidigungsminister äußert für die Zeit bis Ende 2014 "begründete, aber nicht grenzenlose Zuversicht."

Machen sie Fortschritte? Afghanische Sicherheitskräfte feiern das Ende ihrer AusbildungBild: picture-alliance/dpa

Ein düsteres Bild zeichnen dagegen die Experten von der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group (ICG). Sie warnen vor einem Zusammenbruch Afghanistans und einem Bürgerkrieg nach dem Ende des NATO-Kampfeinsatzes 2014.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen