Aufatmen nach Teixeira-Rücktritt
14. März 2012Nach fast einem halben Jahrhundert an der Spitze des brasilianischen Fußballverbandes CBF hat Ricardo Teixeira Anfang der Woche seinen Rücktritt bekannt gegeben. Er teilte seine Entscheidung per Brief mit. Teixeira begründete sein Ausscheiden vom einflussreichsten Posten des brasilianischen Fußballs mit gesundheitlichen Problemen. Seit 1989 hatte Teixeira wie kein anderer den brasilianischen Fußball geprägt. "Es ist das Ende einer Ära", bringt es der deutsche Sportjournalist Thomas Kistner auf den Punkt.
Dennoch wurde die Nachricht in Brasilien mit Erleichterung aufgenommen. Experten glauben, dass sich mit dem Ausscheiden von Teixeira das Verhältnis zwischen der brasilianischen Regierung, dem Weltfußballverband FIFA und dem Organisationskomitee der Fußballweltmeisterschaft 2014 verbessern wird. Tatsächlich kündigten die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff und FIFA-Boss Joseph Blatter kurz nach Teixeiras Rücktritt ein Treffen noch für diesen Freitag (16.03.2012) an.
Korruptionsvorwürfe
Das Verhältnis galt seit Monaten als gespannt. Innerhalb der brasilianischen Regierung wurde der 64-Jährige wegen unzähliger Korruptionsvorwürfe als Störfaktor betrachtet, Rousseff und Teixeira sprachen selbst bei öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr miteinander. Teixeira war nach Berichten europäischer Medien bei Blatter in Ungnade gefallen: Der brasilianische Fußballboss und sein ehemaliger Schwiegervater, der heutige FIFA-Ehrenpräsident João Havelange, sollen in den Korruptionsskandal um die 2001 in Insolvenz gegangene Sportvermarktungsagentur ISL verwickelt sein und Schmiergelder in Millionenhöhe erhalten haben.
Erst kürzlich hatte FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke heftige Kritik geübt: Brasilien brauche ein "Tritt in den Hintern, damit die schleppenden Vorbereitungen endlich voran kommen". Diese Äußerung sorgte bei der brasilianischen Regierung für Empörung, aber sie beschreibt die aktuelle Situation treffend: Zwei Jahre vor dem Eröffnungsspiel sind die Stadien riesige Baustellen. Fraglich ist, ob die Spielstätten bis Juni 2014 fertig gestellt werden können. Schlimmer noch: Die brasilianischen Flughäfen sind nicht auf einen Massenandrang vorbereitet. "Valcke hat es unglücklich formuliert, aber inhaltlich war es korrekt", sagt der brasilianische Fußballjournalist Milton Neves. "Es war wichtig, dass er Brasilien die Ohren lang zieht."
Lang erwarteter Schritt
Für den brasilianischen Journalisten Juca Kfouri kommt Teixeiras Rücktritt jedoch verspätet. Und dass der Fußballverbandschef den Schritt freiwillig gegangen ist, glaubt er auch nicht: "Er sah sich in die Ecke gedrängt, weil ihm die Türen in Brasília und bei der FIFA verschlossen waren und er vielen Anschuldigungen ausgesetzt war." Teixeira wird auch vorgeworfen, Bestechungsgelder bei Verhandlungen über die Übertragung von Fußballspielen angenommen zu haben und an Geldwäschegeschäften beteiligt gewesen zu sein. Der Wechsel an der Spitze des CBF mache eine transparentere Verwaltung im brasilianischen Fußball und bei der Organisation der Weltmeisterschaft 2014 möglich, hofft Kfouri. "Das wird auch erwartet, denn ein besonderes Merkmal der Verwaltung von Ricardo Teixeira war Mangel an Transparenz."
Zu einem ähnlichen Schluss kommt der deutsche Sportjournalist Kister: "Bedenkt man all die Skandale der Ära Teixeira, kann man nur sagen: Schlimmer geht's nicht mehr, es kann nur besser werden.“
Reibungslose WM-Vorbereitung garantiert?
Teixeiras Rücktritt wird auch die Verhandlungen zwischen Brasilien und FIFA über das sogenannte WM-Gesetz erleichtern. Dieser Text liefert die Rahmenbedingungen für den Ablauf der Weltmeisterschaft, in dieser Woche stimmt das Abgeordnetenhaus über ihn ab.
Die aktuelle Version des Gesetzestextes enthält einige umstrittene Vorschläge: Die FIFA fordert eine Erlaubnis für den Verkauf alkoholischer Getränke in den Stadien - in Brasilien trifft das auf Widerstand. Die Regierung macht sich für den Verkauf von Eintrittskarten zum halben Preis an bestimmte Gruppen wie Senioren und Sozialhilfeempfänger stark - das wiederum ist innerhalb des Weltfußballverbandes umstritten. Außerdem in der Diskussion ist eine Regelung, der zufolge die brasilianische Regierung für Schäden oder Unfälle während der Veranstaltung die Verantwortung übernehmen soll.
Nach dem Ausscheiden von Teixeira bekräftigte der brasilianische Sportminister Aldo Rebelo die Bereitschaft, weiterhin mit dem Organisationskomitee zusammenzuarbeiten. "Wir werden weiter harmonisch an den gemeinsamen Aufgaben und für den Erfolg der Veranstaltung arbeiten“, heißt es in der Mitteilung. Das Organisationskomitee wird jetzt von den ehemaligen Fußballstars Ronaldo und Bebeto geführt. Von ihnen wird nun erwartet, dass sie bei der Organisation der WM in Brasilien ebenso erfolgreich sind wie einst auf dem Spielfeld.
Autoren: Ericka de Sá
Redaktion: Michael Borgers