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PolitikSenegal

Aufbruchstimmung nach demokratischem Machtwechsel im Senegal

Martina Schwikowski
23. November 2024

Im Senegal hat eine Parlamentswahl den Machtwechsel vollendet - und Präsident Faye große politische Beinfreiheit beschert. Viele Senegalesen hoffen nun, dass er seine Reformagenda "Plan Senegal 2050" umsetzt.

Kreisrunde Anordnung des Parlaments, bunt gekleidete Abgeordnete sitzen in den Reihen
Im Parlament erhielt die Partei des senegalischen Präsidenten Bassirou Diomaye Faye die MehrheitBild: Carmen Abd Ali/AFP/Getty Images

Im Senegal haben die Wählerinnen und Wähler den im März eingeleiteten demokratischen Wandel bekräftigt: Die Partei PASTEF von Präsident Bassirou Diomaye Faye und Premierminister Ousmane Sonko sicherte sich bei vorgezogenen Neuwahlen eine Mehrheit im Parlament. 

In der vorherigen Legislaturperiode verfügte PASTEF ("Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit") über lediglich 56 der insgesamt 165 Sitze. Nun gehen 130 Sitze an sie - eine mehr als deutliche Mehrheit. 

Grob skizziertes Reformprojekt

"Wir hoffen, dass sie damit den versprochenen Wandel einleiten können", sagt Pape Ibrahima Kane, Direktor der Open Society Initiative für West Africa (OSIWA) in Dakar. Doch das werde keine einfache Aufgabe. Die Regierung spreche immer nur von ihrem Projekt, wenn sie nach ihren Plänen gefragt werde, so Kane zur DW.

Nur knapp einen Monat vor der Wahl wurde der "Plan Senegal 2050" veröffentlicht, der eine politische Agenda bis Mitte des Jahrhunderts skizziert - und wirtschaftlich ambitionierte Ziele setzt. Wachstum soll angekurbelt, Staatsschulden reduziert, Korruption bekämpft werden. Zudem kündigte die Regierung an, internationale Verträge zur Öl- und Gasförderung neu zu verhandeln.

Kane beschreibt die veröffentlichten Pläne nur als vorläufige Version und rechnet mit einer vertieften Fassung im kommenden Jahr: "Das bedeutet, dass es von jetzt an bis zum nächsten Jahr keine wesentlichen Änderungen geben wird", sagt Kane. Aber Gespräche über eine Erneuerung der Justiz, des Transportsystems und des Erziehungssektors sollen beginnen. Ein Neustart sei nur möglich, wenn es finanzielle Unterstützung aus dem Ausland gebe.

Premierminister Ousmane Sonko will wirtschaftlich vieles anders machen als die VorgängerregierungBild: SEYLLOU/AFP

Die Regierung des vorherigen Präsidenten Macky Sall war wegen seines mehr und mehr repressiven Regierungsstils und der desolaten Wirtschaftspolitik in Verruf geraten. Ansteigende Armut, Lebenshaltungskosten und Strompreise sowie eine hohe Arbeitslosigkeit führten häufig zu gewaltsamen Protesten der Bevölkerung. 

Finanzhaushalt ohne Geld

Das charismatische und bei der Jugend populäre Führungsduo Faye/Sonko, zwei langjährige Oppositionelle und ehemalige Steuerbeamte, war mit großer Unterstützung der Wähler im März an die Macht gekommen. 

Parteiführer Sonko durfte aufgrund eines Gerichtsurteils nicht für das höchste Staatsamt kandidieren. Deshalb war sein Stellvertreter Faye als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden. Sonko wurde nach dem Wahlsieg Fayes zum Premierminister ernannt. 

Der hatte die Regierung oft der Korruption, Vetternwirtschaft und Kleptokratie bezichtigt. Ein desolater Finanzhaushalt zählt zum politischen Erbe für die neue Regierung: Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds hatten die Beziehungen zu Senegal auf Eis gelegt.

Kaum im Amt, strebte Präsident Faye den Machtwechsel auch in der Legislative an. Er löste die Nationalversammlung auf und rief Neuwahlen aus. Zuvor hatte er sich darüber beklagt, dass die Abgeordneten nicht zu Diskussionen über das Haushaltsgesetz bereit gewesen seien. 

Präsident Faye löste das Parlament auf (hier bei der Abstimmung zur Präsidentenwahl) und rief Neuwahlen ausBild: Zohra Bensemra/REUTERS

Laut Ibrahima Aidara, Direktor der Abteilung für Gesellschaftspolitik an der Universität Saint-Louis im Senegal, wird es jetzt nach dem offiziellen Wahlergebnis "einen Marathon" geben, um den Haushalt für 2025 schnell aufzustellen und zu verabschieden.

Der müsse strikt an den Prioritäten ausgerichtet sein. Sie sollten sich mit den Versprechen überschneiden, die sie dem senegalesischen Volk gegeben hätten, insbesondere Fragen der institutionellen Reformen, Jugendbeschäftigung, Korruptionsbekämpfung, Rechenschaftspflicht, Erziehung und Gesundheit.

Klima des Vertrauens schaffen

"Die anderen Prioritäten werden sich vor allem um die politische Stabilität und den Dialog drehen. Sie sollten einen konstruktiven Dialog mit den anderen politischen Parteien aufnehmen, um ein Klima des Vertrauens und des Friedens zu fördern", sagt Aidara zur DW. Man müsse dabei pädagogisch vorgehen, nicht nur durch die Förderung der Beteiligung, sondern auch durch Kommunikation, damit niemand die einzelnen Schritte übersehe.

Auch wenn die Reformpläne eine Vision für die nächste Generation darstellten, so gebe es sicher eine Struktur für die nächsten fünf Jahre, die Präsident Fayes Amtszeit umfasse, sagt Aidara.

OSIWA-Direktor Kane glaubt, es bestehende ein ernsthafter politischer Wille, das Land zu reformieren und die Erwartungen der Senegalesen nicht zu enttäuschen. Aber die Umsetzung werde noch Jahre dauern. 

Der Senegal sei ein demokratisches Land, eines der wenigen afrikanischen Länder, die nie einen Militärputsch erlebt hätten, betont Kane. Das Land habe regelmäßig Wahlen abgehalten, deren Ergebnisse öfter auch angefochten wurden.

Im Senegal gab es immer wieder Proteste gegen die Regierung des vorherigen Präsidenten Macky SallBild: John Wessels/AFP

Aber nun sei es akzeptiert worden und sogar die Verlierer gratulierten dem Gewinner und ebneten den Weg für die Wahlsieger. "Das ist ein klares Indiz dafür, dass das politische System im Senegal gut organisiert ist."

Ermutigend sei auch die Tatsache, dass die Jugend jetzt klare Forderungen stelle und der Einfluss religiöser Führer und anderer Akteure weniger wichtig sei. Das bedeute, die Bürger bestimmten wirklich, wer das Land regiere, das sei ein weiteres Element der Zufriedenheit mit dem demokratischen System.

Als Schwachpunkt sieht Kane jedoch das elitäre System, denn die Elite kontrolliere alles und kämpfe mit dem Rest der Bevölkerung. "Wir brauchen wieder mehr Jahre, um diesen Bruch zwischen dieser Elite und den Bürgern zu beenden und sicherzustellen, dass unser politisches System glaubwürdig ist."

Mitarbeit: Robert Adé (Dakar)

Faye neuer Präsident im Senegal

02:45

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