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Auferstanden aus Ruinen: Ophüls' "Lola Montez"

Jochen Kürten
27. September 2018

Um den Film von Max Ophüls ranken sich Legenden. Nach seiner Premiere wurde er von den Produzenten zerschnitten und neu montiert - ohne Erfolg. "Lola Montez" war ein fulminanter Flop - und gilt heute als Meisterwerk.

Film Lola Montez von Max Ophüls
Bild: Imago/United Archives

Erst im Jahre 2002 konnte man "Lola Montez" in einer Fassung wiedersehen, die dem von Max Ophüls 1956 veröffentlichten Film nahe kam. Das Filmmuseum München und die Cinémathèque de Luxembourg hatten "Lola Montez" rekonstruiert. Zuvor war der Film über die legendäre historische Figur, Ophüls' letztes Werk fürs Kino, jahrzehntelang nur in verstümmelter Form zu sehen gewesen. Und da die digitale Technik vor allem in den letzten Jahren noch einmal enorme Fortschritte gemacht hat, ist auch seit 2002 einiges geschehen in Sachen "Lola Montez".

Ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung ist der Film wieder zugänglich

Eine soeben auf DVD erschienene sorgfältig zusammengestellte Edition des Films ermöglicht es nun jedermann, Ophüls' Werk in alter Pracht zu genießen. "Lola Montez" gehört heute zum Kanon der Filmgeschichte. Wie in anderen Kultursparten auch, ist es immer eine Freude für Liebhaber, wenn ehemals zerstörte kulturelle Meisterwerke dem Publikum wieder zugänglich gemacht werden. Das ist bei einem Manuskript von Franz Kafka, einer Partitur von Ludwig van Beethoven oder einem Gemälde von Leonardo da Vinci nicht anders.

Auf dem Präsentierteller: Lola Montez (Martine Carol) in Max Ophüls' FilmBild: Edition filmmuseum/film & kunst GmbH

"Lola Montez" war Mitte der 1950er Jahre die bis dato teuerste europäische Filmproduktion, hatte über sieben Millionen DM verschlungen. Regisseur Max Ophüls, von den Nationalsozialisten aus Europa vertrieben und zeitweise in Hollywood ansässig, hatte im europäischen Film einen ausgezeichneten Ruf, galt als Meister seiner Kunst. Sein Großprojekt "Lola Montez" war damals mit Spannung erwartet worden. Die Werbemaschinerie der Produzenten und Kinobesitzer hatte im Vorfeld der Premiere kräftig und laut getönt.

Martine Carol sollte die Zuschauer in die Kinos locken

Zumal "Lola Montez" im Grunde dreimal gedreht worden war - in einer deutschen, einer französischen und in einer englischen Fassung - als gesamteuropäisches Großprojekt. Mit dem französischen Filmstar Martine Carol besetzt, in den 1950er Jahren größtes Sex-Symbol im Mutterland des Kinos, hatte man in der Hauptrolle einen ungeheuer zugkräftigen Kassenstar verpflichtet. Auch der weitere international zusammengestellte Cast, zu dem unter anderem Peter Ustinov, Adolf Wohlbrück und Oskar Werner gehörten, stand der Strahlkraft von Martine Carol kaum nach.

Ihr berühmtester Liebhaber: der von Adolf Wohlbrück gespielte bayrische König Ludwig I (l.)Bild: Edition filmmuseum/film & kunst GmbH

Doch die Premieren in München und Paris gerieten zum Desaster. Die Erwartungen des Publikums, das einen opulenten historischen Bilderbogen mit vielen deftigen Szenen erwartete, wurden aufs Heftigste enttäuscht. Ophüls hatte einen komplexen Film gedreht, mit zahlreichen Rückblenden, verschachtelt in seiner Dramaturgie. Der Regisseur hatte den historischen Mythos Lola Montez auf der Leinwand nach allen Mitteln der Kunst dekonstruiert. Die Reaktion der Produzenten: "Lola Montez" wurde nach der Premiere sinnentstellend umgeschnitten, stark gekürzt und dann wieder ins Kino gebracht. Doch auch das hatte keinen Erfolg.

Ophüls machte aus Lola Montez eine tragische Figur

Die Geschichte der irischen Tänzerin (1821-1861) und europaweit bekannten Liebhaberin zahlreicher Prominenter wurde vom Regisseur nicht als süffig zu goutierendes Schaustück erzählt, sondern als tragisch-traurige Zirkus-Story, die einem spektakelsüchtigen Publikum den Spiegel vorhielt. Der französische Regisseur François Truffaut, ursprünglich als Regieassistent für "Lola Montez" vorgesehen, schrieb später, er könne sich "des Eindrucks nicht erwehren, dass das Publikum 'Lola Montez' deshalb ablehnt, weil man es kaum dazu erzogen hat, wirklich originelle und poetische Filme zu sehen; (…) auch die besseren französischen Filme (…) sind nur noch darauf angelegt ihm (dem Publikum) zu gefallen, zu schmeicheln, zu huldigen."

Martine Carol und Adolf Wohlbrück als heimliches LiebespaarBild: picture-alliance/KPA

"Sie können gar nicht tanzen, aber sie können Skandale provozieren. Das ist ihre wahre Begabung", flüstert der von Ustinov gespielte Zirkusdirektor Lola Montez in einer Szene zu. Das ist, 60 Jahre nach der Entstehung des Films, eine noch immer aktuelle Aussage über den Kunstbetrieb. Oft ist es nicht die wahre Kunst, die das Publikum in Scharen anzieht, sondern die Art und Weise, wie diese Kunst verpackt und präsentiert wird. Im Film "Lola Montez" kann man das sehr schön nachvollziehen.

Der Film kulminiert in einer abstrus tragischen Szene

Auf den Punkt gebracht wird das in der allerletzten Sequenz des Films, in der die alternde Lola Montez zum bedauernswerten Schauobjekt männlicher Sehnsüchte wird: Der Zirkusdirektor kündigt an, dass jeder Mann, der das 16 Lebensalter überschritten hat, für einen Dollar die wie ein Museumsstück ausgestellte Lola berühren und ihre Hand küssen darf. Die Männer stehen Schlange.

Das ist, wie in den Peep-Shows der 1970er Jahre oder bei einer Live-Performance der Künstlerin Marina Abramović, Demütigung pur. Max Ophüls hat diese Schau-Sucht schon 1956 in seinem nun wieder zu entdeckenden Meisterwerk "Lola Montez" bitterböse auf die Leinwand gebracht.

Im Filmgespräch: Max Ophüls (zweiter von links) und Darsteller Oskar Werner (zweiter von rechts)Bild: Edition filmmuseum/film & kunst GmbH

"Lola Montez" ist gemeinsam mit einem weiteren Film von Regisseur Max Ophüls, "Liebelei" aus dem Jahre 1933, innerhalb der "Edition Filmmuseum" erschienen. Die Edition mit zwei DVDs ist darüberhinaus mit Dokumentationen zu den Filmen und über Max Ophüls sowie einem umfangreichen Booklet ausgestattet.

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