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Politik

Aufruf zu Generalstreik in Hongkong

Phoebe Kong
2. August 2019

Hongkongs Demokratie-Aktivisten setzen auf einen geplanten Generalstreik am Montag. Unterdessen regt sich auch im öffentlichen Dienst verstärkt Protest gegen die Spitze der Exekutive.

Hongkong Carol Ng
Bild: DW

Ein saisontypischer Tropensturms hat sich verzogen, 16 Verletzte in Hongkong gehen auf sein Konto. Die Börse setzte vorübergehend den Handel aus. Am Donnerstag haben sich die atmosphärischen Turbulenzen verzogen, nicht aber die politischen. Carol Ng, Vorsitzende des regierungskritischen Gewerkschaftsbundes HKCTU, verteilt im belebten Stadtteil Mong Kok Flugblätter (Artikelfoto). Ihre Mitstreiter verschenken weiße Armbänder mit dem Aufdruck "Generalstreik am 5. August". Nach dem Willen der Aktivisten sollen die Schüler an diesem Tag nicht in die Schule gehen, die Angestellten nicht zur Arbeit und die Einzelhändler ihre Läden schließen.

"Die 'kleinen Kartoffeln' haben auch ihr Druckmittel, damit ihre Stimme gehört wird, Streik zum Beispiel", sagt Carol Ng im Interview mit der DW, während sie fleißig ihre Flyer verteilt. Die "kleinen Kartoffeln" sind im Englischen und Kantonesischen die Selbstbezeichnung für die einfachen Bewohner der Finanzmetropole, die so gerade zu Rande kommen.

Schwerpunkte des geplanten Streiks laut sozialen Medien der Aktivisten

Druck soll durch Streik verstärkt werden

Am 12. Juni hatte die Protestbewegung in Hongkong dank des massiven Drucks der Straße einen Erfolg erzielt: Der Legislativrat, das Hongkonger Parlament, verschob die 2. Lesung der umstrittenen Neufassung des Auslieferungsgesetzes auf unbestimmte Zeit und empfahl der Stadtverwaltung, das Verfahren auszusetzen, was Regierungschefin Carrie Lam auch tat. Sie ging aber nicht so weit, das Vorhaben, also die Ermöglichung einer Auslieferung von Verdächtigen nach dem Festland, definitiv auszuschließen.

Knapp zwei Monate später wollen die Aktivisten mit einem möglichst breiten Streik den Druck auf die Regierung Hongkongs verstärken. Die Initiatoren sind nicht namentlich bekannt. Abstimmung und Koordination finden über soziale Netzwerke statt. Die Hauptforderungen: Aufklärung von Polizeigewalt, Verzicht auf Anklage gegen Demonstranten wegen "Aufruhr" und Direktwahlen von Parlament und Verwaltungschef.

Aufrufe zur Protestversammlung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes Bild: DW

Zunehmend Kritik im öffentlichen Dienst 

Vermehrt finden sich unter den Demonstranten inzwischen auch Mitarbeiter des Verwaltungsapparats. Einer von ihnen ist "Alex", Mitarbeiter im Amt für Innovation und Technologie, der der DW seinen wahren Namen nicht verraten möchte. Er erzählt, dass auch im Amtssitz von Regierungschefin Carrie Lam, in Waschräumen, Fluren und Teeküchen, mit Plakaten für eine Mitarbeiterversammlung am Freitag geworben wird.

Alex zeigt der DW ein solches Plakat mit dem Bild des Regierungsgebäudes und dem Text: "Wir sind normale Bürger, wenn wir keinen Dienst haben". Alex erklärt: "Neutralitätspflicht gilt, solange wir im Dienst sind. Wenn wir keinen Dienst haben, sind wir einfache Bürger der Stadt Hongkong. Wir dürfen auch unsere Meinungen äußern, vor allem, wenn es um die Zukunft der Stadt geht."

Am Donnerstag erging von der Leitung des öffentlichen Dienstes ein Schreiben an die über 100.000 Staatsbediensteten, in dem sie an ihre Treuepflicht gegenüber der Hongkonger Regierung erinnert und zur politischen Zurückhaltung aufgefordert werden. Unterdessen wurde laut Alex ein offener Brief an Carrie Lam geschickt, der "von 1138 Beamten aus 52 Abteilungen unterschrieben" wurde mit der Forderung, auf die berechtigten Forderungen der Bürger einzugehen.

"Freilassung der Rechtschaffenen, Untersuchung gegen korrupte Polizei" fordert das Plakat dieser Demonstrantin vor einem Hongkonger GerichtBild: picture-alliance/AP Photo/V. Yu

"Regierung ist unfähig" 

"Führungskräfte können wir für diese Aktion nicht gewinnen. Keiner will seine Karriere aufs Spiel setzen. In einigen Ämtern sollen schon Disziplinarverfahren gegen streikende Beamte laufen", berichtet Alex. Dennoch seien viele Beamte bereit, eine klare Position zu beziehen und das arbeitsrechtliche Risiko in Kauf zu nehmen. "Das wäre auch ein Signal an die übrigen Bürger."

Das ursprünglich geplante neue Auslieferungsgesetz habe viel Unruhe innerhalb der Verwaltung gestiftet, sagt Alex. "Wir haben unsere Meinung lange zurückgehalten. Die politischen Beamten, die durchaus in der Lage gewesen wären, die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, haben nichts unternommen. Verwaltungschefin Lam und ihre Spitzenfunktionäre sind unfähig zum Regieren."

In den vergangenen Monaten war Hongkong Schauplatz von zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Zivilisten. Etwa hundert Menschen wurden am Rande von Demonstrationen festgenommen. Dutzenden von ihnen wird der Prozess wegen "Aufruhr" gemacht. 

Die Lage in Hongkong ist angespanntBild: Reuters/T. Siu

"Gewalt ist keine Lösung"

Sam gehört zu den Dauerdemonstranten. Der 33-jährige Programmierer sorgt dafür, dass seinie Mitstreiter Schutzausstattung gegen Tränengas bekommen. In seiner Freizeit sammelt er Spenden und kauft Atemmasken. "Vielleicht brauchen wir sie am Montag", sagt Sam gegenüber der DW und fügt hinzu: "Gewalt ist keine Lösung. Aber die Polizei geht immer härter gegen Demonstranten vor. Ich hoffe, dass diesmal die Demonstration friedlich und die Demonstranten vernünftig bleiben."

Der Ministeriumsmitarbeiter Alex und die Gewerkschaftlerin Ng hoffen auf breite Beteiligung am Streik am Montag. "Wenn das öffentliche Leben durch den Streik lahmgelegt wird, schaffen wir vielleicht einen Durchbruch." In Mong Kok wirbt Carol Ng für den Streik. Viele Passanten sind neugierig und zeigen Verständnis. "Euch viel Erfolg!" sagt einer, der den weißen Armreif annimmt. Andere gehen teilnahmslos an dem Stand der Gewerkschaft vorbei. Ihnen gibt Carol Ng ihre Botschaft mit auf den Weg: "Die Erlangung politischer Rechte ist bedeutender als ein Tageslohn. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft und sitzen in einem Boot."

 

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