1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aufschrei gegen Rassismus rund um die Welt

6. Juni 2020

Die Massendemonstrationen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA halten an. Australien machte den Anfang bei der jüngsten weltweiten Protestwelle, die nun in Washington ankommt.

... im australischen Adelaide ...
"Black Lives Matter": Demonstranten im australischen Adelaide ...Bild: Getty Images/T. Nearmy

Ungeachtet der Corona-Pandemie sind an diesem Samstag weltweit Zehntausende Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße gegangen. Den Anfang machten Großkundgebungen in mehreren Städten Australiens. Dort hatten die Behörden ebenso wie im Mutterland des Commonwealth, dem Vereinigten Königreich, dazu aufgerufen, wegen einer möglichen Anstreckung mit dem Virus zu Hause zu bleiben.

In Sydney trugen viele der schwarz gekleideten Demonstranten Schutzmasken mit der Aufschrift "Ich kann nicht atmen" - in Anlehnung an die letzten Worte des Afroamerikaners George Floyd, der Ende Mai bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz in der US-Metropole Minneapolis zu Tode gekommen war. Zudem prangerten sie zahlreiche Todesfälle von inhaftierten Mitgliedern der Aborigines an - mehr als 400 in den vergangenen drei Jahrzehnten.

... in der tunesischen Hauptstadt Tunis ...Bild: Getty Images/AFP/F. Belaid

"Wir wollen Gerechtigkeit! Wir wollen atmen", skandierten hunderte Menschen in der tunesischen Hauptstadt Tunis. Auch in Europa versammelten sich mehrere Zehntausend Menschen zu Protesten. In Frankreich missachteten zahlreiche Demonstranten eine Anordnung der Behörden, die wegen der Corona-Pandemie Kundgebungen mit mehr als zehn Personen untersagt hatten. So kam es in Paris nahe der US-Botschaft an der Place de la Concorde ebenso wie in weiteren Städten des Landes zu Solidaritätskundgebungen.

... in Paris ...Bild: Getty Images/AFP/A.-C. Poujoulat

Viele Teilnehmer hielten Schilder mit der Aufschrift "Black Lives Matter" ("schwarze Leben zählen") in die Höhe. Andere forderten Gerechtigkeit für Adama Traoré. Der 24-jährige Sohn von Einwanderern aus Mali war vor vier Jahren in Polizeigewahrsam in einer Pariser Vorstadt ums Leben gekommen. Sein Fall gilt als Symbol für Polizeigewalt in Frankreich.

In Deutschland schlossen sich Zehntausende Menschen den Protesten an. Allein in Berlin zählte die Polizei auf dem Alexanderplatz 15.000 Teilnehmer. In Hamburg waren es laut Behördenangaben fast ebenso viele; erlaubt waren wegen der Corona-Einschränkungen nur 525. In München demonstrierten sogar rund 20.000 Menschen - genehmigt war die Kundgebung auf dem Königsplatz nur für 200 Teilnehmer. In Großbritannien und Italien gingen ebenfalls zahlreiche Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße.

... in Manchester in Großbritannien ...Bild: Getty Images/AFP/P. Ellis

Schauplatz von Massenprotesten dürften - wegen der Zeitverschiebung erst mit Verspätung - erneut die USA werden. In Washington ist eine Mahnwache für George Floyd am Lincoln-Denkmal angekündigt, das in der Nähe des Weißen Hauses liegt. Dort und vor dem Kapitol begannen weitere Kundgebungen. Washingtons Polizeichef Peter Newsham sagte, die Proteste könnten zu den größten zählen, die er bislang gesehen habe. Die demokratische Bürgermeisterin der Hauptstadt, Muriel Bowser, hatte am Freitag einen Abschnitt der 16. Straße vor dem Regierungssitz nach dem Slogan der "Black Lives Matter"-Bewegung benannt. Bowser ist selbst Afroamerikanerin.

... in Washington ...Bild: Reuters/J. Ernst

Der unbewaffnete Floyd war am Montag vergangener Woche in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota festgenommen worden, weil er mutmaßlich mit Falschgeld Zigaretten gekauft hatte. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Schwarzen gedrückt - trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen. Der Beamte und drei weitere beteiligte Polizisten wurden nach Bekanntwerden des Vorfalls entlassen. Sie wurden inzwischen festgenommen und angeklagt.

Für zusätzliche Empörung sorgt eine Reihe von Videos in den sozialen Medien, die US-Polizisten dabei zeigen sollen, wie diese brutal gegen Demonstranten vorgehen. In Buffalo im Bundesstaat New York wurden inzwischen zwei Beamte vom Dienst suspendiert, wie Bürgermeister Byron Brown mitteilte. In einem Video ist zu sehen, wie die Einsatzkräfte einen 75-jährigen Demonstranten umstoßen, der daraufhin bewusstlos liegen bleibt und stark am Kopf blutet. Die Polizei hatte zunächst angegeben, der Mann sei gestolpert. In Indianapolis befassen sich Ermittler mit einem Video, das mindestens vier Beamte zeigen soll, die eine Frau mit Schlagstöcken und Pfefferspray-Geschossen angreifen. In New York wurden zwei Beamte nach Polizeiangaben wegen eines vergleichbaren Vorfalls suspendiert.

Sicherheitskräfte in der US-HauptstadtBild: Reuters/L. Jackson

Die Stadt Minneapolis kündigte derweil umfassende Polizeireformen an. Künftig dürften Beamte keine Würgegriffe mehr anwenden und Verdächtige nicht am Nacken festhalten, erklärte Bürgermeister Jacob Frey. Zudem müssten alle Polizeibeamte, die Zeugen einer "ungenehmigten Gewaltanwendung" ihrer Kollegen würden, dies unter Strafandrohung melden. Die mit dem Bundesstaat Minnesota juristisch bindend vereinbarten Reformen seien ein guter Schritt, um die Kultur der Polizei zu ändern und "systematischen Rassismus zu entwurzeln", schrieb Frey auf Twitter. Andere Bundesstaaten kündigten ähnliche Reformen an.

US-Präsident Donald Trump hat Floyds Tod mehrfach scharf verurteilt und das Recht auf friedliche Proteste betont. Ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis zu zeigen für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land.

jj/sti (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen