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Politik

Aufständische in Tigray auf dem Vormarsch

30. Juni 2021

In der äthiopischen Krisenprovinz Tigray ist trotz einer von der Regierung erklärten Waffenruhe kein Ende der Kämpfe in Sicht. Die Anti-Regierungstruppen wollen weiterkämpfen, bis Tigray unter ihrer Kontrolle ist.

Äthiopien Tigray | Hauptstadt Mekele | TPLF-Zentrale
Zentrale der Volksbefreiungsfront von Tigray in der Regionalhauptstadt Mekelle (Archivbild)Bild: EDUARDO SOTERAS/AFP/Getty Images

Nach der von der äthiopischen Regierung verkündeten einseitigen Waffenruhe haben die Aufständischen in der Konfliktregion Tigray weitere Gebiete eingenommen. Die Kämpfer der abtrünnig gewordenen früheren Regierung von Tigray "kontrollieren nun den größten Teil der Region, einschließlich großer Städte", erklärte das Politikinstitut International Crisis Group (ICG).

Volksbefreiungsfront lehnt Waffenruhe ab

Am Dienstag übernahmen die Kämpfer der Tigray-Verteidigungstruppen (TDF) die Kontrolle über die Stadt Shire etwa 140 Kilometer nordwestlich der Regionalhauptstadt Mekelle, wie es aus Sicherheitskreisen der UN hieß. Am Montag waren die Kämpfer bereits in Mekelle einmarschiert. Die von der Zentralregierung in Addis Abeba eingesetzte Übergangsverwaltung und die Regierungstruppen waren zuvor geflohen. Stunden später hatte die Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed eine sofortige Feuerpause ausgerufen. Das Aussetzen der Kämpfe soll demnach dazu beitragen, den Zugang für humanitäre Hilfe zu verbessern und den Wiederaufbau zu ermöglichen.

Die Region Tigray liegt im Norden Äthiopiens und grenzt an Eritrea und den Sudan

Die frühere Regierung Tigrays lehnt die einseitige Waffenruhe jedoch ab. Getachew Reda, Sprecher der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), bezeichnete sie in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP als "kranken Witz". Die äthiopische Regierung habe den Menschen in Tigray lange humanitäre Hilfe verweigert und behaupte nun, sich dafür einsetzen zu wollen. Reda kündigte an, die Kämpfe fortsetzen zu wollen, bis alle feindliche Einheiten Tigray verlassen hätten und das gesamte Gebiet wieder unter der Kontrolle der TPLF sei. "Wir werden nicht aufhören, bis wir jeden Quadratzentimeter befreit haben", so Reda wörtlich.

Äthiopische Regierungstruppen hatten im November 2020 die in Tigray regierende TPLF angegriffen. Ministerpräsident Abiy, der 2019 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, begründete den Einmarsch damit, dass Aufständische zuvor Militärbasen angegriffen hätten. Kurz darauf erklärte er die TPLF für besiegt. Doch bis heute gehen die Kämpfe weiter. Tausende Zivilisten wurden bislang getötet, rund 1,6 Millionen Bewohner der Region mussten vor den Kämpfen fliehen. Beiden Konfliktparteien und den involvierten Truppen des Nachbarlandes Eritrea werden schwere Verbrechen wie systematische Vergewaltigungen, ethnisch-motivierte Massaker und der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe vorgeworfen.

Tigray weitgehend von Außenwelt abgeschnitten

Nach der Rückeroberung von Mekelle meldete der staatsnahe Sender Fana, der Chef der Übergangsverwaltung von Tigray, Abraham Belay, habe die Zentralregierung dazu aufgerufen, aus humanitären Gründen einer Waffenruhe zuzustimmen. Dies sei nötig, damit der Konflikt "nicht noch mehr Schaden" anrichte. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte nach eigenen Angaben Abiy zur Einstellung der Kämpfe aufgerufen. Er bezeichnete die jüngsten Entwicklungen als "extrem besorgniserregend". Sie zeigten, dass es keine militärische Lösung für die Krise gebe.

Die mehr als fünf Millionen Einwohner der nordäthiopischen Region sind seit November weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Hilfsorganisationen zufolge leiden in Folge der Kämpfe 350.000 Menschen in Tigray unter einer Hungersnot. Die Regierung von Ministerpräsident Abiy steht in der Kritik, den Zugang von Hilfe in die Region zu behindern.

ww/fw (afp, ape, epd)

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