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Politik

Petry: "Wunder gibt es immer wieder"

17. August 2017

Ist das der Anfang von ihrem politischen Ende? AfD-Chefin Frauke Petry gerät juristisch unter Druck. Wegen eines Meineid-Verdachts verliert sie wohl bald die Immunität als Abgeordnete. Ihr droht eine Anklage.

Köln AfD Parteitag Frauke Petry
Bild: Getty Images/S. Schuermann

Frauke Petry feiert sich an diesem Donnerstag. "Wunder gibt es immer wieder", twittert sie am Nachmittag. Und zeigt drei Emojis: eine knallende Sektflasche, eine Konfettibombe, eine Medaille. "Petry-Twitter-Account nun endlich verifiziert! Weiter geht's!", schreibt sie.

Ob der prominentesten Politikerin der rechtspopulistischen Partei an diesem Tag wirklich zum Feiern zu Mute war? Der Tweet entspricht wohl eher dem ihr eigenen stolzen Trotz. Denn ihre politische Zukunft steht auf der Kippe. Binnen weniger Tage kann sie ihre Immunität als Abgeordnete des sächsischen Landtags verlieren. Ihr droht eine Anklage.

Frauke Petry beim Parteitag der AfD in Köln im April 2017Bild: Reuters/W. Rattay

Dabei ist Petry medial, bei Veranstaltungen und in Umfragen so etwas wie der Star der AfD. Sie ist die einzige der Partei, die es – im Herbst 2016 - in der US-Zeitschrift "New Yorker" zu einem großen Porträt schaffte. Da verglich sie sich selbst mehrfach mit Bundeskanzlerin Angela Merkel - beide aus dem Osten, beide promovierte Naturwissenschaftler. Die heute 42–Jährige war über Jahre die Front-Frau der AfD, so etwas wie die Anti-Merkel der Rechtsaußen.

Bemerkenswerte Karriere

Die gebürtige Dresdnerin wurde 2013 eine von drei Parteisprechern, übernahm den Vorsitz der AfD Sachsen und bald auch den Fraktionsvorsitz der AfD im Sächsischen Landtag. In dem ostdeutschen Bundesland, das seit Jahren mit latenter Fremdenfeindlichkeit und Übergriffen in den Nachrichten ist, hat die Partei eine starke Basis. Petry verleiht das Gewicht. Dabei hat sie eine bemerkenswerte vorpolitische Karriere hingelegt. Die Chemikerin gründete 2007 ein eigenes Unternehmen zur Produktion eines innovativen Spezial-Kunststoffs, brachte es damit zu diversen Auszeichnungen bis hin zum Bundesverdienstkreuz – und Ende 2013 in die Insolvenz. Da war sie dann schon politisch bei der AfD aktiv.

Seit Gründung 2013 zeigt sich die Partei in der Führung schon mehrfach zerrissen, und mehrfach stritt Petry kräftig mit. Beim ersten, letztlich seit der Parteigründung schwelenden Konflikt setzte sie sich im Sommer 2015 gegen den Parteigründer Bernd Lucke durch. Der Repräsentant des bürgerlichen und Euro-kritischen Flügels, als Redner stets im Schatten der rhetorisch begabten und kämpferisch peitschenden Petry, zog sich bald aus der Partei zurück. Die Spaltung brachte sinkende Umfragewerte für die AfD. Das alles geriet jedoch über die bald aufbrechende Flüchtlingsdebatte und den lautstark kritischen Kurs der Rechtspopulisten in Vergessenheit. 2016 folgte ein zweiter langer und lauter Streit an der Parteispitze. Petry stand einem mächtigen Männertrio gegenüber - und verlor letztlich den Kampf um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl. Nun ist sie zwar noch eine der beiden Parteivorsitzenden, gehört aber dem Spitzenduo nicht an.

Islamkritik und Medienschelte

Offiziell derzeit die Parteispitze der AfD: Jörg Meuthen und Frauke PetryBild: Reuters/W. Rattay

Beide als Showdown bewerteten Führungswechsel stehen für den allmählichen Rechtsruck der AfD. Petry agierte da munter mit. Sie beklagte früh eine "Entdemokratisierung Europas", sprach sich dafür aus, im äußersten Notfall auch Schußwaffen gegen Flüchtlinge an Deutschlands Grenzen einzusetzen und legte einen Schwerpunkt auf die Rede von Wirtschaftsflüchtlingen. Islamkritik, die Reden von der "Lügenpresse", ein Nachdenken über die in Deutschland geltende gesetzliche Regelung zur Abtreibung…. Petry legte häufig nach. Selten gelang es Journalisten, sie inhaltlich zu stellen. Ein spektakuläres Beispiel dafür bot im März 2016 Tim Sebastian in der DW-Sendung „Conflict Zone", der ihr einzelne Aussagen vorhielt und insistierte.

Nun das Vorgehen gegen sie wegen des Vorwurfs der Falschaussage. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft plädiert der zuständige Ausschuss des sächsischen Landtags für die Aufhebung ihrer Immunität. Einstimmig. Der Entscheid bekommt, falls kein Abgeordneter dem schriftlich widerspricht, in einer Woche Rechtskraft. Sollte es Widerspruch geben, wird am 30. August der Landtag in Dresden entscheiden. Die Immunität schützt ansonsten politische Amtsträger vor Strafverfolgung aufgrund ihres Amtes.

Ermittlungen seit über einem Jahr 

Bereits seit über einem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Frauke Petry wegen Meineides oder fahrlässigen Falscheides. Denn Petry und AfD-Schatzmeister Carsten Hütter hatten sich vor dem Wahlprüfungsausschuss des Landtags widersprüchlich zur Aufstellung der Kandidatenliste zur Landtagswahl 2014 geäußert und zur heiklen Frage, ab welchem Zeitpunkt Petry von Darlehen wusste, die die AfD von ihren Kandidaten verlangt habe. Wenn Petrys Immunität aufgehoben ist, ist mit einer Anklage gegen sie zu rechnen.

Das wäre ein - zumindest vorläufiges - Ende des so beeindruckenden wie unruhigen Höhenflugs. Im System der Partei steht Petry, auch wenn sie dies gern dementiert, längst im Schatten derer, die noch rechter, radikaler auftreten als sie. Gut vier Jahre nach der Parteigründung geben nun als Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel den Ton an und im Osten Deutschlands extremere, ja radikale Vertreter wie Björn Höcke und Andre Poggenburg. Deren Rede lässt nicht wenige Beobachter an Agitation aus der NS-Zeit denken.

Die Soap

Frauke Petry und ihr neuer Mann Marcus Pretzell, AfD-Chef in Nordrhein-WestfalenBild: Getty Images/L. Schulze

Zur großen Polit-Soap der AfD während der vergangenen vier Jahre passte eine familiäre Entwicklung bei Frauke Petry. Zu Beginn ihres politischen Engagements war sie noch mit einem evangelischen Pfarrer verheiratet, mit dem sie vier Kinder hat. 2015 erfolgte die Trennung. Ende 2016 heiratete sie den AfD-Chef von Nordrhein-Westfalen, Markus Pretzell. Mit ihm bekam sie im Mai 2017 einen gemeinsamen Sohn. Auch diese persönliche Entwicklung wurde parteiintern durchaus kontrovers diskutiert.

Aktuell scheint sie jedenfalls nicht in Deckung zu gehen: Petry selbst hat sich für die Aufhebung ihrer Immunität ausgesprochen und will sich dann verteidigen. Aber gut fünf Wochen vor der Bundestagswahl steht sie doch unter Druck wie kaum zuvor.