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Musik

Von "Meistersingern" und Nazi-Vergangenheit

Rick Fulker
25. Juli 2017

Die Bayreuther Festspiele haben begonnen, und der Wagner-Clan streitet sich ausnahmsweise mal nicht. Schließlich wird ein runder Geburtstag gefeiert. Bei der Neuinszenierung der "Meistersinger" geht es um Nazi-Altlasten.

Kunst im öffentlichen Raum Wagner-Figuren von Ottmar Hörl
Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Im vergangenen Jahr wurde der Rote Teppich in Bayreuth nicht ausgerollt: Aus Trauer um die Opfer der vorausgegangenen Terroranschläge in drei deutschen Städten verzichtete man zur Festspieleröffnung auf die alljährliche Parade von Prominenz aus Politik, Film und Fernsehen. Überall gab es damals strenge Sicherheitsvorkehrungen, und auch im 106. Jahrgang der Richard-Wagner-Festspiele 2017 wird das nicht anders sein. Auffahrt und Defilee der Promis sollen am 25. Juli jedoch wieder stattfinden. Die Gästeliste wird vom schwedischen Königspaar König Carl XVI. Gustaf und Königin Silvia sowie von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeführt.

Beinahe so berechenbar wie die Trompetenfanfaren vor jedem Opernakt waren bisher die öffentlichen Querelen, die unter Richard Wagners Nachkommen Jahr für Jahr im Vorfeld der Bayreuther Festspiele ausbrachen. Gegenwärtig herrscht da jedoch eine bemerkenswerte Stille. Stattdessen gibt es sogar eine ungewohnt einige Zusammenarbeit zwischen Nike Wagner und ihren Geschwistern einerseits - den Kindern von Richard Wagners Enkel Wieland Wagner - und Festspielleiterin Katharina Wagner andererseits, der Tochter seines anderen Enkels Wolfgang.

Grund dafür ist der 100. Geburtstag Wieland Wagners. Der Stichtag war zwar am 5. Januar, in Erinnerung an einen der einflussreichsten Opernregisseure des 20. Jahrhunderts wird es jedoch am 24. Juli einen Festakt im Festspielhaus Bayreuth geben.

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Wer die Geschichte der Bayreuther Festspiele kennt, wird vom Programm des Festakts überrascht sein: In über 140 Jahren Festspielgeschichte wurde auf dem Grünen Hügel fast nur Wagners Musik gespielt. Beim Festakt werden jedoch Kompositionen von Giuseppe Verdi und Alban Berg erklingen. Für das Programm ist Nike Wagner verantwortlich, die Intendantin des Bonner Beethovenfests. Ebenfalls Wieland Wagner gewidmet sind eine Sonderausstellung und Symposien vom 3. bis zum 5. August. Schauplatz ist Wahnfried: Das einstige Wohnhaus Richard Wagners wurde vor zwei Jahren nach einer Runderneuerung wiedereröffnet und ist heute Museum und Archiv.
Rundgang durch Richard Wagners Villa

Das Wagner-Karussell dreht sich weiter

Am Eröffnungstag der Bayreuther Festspiele erwartet die 1.974 Besucher auf den ungepolsterten Holzbänken im Festspielhaus eine Neuproduktion von Richard Wagners einziger Komödie: "Die Meistersinger von Nürnberg". Kinobesucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz können die Übertragung leicht zeitversetzt verfolgen - ebenso wie ein weltweites Publikum an den Radiogeräten. Das Werk wird vom schweizerischen Dirigenten Philippe Jordan und vom Australier Barrie Kosky neu interpretiert. Der vielfach gefeierte Regisseur und Theaterintendant hatte nach eigenen Angaben erhebliche Bedenken, dieses problematische Werk Wagners in Angriff zu nehmen. Sein jüdischer Glaube soll dabei eine Rolle gespielt haben.

Mit der Überhöhung der "heiligen deutschen Kunst" und einer vermeintlichen jüdischen Karikatur unter den zentralen Figuren der Handlung wurden die "Meistersinger" von den Nationalsozialisten propagandistisch instrumentalisiert. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs war es sogar das einzige Werk auf dem Festspielprogramm. Nach eigenen Angaben will Kosky diese Aspekte der Oper in seiner Deutung thematisieren.

In der "Parsifal"-Produktion aus dem Vorjahr treten Frauen in Burkas und textilfrei aufBild: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Auf dem Spielplan stehen zudem die Produktion von Wagners Oper "Parsifal" aus dem Vorjahr unter der Regie von Uwe Eric Laufenberg und mit Hartmut Haenchen am Pult, "Tristan und Isolde" aus dem Jahr 2015 in der Inszenierung von Katharina Wagner und unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann sowie die Darbietung des Vieropernzyklus "Der Ring des Nibelungen", die erstmals 2013 über die Bretter ging (Regie: Frank Castorf, Dirigent: Marek Janowksi).

Wagner von Anfang bis Ende

Jedes Jahr erscheinen neue Bücher zu Wagner und Bayreuth. Nach einer großen Festspielgeschichte im Vorjahr (im Bild), wurden diesmal Neuveröffentlichungen über Wieland Wagner angekündigtBild: Deutscher Kunstverlag

Bayreuth, die kleine, etwas entlegene Stadt im Norden Bayerns, bietet jenseits von Richard Wagner und seinen Werken wenig Abwechslung für Besucher. Das war die ausdrückliche Absicht des Komponisten, als er dort im Jahr 1876 seine ersten Festspiele etablierte. Neben dem von Wagner konzipierten Festspielhaus wird allerdings auch das Wagner-Museum im Haus Wahnfried das Publikum anziehen. Zusätzlich zu den Symposien über Wieland Wagner können Besucher dort am 28. und 29. Juli Vorträge und Diskussion verfolgen: Darin geht es unter anderem um Richard Wagner im Dritten Reich.

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Seit 2009 werden an der berühmten Festspielstätte im Rahmenprogramm auch Kinderopern angeboten; in diesem Jahr steht "Tannhäuser" für Opernfans - und für die, die es werden sollen - für 4- bis 12-Jährige auf dem Programm. In dieser abgespeckten Version von Wagners romantischer Oper mit Happy-End werden die Hauptrollen von Solisten übernommen, die ansonsten auf der großen Bühne des Festspielhauses zu sehen und zu hören sind.

 

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