Augusta Victoria: Die Erfindung der Luxus-Kreuzfahrt
Tankred Gugisch21. Januar 2016Augusta Victoria: Die Erfindung der Kreuzfahrt
Zum Vergnügen aufs Meer? Noch vor 150 Jahren hätte man das für absurd gehalten. Den Ozean befährt nur, wer unbedingt muss. Erst der deutsche Reeder Albert Ballin ändert das, indem er 1891 die Kreuzfahrt erfindet.
Die Sensation - Reisen zum Vergnügen
Der 22. Januar 1891 ist ein ungemütlicher Tag in Cuxhaven. Der Wind hat aufgefrischt, die See ist rau. Viele der 174 Passagiere an Bord der "Augusta Victoria" kämpfen um einen stabilen Magen. So manche Auster im Salon wird wieder abserviert. Doch in den folgenden zwei Monaten soll alles anders sein: Die "Orient-Expedition", erste Kreuzfahrt der Welt, wird zu einem Mega-Erfolg.
Ein neues Kapitel der Seefahrt
Die Idee des Hamburger Albert Ballin (Bild), die "Augusta Victoria" für eine Vergnügungstour in warme Gefilde zu nutzen, ist so einfach wie genial. Der 144 Meter lange Dampfer, bei seiner Jungfernfahrt 1889 das größte Passagierschiff der Welt, liegt im Winter sonst im Hafen. Für die gewohnte Transatlantik-Passage besteht zu dieser Jahreszeit kaum Nachfrage, zu gefährlich ist der Nordatlantik.
Die Geburt der Kreuzfahrt
Ballin, damals Leiter des Passagierdienstes der Reederei HAPAG, findet mit seiner Vergnügungsfahrt ins Mittelmeer 1891 die Lösung: Sonnenziele wie Konstantinopel oder Neapel, dafür gibt es Kundschaft. Noch dazu empfängt das Offizierscorps (Bild) nun keine verzweifelten Auswanderer mehr an Bord, sondern eher betuchte Industrielle. Es ist der große Coup, mit dem die Hapag die Konkurrenz aussticht.
Tod oder Leben - der riskante Weg nach Amerika
Um das Revolutionäre an Ballins Idee zu erfassen, dient ein Blick zurück. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Ozean-Reise nämlich alles andere als vergnüglich. Auf den Zwischendecks - wo die Menschen nun die Fracht aus Amerika ersetzten - geht es wenig appetitlich zu. Seuchen grassieren, das Essen ist knapp. Vor allem aber ist die Reisezeit der Großsegler kaum absehbar.
Arbeitslosigkeit und Hunger: Millionen verlassen Deutschland ab 1850
Selbst mit Poseidons Hilfe dauert es rund sechs Wochen, um die rettende Küste Amerikas zu erreichen. Spielt das Wetter nicht mit, erleben viele Passagiere die Ankunft nicht. Millionen verhungern an Bord oder gehen mit den manövrierunfähigen "Passagier-Frachtern" unter. Die Chance, das ersehnte Ziel lebend zu erreichen, liegt im 19. Jahrhundert gerade bei 50 Prozent.
Mit Stil übers Meer: Damensalon auf der "Augusta Victoria"
Eine Änderung der Situation bringt erst die Dampfschifffahrt. 1889 wird mit der "Teutonic" der erste Hochseedampfer in Betrieb genommen, der ganz ohne Segel auskommt. Eigner ist die englische "White Star Line", die mit anderen Reedereien um die Vorherrschaft auf dem Atlantik kämpft. Die Schiffe werden immer schneller und bieten immer mehr Komfort, zumindest in der ersten Klasse.
Der Rückschlag: Der Untergang der Titanic
Als 1912 die "Titanic" in See sticht, ist sie das größte Schiff der Welt. Sie will mit Ausstattung und Service neue Maßstäbe setzen. Doch auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York kollidiert das Schiff mit einem Eisberg und sinkt. 1514 der 2200 Passagiere sterben.
Kreuzfahrt heute - beliebt und bezahlbar
Dennoch: Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Mit der Zeit werden nicht nur die Schiffe zahlreicher, auch das Publikum wächst. 2015 schippern weltweit 22 Millionen Menschen übers Meer. Parallel zum Massenbetrieb sinken auch die Preise. In Deutschland muss man fürs Hochsee-Vergnügen zuletzt durchschnittlich 1.500 Euro berappen - 30 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren.
Schwimmende Paläste: FlowRider und iFly auf der "Quantum of the Seas"
Eine Bibliothek an Bord? 2016 reden wir über Rafting-Strecken, IMAX-Kinos und zehnstöckige Wasserrutschen. Die Kräuter fürs Gourmet-Menu werden im schiffseigenen Gewächshaus gezogen und an den Bars mixen Roboter die Cocktails. Elf neue Kreuzfahrtschiffe sind weltweit für 2016 angekündigt, mit Suiten bis zu 360 Quadratmetern. Mit 1.500 Euro kommt man da allerdings doch nicht weit.