1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Der komplizierte Streit um Picassos Erbe

8. Juni 2020

In London stehen derzeit Bilder und Kunstobjekte von Pablo Picasso zum Verkauf. Wem was vom riesigen Oeuvre des Künstlers als Erbe zustand, mussten die Gerichte klären.

Schweiz Ausstellung Der junge Picasso-Blaue und Rosa Periode
Bild: picture-alliance/dpa/W. Rothermel

Als der berühmte spanische Maler Pablo Picasso am 8. April 1973 an einem Herzinfarkt stirbt, hinterlässt er nicht nur ein riesiges künstlerisches Werk - es wird auf mehr als 50.000 Kunstobjekte geschätzt - sondern auch ein familiäres Trümmerfeld. Von seinen zahlreichen Geliebten und Lebensgefährtinnen hat er nur zwei Frauen geheiratet. Offiziell gibt es nur einen rechtmäßigen Erben.

Mit der russischen Tänzerin Olga Chochlowa, die er am 12. Juli 1918 geheiratet hat (der Erste Weltkrieg ist da noch nicht zu Ende) bekommt er 1921 sein erstes Kind - ehelich: Sohn Paulo. Der ist innerhalb der Familie als Einziger unstrittiger Erbe des riesigen Vermögens seines Vaters. Was ihn todunglücklich macht, er säuft sich am Schluss zu Tode.

Später kommen drei weitere Kinder auf die Welt, Maya (1935), Claude (1947) und Paloma (1949). Sie stammen aus Liebesbeziehungen des Malers und werden alle unehelich geboren. Erst nach dem Tod ihres Vaters werden sie, erkämpft durch einen erbitterten Rechtsstreit, 1975 als rechtmäßige Erben Picassos anerkannt. Und damit beginnt ein weiteres Kapitel des Familiendramas, das bis heute andauert.

Pablo Picasso und seine erste Frau, Olga ChochlowaBild: picture-alliance/Heritage Images

Komplizierte Verhältnisse in der Familie Picasso

Der schwelende Familienstreit zwischen seiner zweiten Frau Jacqueline Roque und den Kindern seiner vorherigen Geliebten explodiert nach Picassos Tod 1973. Picasso hatte Jacqueline 1961 nach dem Tod Olgas geheiratet, er war zu dem Zeitpunkt bereits 80. Da er sein Vermächtnis - Kunst, Villen, Schlösser und Besitztümer - nicht zu Lebzeiten geregelt und klar aufgeteilt hatte, lief nach seinem Tod alles nur noch über Rechtsanwälte.

Auch der französische Staat hat noch ein Wörtchen mitzureden: Die Erbschaftsteuer beläuft sich auf mehrere Millionen Franc, die damalige Währung Frankreichs. Am Ende gehen 3800 Kunstwerke des berühmten Malers in staatlichen Besitz über. Genug, um damit in Paris das größte Picasso-Museum der Welt mit hochwertiger Kunst zu bestücken.

Auch Jaqueline macht ihre Erb-Ansprüche - auch an seiner Kunst - nach seinem Tod geltend. Ihr Sohn Paul aus erster Ehe ist ebenfalls erbberechtigt. Mit den anderen Picasso-Kindern treffen sie sich vor Gericht wieder. Der erbitterte Erbstreit vergiftet die Familie über Generationen hinweg.

Picasso 1960 mit Jacqueline Roque, die ein Jahr später seine zweite Ehefrau wurdeBild: picture-alliance/AP Photo

Zerwürfnis zwischen den Erben

Es geht bei dem Streit um alles, was Picasso hinterließ und vor allem um seine künstlerische Hinterlassenschaft. Alles ist ungeordnet auf seine Villen, Schlösser und früheren Wohnsitze verteilt. Unüberschaubar für die zersplitterte Familie. Ein Werkverzeichnis gibt es nicht, da Picasso Zeit seines Lebens weltweit auch mit verschiedenen Galerien zusammengearbeitet hat.

Beauftragt mit der systematischen Erfassung aller Kunstwerke wird der renommierte Pariser Auktionator Maurice Rheims, der sich mit seinen Assistenten ans Werk macht. Auftraggeber ist der französische Staat, der großes Interesse an einer möglichst vollständigen Auflistung hat. Zu Lebzeiten des Malers wurde von staatlicher Seite kein einziges Kunstwerk von Picasso angekauft.

Wie lange diese Sichtung dauern würde, sei zu diesem Zeitpunkt völlig unklar gewesen, berichtet Francois Bellet, einer von Rheims' Assistenten, in der BR-Dokumentation "Picasso - Sein Erbe" (2018): "Rheims ging davon aus, dass wir drei Monate brauchen würden, was schon eine lange Zeit war. Und dann dauerte es am Schluss viele Jahre - von 1974 bis 1981."

Kunstwerke als Erbschaftssteuer

Der tatsächliche Wert der Kunstsammlung des verstorbenen Picasso konnte am Ende nur geschätzt werden. "Wir haben alles geordnet: zuerst die Gemälde, dann die Zeichnungen, die fein säuberlich, aber unordentlich in Kartons lagen, dann die Keramiken und am Schluss die Skulpturen", erzählt Bellet. Über 50 Anwälte und Kunstexperten sind insgesamt mit der Bestandsaufnahme beschäftigt gewesen.

1976 wurde das gesamte Erbe Pablo Picassos, wozu auch Immobilien, Grundstücke und Wertgegenstände gehörten, auf 3,75 Milliarden Franc geschätzt. Darin enthalten waren 1,3 Millionen Dollar in Gold, 4,5 Millionen Dollar in bar und seine persönliche Kunstsammlung mit wertvollen Arbeiten befreundeter Künstler, wie Matisse, Miró, Cézanne. Der eigene künstlerische Nachlass des berühmten Malers wurden am Schluss noch mal auf 1,4 Milliarden Franc taxiert.

Enkelin Marina Ruiz-Picasso, die Tochter von Picassos ältestem Sohn Paulo, der 1975 starb, war mit der Dimension ihres Erbes anfangs völlig überfordert: "Zuerst traf der Staat eine größere Auswahl, als eine Art Erbschaftsteuer. Der Rest wurde wie in einer Lotterie an die einzelnen Erben verlost. Ich verstand gar nichts von Kunst. Alles, was ich über Picassos Werke weiß, habe ich erst im Laufe dieser Erbverteilung gelernt."

Erbin: Marina Ruiz-Picasso (2002)Bild: picture-alliance/dpa/A. Olive

Picasso-Gemälde erzielen Rekordwerte

Heute sind allein einzelne Gemälde von Picasso mehrstellige Millionenbeträge wert. Sein gesamtes Kunst-Vermögen ließe sich vermutlich nicht mehr beziffern. In den letzten Jahren hat Marina Ruiz-Picasso mehrfach Gemälde und Zeichnungen aus dem Familienerbe auf Auktionen versteigern lassen - und viele Millionen am Kunstmarkt damit verdient.

Zu ihrem Großvater hatte sie ein extrem schwieriges Verhältnis, lange ließ sie die Kunstwerke unberührt im Depot. Inzwischen lebt sie als eine der reichsten Schweizerinnen in einer Villa am Genfer See. Picassos berühmte Villa "La Californie" in Cannes, die zu ihrem Erbteil gehörte, hat sie längst verkauft.

Zu dem aktuellen Angebot der Picasso-Erbin bei Sotheby's zählen 60 Kunstwerke: Gemälde, Zeichnungen, Keramiken, Fotografien, Editionen und sogar alte Farbpaletten aus seinem Atelier, wie das renommierte Auktionshaus in London mitteilte. Die Auktion dauert vom 8. bis zum 18. Juni 2020. Es wird ein Erlös in Millionenhöhe erwartet. Natürlich.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen