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PolitikEuropa

AUKUS-Streit: Eine Frage des Vertrauens

Barbara Wesel
20. September 2021

Der Streit zwischen Frankreich, den USA und Australien wegen des AUKUS-Pakts im Südpazifik eskaliert. Paris reagiert mit weiteren Absagen und stellt nun auch die Handelsgespräche zwischen der EU und Australien infrage.

Französisches Atom-U-Boot Le Triomphant
Weder Atom- noch Dieselantrieb: Australien will keine französischen U-Boote mehr (im Bild: Atom-U-Boot "Le Triomphant")Bild: picture-alliance/dpa/DB Marine Nationale

Der Zorn der Regierung in Paris über das Verhalten der US-Regierung beim AUKUS-Pakt will nicht abkühlen. Im Gegenteil: Außenminister Jean-Yves Le Drian goss am Wochenende weiteres Öl ins Feuer. In Fernsehinterviews beklagte er einen "wesentlichen Vertrauensbruch" zwischen den transatlantischen Partnern und forderte die Europäer auf, vereint zu handeln. "Wenn sie nicht zusammenstehen und ihre Interessen verteidigen, wird ihr Schicksal ein völlig anderes sein." Damit meint Le Drian, dass die EU-Staaten in der Bedeutungslosigkeit verschwinden und zum Spielball der Großmächte werden könnten.

Inzwischen schlägt sich die EU-Spitze nach Tagen des Abwartens offen auf die Seite der Franzosen. In einem Interview mit dem US-Sender CNN erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Eines unserer Mitgliedsländer wurde auf eine Weise behandelt, die nicht akzeptabel ist. Wir wollen wissen was passiert ist und warum." Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte, der Pariser Unmut über das indopazifische Bündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien sei keine "bilaterale Angelegenheit", sondern betreffe die gesamte EU. Er bedauerte, dass die neue Allianz "nicht in Richtung einer stärkeren Zusammenarbeit" mit den Europäern in der Region führen werde.

Maas: "Ernüchternd, nicht nur für Frankreich"

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Bundesaußenminister Heiko Maas nannte das Vorgehen von Washington, Canberra und London "irritierend" und "ernüchternd" und forderte "mehr europäische Souveränität" gegenüber den USA.

Absagen und einfrieren

Die französische Regierung hatte umgehend scharf auf die Pläne der Partner reagiert, indem sie ihre Botschafter aus Canberra und Washington zurückgerufen hat. Nun folgt der nächste Protestschritt: Paris sagte ein geplantes Treffen der Verteidigungsminister mit Großbritannien ab, das für diese Woche geplant war. Prinzipiell arbeiten beide Länder in Verteidigungsfragen eng zusammen, aber die Wut über die Behandlung durch die USA macht vor den Briten nicht halt. Auch wenn deren Rolle in französischen Kommentaren als nachrangig beschrieben und sie als Pudel Washingtons und fünftes Rad am Wagen im AUKUS-Bündnis bezeichnet werden.

Im Juni beim Besuch des US-Außenministers Blinken (r.) in Paris schienen die Beziehungen noch ungetrübtBild: Andrew Harnik/AP Photo/picture alliance

Darüber hinaus stellt der französische Europaminister Clément Beaune jetzt "nach einem solchen Vertrauensbruch" die Fortsetzung der EU-Handelsgespräche mit Australien infrage. Und er bekam Schützenhilfe aus dem EU-Parlament vom stellvertretenden Vorsitzenden im Handels-Ausschuss Bernd Lange, der die Gespräche in Schwierigkeiten sieht: "Neben der sicherheitspolitischen Orientierung Australiens durch den Deal mit den USA sind auch industriepolitische Signale gegen die EU gesetzt. Industriepolitische Kooperation und Technologietransfer, die ja auch ein Teil der indo-pazifischen Strategie der EU sind, werden komplizierter. Die Kompromissbereitschaft auf Seiten der Europäer wird geringer", erklärt der Europa-Abgeordnete. 

Durch die Inselgruppe Neukaledonien ist Frankreich Nachbar Australiens und reklamiert ein strategisches InteresseBild: picture-alliance/dpa/C. Sator

Der Sprecher des Elysée-Palastes wies am Montag darauf hin, dass Handelsgespräche in der Zuständigkeit der EU-Kommission in Brüssel liegen. Frankreich werde dabei seine Interessen vertreten, so wie man es immer in europäischen Handelsfragen tue. Allerdings sei heute ein "weiterreichendes kollektives Nachdenken der Europäer notwendig geworden". Möglich ist, dass im Sinne einer solchen Denkpause die Verhandlungen nach elf Gesprächsrunden vorerst auf Eis gelegt werden. Die australische Seite hatte gehofft, bis Jahresende zu einem Abschluss mit der EU zu kommen.

Es geht um Vertrauensbruch

"Es ist ein Schlag gegen die Strategie der Franzosen im Südpazifik, die sie jahrelang in der Zusammenarbeit mit Australien aufgebaut haben", sagt Frédéric Grare von der Denkfabrik ECFR in Paris. So habe man etwa gemeinsame Seemanöver abgehalten. Die Zusammenarbeit gehe aber weit über den militärischen Teil hinaus, schließlich seien beide Länder durch die zu Frankreich gehörende Inselgruppe Neukaledonien Nachbarn. Aber die Tatsache, dass Paris vom AUKUS-Bündnis weder informiert wurde noch darin einbezogen worden sei, schwäche zweifellos die französische Position. Auch stelle sich die Frage, was die USA und Australien von der Partnerschaft jetzt überhaupt noch erwarteten. 

Die Erklärungen der australischen Seite, der Rüstungsdeal über die Lieferung von dieselbetriebenen U-Booten durch Frankreich sei sowieso verspätet und problematisch gewesen, hält Grare für ein Ablenkungsmanöver. Rüstungsverträge seien auch früher schon geplatzt und man habe kommerzielle Lösungen gefunden. In diesem Fall gehe es allein um den Vertrauensbruch durch die Verbündeten.

"Missachtung" von Partnern sei noch die mindeste Bewertung, die er für das Benehmen Washingtons finden könne, meint Frédéric Grare. Er schwanke in der Bewertung zwischen "hinterhältiger Angriff oder grobe Inkompetenz" und könne nicht entscheiden, was er für wahrscheinlicher halte. Jenseits des Atlantik habe man jedenfalls die französische Reaktion weit unterschätzt.

Beim G7-Treffen in Cornwall im Juni wurde die Chance zu offenen Gesprächen verpasst, behauptet die französische Regierung Bild: Leon Neal/AP/picture alliance

Jetzt wolle Frankreich von der US-Regierung Erläuterungen zu den Plänen Washingtons für den Süd-Pazifik, denn es gehe um mehr als nur das Militär. China habe seinen Einfluss in der Region schließlich trotz der überragenden militärischen Fähigkeiten der USA enorm erweitern können. Darüber hinaus stelle sich die Frage nach den Perspektiven für die Beziehungen zwischen den USA und den europäischen Verbündeten. Das angekündigte Telefonat zwischen dem französischen Präsidenten und seinem amerikanischen Gegenüber Joe Biden werde jedenfalls "nicht sehr freundlich" sein.

Alles dreht sich um China

"Die Franzosen reagieren auf eine Weise über", meint Judy Dempsey von Carnegie Europe. Vor allem das Zurückrufen der Botschafter hält sie für übertrieben. Derzeit würden viele "böse Worte" ausgetauscht. Dabei habe Australien in letzter Zeit unter enormem Druck durch China gestanden und die Europäer hätten nichts getan, um zu helfen. Andererseits räumt sie ein, dass die USA nach Afghanistan jetzt zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit die Pflicht zu "anständigen, grundlegenden Konsultationen mit Verbündeten aus den Augen verloren haben". 

Doch Dempsey sieht keine böse Absichten in Washington am Werk. "Es ist Sorglosigkeit und ein Mangel an Professionalität", fügt sie hinzu, zumal die USA und Frankreich bei anderen Krisenherden wie Mali eng zusammenarbeiteten. Nun gebe es die Gefahr, dass Peking und Moskau profitieren, wenn die Verbündeten einander nicht mehr vertrauen.

Der Weg aus dieser Krise werde jedenfalls viel "Kreativität" erfordern, glaubt Judy Dempsey. Die Europäer müssten entscheiden, wie sie ihre Haltung zu China definieren. Hier fehle es in der EU mit ihren Schwergewichten Frankreich, Deutschland und Italien an politischer Führungskraft. Das europäische Bild vom "guten Präsidenten" Joe Bidennach den vier Jahren Streit mit Donald Trump dürfte ebenfalls überarbeitet werden. Am Ende, so Dempsey, sei Politik einfach "ein dreckiges Geschäft".