Der Deutsche Aktienindex wird größer. Seit seinem Start vor 33 Jahren gehörten ihm 30 Mitglieder an. Zum September wird nun die Reform des wichtigsten deutschen Börsenbarometers umgesetzt.
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Auffälligste Neuerung ist die Zahl der Mitglieder im Deutschen Aktienindex. Statt 30, wie das seit Juli 1988 üblich war, werden künftig 40 Unternehmen dem wichtigsten deutschen Börsenbarometer angehören. "Damit wird er etwas repräsentativer für die Wirtschaft", sagt Chris-Oliver Schickentanz, Aktienstratege der Commerzbank. Das jedoch nur in Maßen: Denn die 'Neuen' sind weitgehend altbekannte Industrieunternehmen wie der Flugzeugbauer Airbus, Siemens Healthineers, die Gesundheitssparte von Siemens, die Porsche-Holding oder der Konsumgüterkonzern Beiersdorf.
Auch der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius dürfte in den DAX einziehen. Mit Bechtle steht immerhin ein IT-Systemhaus recht sicher als Aufsteiger fest, ebenso die Aktie der Hannover Rück und von Carl Zeiss Meditec, während sich die Chancen für HelloFresh in den vergangenen Wochen deutlich verringert haben. Der Kochboxenlieferant wetteifert mit dem Sportartikelhersteller Puma und Knorr Bremse - ein Zulieferer für Züge und Nutzfahrzeuge - um die beiden letzten Plätze.
Frank Mella hat den Dax vor 33 Jahren entwickelt (Archivbild aus dem Jahr 2013)Bild: picture-alliance/dpa
Börsenwert rückt ins Blickfeld
Denn Kriterium für die DAX-Zugehörigkeit ist künftig vor allem die Marktkapitalisierung, also der Börsenwert des Unternehmens. Der Handelsumsatz zählt nicht mehr. Das war der Grund, warum Airbus, die künftig ein ähnliches Schwergewicht wie Daimler oder die Allianz haben werden, es bisher nicht in den DAX geschafft hat: Die Aktie des deutsch-französischen Flugzeugbauers wird vor allem in Paris gehandelt.
Die Deutsche Börse hat mit der Reform vor allem auf den Wirecard-Skandal reagiert. Der Zahlungsabwickler hatte im vergangenen Juni Insolvenz angemeldet, wurde aber erst im August 2020 von Delivery Hero ersetzt, weil die Regeln das nicht anders zuließen. Der Essenslieferant würde es nach den neuen Kriterien nicht mehr in den DAX schaffen. Denn von nun gilt: Unternehmen müssen vor Aufnahme zwei Jahre lang ununterbrochen profitabel gewesen sein. Das aber ist Delivery Hero bis heute nicht.
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Lehren aus dem Wirecard-Skandal
Auch das ist eine Lehre aus dem Wirecard-Skandal, und eine weitere: Jahresabschlüsse und Quartalsberichte müssen fristgerecht eingereicht werden und bestimmte Regeln der guten Unternehmensführung (Corporate Governance) einhalten. "Die Regeln sind stringenter, das kommt dem DAX insgesamt zugute", meint Aktienstratege Schickentanz. "Die Deutsche Börse hat damit das ihre getan, damit ein Fall wie Wirecard so unwahrscheinlich wie möglich wird." Stichtag für die neuen Regeln ist der 1. September, praktisch wirksam werden sie dann am 20.September. Künftig soll die Zusammensetzung des DAX zweimal jährlich überprüft werden - im März und im September.
Gilt als größter Bilanzbetrugsskandal der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte: WirecardBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe
Die zehn Unternehmen, die es dann in den DAX schaffen, werden davon profitieren, ist Joachim Schallmayer überzeugt, er ist Leiter Kapitalmärkte und Strategie der Dekabank. Denn deren Aktien würden künftig von den Investoren stärker wahrgenommen. Während der DAX jedoch nicht grundsätzlich seinen Charakter verändern dürfte, sieht Schallmayer deutlichere Auswirkungen beim MDax. Denn der Index der mittelgroßen Werte umfasst künftig nur noch 50 Unternehmen.
Blick in den Handelssaal der Deutschen Börse (Archivfoto aus dem Jahr 2015) Bild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture-alliance
"Die zehn, die er verliert, stehen aber für fast die Hälfte der Marktkapitalisierung", sagt der Aktienstratege. Andererseits seien nun die Gewichte der verbleibenden Unternehmen besser im Index verteilt, damit dürfte er weniger schwankungsanfällig sein. Wesentliches Kriterium für einen Anleger aber sollte nicht nur die Zugehörigkeit zu einem Index sein, mahnt Anlagestratege Schickentanz von der Commerzbank. Da komme es vor allem auf die Qualität der Unternehmen an. Deshalb sollten Anleger bei der Auswahl ihrer Aktien auch den kleineren SDax und den technologieorientierten TecDax nicht links liegen lassen.
30 bewegte Jahre: Happy Birthday Dax!
Am 30. Geburtstag hat man normalerweise die wildesten Jahre hinter sich. Für den Dax gilt das nicht unbedingt, denn im wichtigsten deutschen Börsenindex spiegelt sich das wirtschaftliche und politische Weltgeschehen.
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Der erste Tag
Eingeführt wurde der Dax am 1. Juli 1988 von der Frankfurter Wertpapierbörse - der Vorgängerin der inzwischen ebenfalls im Dax gelisteten Deutschen Börse. Bis dahin hatten Banken, zum Beispiel die Commerzbank, sowie Medien wie die Börsenzeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Entwicklung der Märkte in eigenen Indizes abgebildet.
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Der Erfinder...
war Frank Mella (Foto). Als Redakteur der Börsenzeitung hatte er vorher bereits einen anderen Index für sein Blatt entwickelt. Sein Verleger beauftragte ihn damit, sich einen Börsenindex für den Finanzplatz Deutschland auszudenken. Damit war der Dax geboren. Auch wenn er am 1. Juli 1988 seinen Einstand feierte - rechnerisch startet er am 30. Dezember 1987 bei einem Stand von 1000 Punkten.
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Deutsche Schwergewichte
Bis heute sind im Dax die Aktien der 30 größten und umsatzstärksten deutschen Unternehmen an der Frankfurter Börse gelistet. Er ist der bedeutendste deutsche Aktienindex und repräsentiert rund 80 Prozent der Marktkapitalisierung börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland.
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Es geht um Leistung
Im Sekundentakt werden von 9 Uhr bis 17:30 Uhr die Dax-Werte anhand des elektronischen Handelssystem Xetra berechnet. Damit ist der Dax ein sogenannter Performance-Index - im Gegensatz zum Dow-Jones-Index für die US-Standardwerte, in dem die Aktien nicht gewichtet sind. Das Gewicht einer Aktie dort bemisst sich nach dem Anteil an der gesamten Kapitalisierung der im Index enthaltenen Werte.
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Die Geburten der kleinen Brüder
Im Frühjahr 1994 wird der sogenannte DAX 100 eingeführt. Dieser Index solle die Wertentwicklung der 100 liquidesten Werte des Aktienmarkts spiegeln. Am 1996 kommt der MDax hinzu, der 70 mittelgroße Unternehmen abbildet. Er wird 2003 auf 50 Firmen verkleinert. Im selben Jahr löst der HDAX den DAX 100 ab. Heute gibt es noch den ÖkoDAX, den TecDax, den ShortDAX und viele weitere Segmente.
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Der erste schwarze Tag
Wer richtig dauerhaft anlegte, darf sich heute über satte Gewinne freuen. Aber es gibt viele Auf und Abs im Laufe der letzten 30 Jahre. Den ersten schwarze Tag erlebt der Dax am 16. Oktober 1989. Damals bricht im Sog des Börsencrashs an der Wall Street auch der deutsche Index an einem Tag um rund 13 Prozent ein.
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Der "kleine Mann" wird wach
Den größten Börsengang in der Dax-Geschichte macht die Deutsche Telekom am 18.11.1996. Telekom-Chef Ron Sommer (Foto rechts) wirbt mit Erfolg, die Nachfrage nach T-Aktien übersteigt das Angebot um das Fünffache. Getrieben von der Euphorie will nun auch der "kleine Mann" sein Geld anlegen. So kann sich der Dax in den drei Jahren und drei Monaten nach dem Telekom-Börsendebüt fast verdreifachen.
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Kurze Episode des Neuen Marktes
Totale Euphorie herrscht am Parkett, als im März 1997 der Neue Markt für wachstumsstarke Technologiewerte eröffnet wird. Ein Boom an Börsengängen folgt, 1999 trauen sich 132 Firmen aufs Börsenparkett. (2017 waren es nur zwölf).
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Fusionsfieber und das wachsende Internet
... treiben den Dax am 7. März 2000 auf ein Hoch von 8136,16 Punkten. Dann kommt der 11. September 2001: Nach den Terroranschlägen in den USA fällt der Dax um neun Prozent. Danach geht es meist weiter bergab. 2002 verzeichnet der Dax mit 44 Prozent den größten Jahresverlust bisher. Die Feierlaune ist erstmal vorbei.
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Auf und ab an der Börse
Dann kommt es zu immer mehr ausufernden Verlusten und Skandalen bei den zuvor bejubelten Unternehmen des Neuen Marktes. Kurz nach der Jahrtausendwende verpufft auch die Begeisterung für Tech-Aktien und das Segment Neuer Markt wird am 21. März 2003 in aller Stille beerdigt.
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Das Comeback lässt auf sich warten
Denn zu viele Anleger hatten sich die Finger verbrannt. Der Dax rutscht im März 2003 unter 2200 Punkte und notiert damit so niedrig wie im November 1995. Danach erholt sich die Weltwirtschaft und mit ihr wächst das Vertrauen in die Unternehmen. Aber es dauert bis Sommer 2007, bis der Dax den Rekord von über 8000 Punkten aus dem Jahr 2000 erreicht. Doch der Gipfelsturm endet in einen jähen Absturz.
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Die Weltwirtschaft geht in die Knie
Die Finanzkrise kommt mit Wucht, als am 15. September 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite geht. Im Oktober 2008 folgt auch für den Dax ein schwarzer Tag auf den anderen. Am 9. März 2009 hat der Dax 56 Prozent seit dem Hoch vom 13. Juli 2007 eingebüßt. Kurz darauf wirft die US-Notenbank Fed die Notenpresse an - und es geht wieder bergauf.
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Höchster Stand bisher bei 13.596 Zähler
Als die Europäische Zentralbank entscheidet, der Politik des billigen Geldes zu folgen, treibt das den Dax am 5. Juni 2014 erstmals über die 10.000-Punkte-Marke. Sie schiebt ihn weiter an, als sie am 22. Januar 2015 ebenfalls die Notenpresse anwirft. Der Dax klettert am 22. Januar 2015 auf über 10.400 Zähler. Den bislang höchsten Stand erreicht der Dax am 23. Januar 2018 mit über 13.596 Zählern.