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"Aus Angela Merkel lässt sich keine Show-Ikone machen"

30. August 2005

Parteienforscher Klaus Detterbeck gibt im wöchentlichen Wahlkampf-Check Antworten auf Fragen zur Wahl 05. Diesmal blickt er auf den CDU-Parteitag zurück und nimmt das Verhalten von Jungwählern unter die Lupe.

DW-WORLD: Der CDU-Parteitag am Wochenende war wie eine Show inszeniert, eine Rockband spielte "We are the Champions", die Delegierten schwenkten Tafeln mit der Aufschrift "Angie". Welchen Zweck verfolgt die CDU mit einer solchen Inszenierung?

Hier ist nun wirklich einmal die Rede von der Amerikanisierung des Wahlkampfes, die oft nicht passt, richtig. Parteien in Europa haben sich in den USA abgeschaut, wie man Parteitage inszeniert, die eher einem Popkonzert als einer politischen Veranstaltung gleichen. Dies dient vor allem zwei Zielen. Das erste ist nach innen gerichtet: Die Parteibasis soll begeistert und der Elan für den Endspurt des Wahlkampfes gesteigert werden; es gilt die Aktivisten der Partei für ihr Engagement in den Fußgängerzonen, bei der Arbeit und im Bekanntenkreis zu motivieren. Die Siegeshymne von Queen passt hierzu perfekt.

Bild: AP

Das zweite Ziel ist nach außen gerichtet: Die Inszenierung lässt sich im Fernsehen gut abbilden. Statt ernsthafter Reden zur Sachpolitik gibt es Musik, fähnchenschwenkende Claqueure und kurze Slogans der Parteiprominenz. Der Zuschauer nimmt die Bilder einer Wahlparty auf; gerade eine Oppositionspartei kann damit den Eindruck erwecken, bereit zu sein für den Machtwechsel. Eine solche Inszenierung wendet sich damit primär an die unentschlossenen Wähler, die sich, so die Hoffnung, dahin wenden, wo der vermutliche Sieger sitzt. Ein netter Nebeneffekt ist, dass man sich bei einem solchen Show-Parteitag nicht zu schwierigen und innerparteilich umstrittenen Themen, wie jetzt der Steuerreform, äußern oder gar festlegen muss.

Swingende Politiker einfach lächerlich

Ich frage mich allerdings, ob sich die deutschen Wähler von solchen Shows wirklich beeindrucken lassen. Ist ein zur Musik swingender Generalsekretär Kauder, ähnlich wie vor wenigen Jahren ein tanzender SPD-Vorsitzender Lafontaine, nicht eher lächerlich? Und merkt nicht jeder Zuschauer, dass sich aus Frau Merkel eben keine Show-Ikone "Angie" machen lässt? Ich habe den Verdacht, dass solche Inszenierungen die Distanz zwischen Bürgern und Politikern noch vergrößern und der Verdrossenheit Vorschub leisten.

DW-WORLD: Angela Merkel könnte die erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland werden. Viele fragen sich, welche Rolle spielt es eigentlich, dass sie eine Frau ist?

Eine ostdeutsche Frau als Kanzlerin einer CDU/CSU-geführten Regierung - das wäre schon eine Besonderheit. Schließlich haben alle Parteien, mit Ausnahme der Linkspartei, Probleme damit, eine angemessene Repräsentation der Ostdeutschen in ihren Führungsreihen zu realisieren; schließlich hat die Union ein besonderes Problem damit, dass ihr ein veraltetes Frauenbild vorgehalten wird. Dies lässt sich zumindest damit belegen, dass die CDU/CSU selbst sehr stark von Männern dominiert wird. Im nun aufgelösten Bundestag etwa waren nur 22 Prozent der Abgeordneten der Union weiblich, bei der SPD waren es immerhin 37 Prozent.

Erwartungsdruck ist höher als an einen Kanzler

Herkunft und Geschlecht von Angela Merkel würden in zweifacher Hinsicht eine Rolle spielen. Zum einen wird ihre Politik sicherlich auch daran gemessen werden, inwieweit sie für den Osten und für die Frauen Erfolge aufweisen kann. Wird sie es schaffen, die Akzente in ihrer Regierungszeit in diese Richtung zu lenken? Öffnet sie die Union stärker für die Belange berufstätiger Frauen? In diesen Punkten wird sie einem höheren Erwartungsdruck ausgesetzt sein als es ein männlicher Kollege aus dem Westen wäre.

Zum anderen stellt sich die Frage nach ihrem politischen Stil und ihrer Durchsetzungsfähigkeit. In politischen Sachfragen hat sie bislang eher den Eindruck einer Teamspielerin erweckt, die nicht die Richtung vorgibt, sondern einen Diskussionsprozess moderiert. Nun kann man trefflich darüber streiten, ob dieser Stil wirklich etwas mit Herkunft und Geschlecht zu tun hat oder nicht eher persönliche Gründe hat. Wenn sie diesen Stil aber als Kanzlerin beibehalten würde, wovon wohl auszugehen ist, wäre dies ein deutlicher Kontrast zum jetzigen Erscheinungsbild des Kabinetts.

Frau sein spielt eine Rolle

Und ohne Zweifel wird dies dann in der Öffentlichkeit als "weiblicher Führungsstil" wahrgenommen werden. Auch in dieser Hinsicht wird sie somit dem Erwartungsdruck ausgesetzt sein, ob es denn nun eine Frau auch wirklich kann (während das Scheitern eines Mannes eben eine persönliche Schwäche ist, die nichts mit seinem Geschlecht zu tun hat).

Ergo: Selbst wenn es politisch völlig irrelevant wäre, die Tatsache, dass Frau Merkel eine Frau ist, würde ein Dauerthema ihrer Kanzlerschaft sein.

DW-WORLD: Werfen wir einen Blick auf die Jungwähler. Inwiefern unterscheidet sich das Wahlverhalten der 18 bis 34-Jährigen vom Rest der Wähler? Welche Themen sind für diese Wählergruppe die wichtigsten?

Das auffälligste Merkmal der Jungwähler ist sicherlich ihre geringe Bindung an eine bestimmte Partei. Stammwähler finden sich vor allem bei den älteren Kohorten, Jungwähler besitzen relativ selten stabile Parteiloyalitäten. Dies hat allerdings weniger mit dem Alter zu tun, sondern ist das Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen, vor allem der Auflösung stabiler Parteimilieus. Mit anderen Worten: Die jetzigen Jungwähler werden auch in späteren Jahren überwiegend flexible Wechselwähler bleiben.

Jungwähler sind flexibler

Jungwähler sind insgesamt etwas offener für die kleineren Parteien, weniger fixiert auf den Wettkampf zwischen Union und SPD. Sowohl die Grünen, wie auch die FDP und die Links­partei dürften bei dieser Gruppe überdurchschnittlich gut abschneiden. Bei Landtagswahlen haben die Rechtsparteien ihre größten Erfolge bei männlichen Jungwählern erzielt. Dies dürfte auch bei der Bundestagswahl im September so sein, allerdings wird sich dies auf erfreulich niedrigem Niveau bewegen.

Auch bei den wahlentscheidenden Themen sind die Jungwähler flexibler: Bei der Wahl 2002 war sicherlich die Irak-Krise für diese Gruppe besonders wichtig; bei früheren Wahlen war etwa der Umweltschutz ein zentrales Anliegen junger Wähler. 2005 unterscheiden sich die Prioritäten der Jungwähler allerdings weniger vom Rest der Wählerschaft: Arbeitsplätze und Ausbildung stehen im Vordergrund. Es ist anzunehmen, dass die Union auch bei dieser Altersgruppe die Nase vorne haben wird.

Klaus Detterbeck (Jahrgang 1966) lehrt und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg.