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'Die Nazis von Ruanda'

6. April 2009

Der Reggae-Musiker Natty Dread war im Exil in Deutschland, als in Ruanda große Teile seiner Familie im Völkermord umgebracht wurden. Aber er hat einen Weg gefunden, damit umzugehen und sich für seine Heimat einzusetzen.

Natty Dread (Bild: Christine Harjes)
Natty Dread hat seine neue Heimat in Ruanda gefundenBild: Christine Harjes

Sein erstes Konzert in Ruanda hat Natty Dread zwei Jahre nach dem Genozid gegeben. Zusammen mit Bob Marleys Mutter hat er damals vor zehntausenden Zuschauern in der Hauptstadt Kigali gespielt. "Die Leute haben getanzt und waren glücklich. Niemand hätte sehen können, dass sie gerade erst einen Genozid hinter sich hatten", erzählt Natty. "Die Feindseligkeiten waren weg und ich habe mich gut gefühlt."

Unbekannte Heimat

Aufbruchstimmung unter jungen RuandernBild: picture-alliance / dpa

Die Erfahrung auf dem Konzert war für ihn ein einschneidendes Erlebnis. "Das hat mir Hoffnung und Vertrauen gegeben, dass die Zukunft hier liegt. Ich habe Gott gedankt und gesagt‚ das ist ein anderes Ruanda und Ruanda wird ein großartiges Land werden. Und das passiert jetzt alles. Wir haben ein kleines aber großartiges Land", sagt der Sänger.

Mit eigenen Augen gesehen hat Natty Dread sein Land zum ersten Mal nach dem Genozid. Der 44jährige Musiker ist im Nachbarland Uganda geboren und aufgewachsen. Als im April 1994 in Ruanda Hutu-Milizen, Soldaten und Polizisten anfingen, die Tutsi und gemäßigten Hutu im Land brutal umzubringen, war Natty in Deutschland. Was er dort in den Medien über den Völkermord gesehen hat, ließ ihn in der ersten Zeit in Ruanda nicht los. Er habe im Fernsehen gesehen, wie die Leute zu Tode gehackt wurden, sagt Natty. "Sofort fing mein Blut an zu kochen. Ich habe gedacht, das könnte mein Bruder sein, das könnte meine Schwester sein. Das könnte jeder sein. Und ich kann das nicht stoppen. Ich bin hilflos. Und dann habe ich mir vorgestellt, wie die Leute sich fühlen. Niemand ist da, der das beenden kann, der ihnen helfen kann. Das war sehr schockierend. Eine Zeitlang war ich sehr enttäuscht und sehr wütend."

Aus der deutschen Geschichte lernen

Der Umgang mit dem Holocaust als VorbildBild: AP

Aus Nattys Familie wurden 18 Menschen während des Völkermordes umgebracht. Trotzdem hat er es geschafft, seinen Hass und seine Vorbehalte gegen die vielen Täter und Mitläufer in seiner Heimat zu bekämpfen. Die Erfahrungen, die er in Deutschland gesammelt hat, hätten ihm dabei geholfen, sagt der Musiker. 20 Jahre hat er ihn Hamburg gelebt, wo er mit einer Jüdin verheiratet war. Oft hat er mit seiner Frau über den Holocaust geredet und sich gefragt, wie so etwas passieren konnte. Die Deutschen gehen vorbildlich mit ihrer Geschichte um, findet Natty. Die Schuld einzugestehen und um Vergebung zu bitten, das sei für ihn der richtige Weg zum Frieden.

Und genau das wollte er den Ruandern vermitteln, als er in sein Land gegangen ist. "Ich habe gesagt, vielleicht kann ich mit meinem Volk sprechen und auf beiden Seiten fragen: "Kann jemand die Wahrheit ertragen? Und sie akzeptieren und die Verantwortung auf sich nehmen für das, was bestimmte Leute anderen angetan haben?" Und dann könnte man die deutsche Erfahrung nehmen und ein Stück von der deutschen Geschichte ausborgen. Man könnte sagen: "Guckt, die Deutschen haben etwas Ähnliches getan und jetzt haben die Deutschen die Schuld dafür akzeptiert'", sagt Natty. Von Deutschland könne man lernen, einen Konflikt zu managen. "Die hier die Verbrechen begangen haben, das waren die Nazis von Ruanda."

Natty ist einer der vielen jungen Ruander, die aus dem Exil in ihr Land zurückgekommen sind, weil sie an einen Neuanfang nach dem Genozid glauben. Jeder versucht auf seine Art, beim Wiederaufbau des Landes mitzuhelfen. Natty tut das mit seiner Musik. Sein erster Hit, den er in Ruanda landete, handelt denn auch von genau diesen Menschen, die wiederkommen. "Seid gegrüßt, Ruander", heißt es da. "Aus Uganda, von überall. Lasst mich diese Geschichte erzählen: die Menschen in Ruanda müssen für ihre Freiheit kämpfen." Eine Geschichte, die die westliche Welt in den 100 Tagen des Völkermordes viel zu wenig interessiert hat.

Autorin: Christine Harjes
Redaktion: Dirk Bathe

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