Aus für Deutschland
24. Juni 2004Es hat nicht sein sollen: Vizeweltmeister Deutschland scheiterte bei der Euro 2004 in Portugal durch ein 1:2 (1:1) gegen eine "B-Mannschaft" von Tschechien bereits in der Vorrunde. Das DFB-Team hätte vor 46.849 Zuschauern im Stadion Alvalade von Lissabon im letzten Vorrundenspiel der Gruppe D einen Sieg benötigt, um die Runde der letzten Acht zu erreichen, weil zeitgleich die Niederlande 3:0 (2:0) gegen Lettland gewannen.
Keine Ende der schwarzen Serie
Doch auch gegen die Reservisten der Tschechen konnte Deutschland seine schwarze Serie gegen europäische Gegner bei großen Turnieren nicht beenden. Der letzte Sieg war im Finale der EM 1996 - gegen Tschechien. Statt Deutschland stehen nun die Niederlande im Viertelfinale gegen Schweden (Sonntag, 18:45 Uhr in Faro).
"Die Enttäuschung ist jetzt erst mal riesengroß", meinte Rudi Völler nach dem Schlusspfiff - und enttäuschend war die deutsche Mannschaft auch in dieses "Endspiel" gestartet. Fahrig, nervös, ja fast ängstlich schaffte es das Team von Rudi Völler nicht, die auf neun Positionen gegenüber dem Holland-Spiel veränderten Tschechen unter Druck zu setzen. Deutschland kam gegen die technisch starke tschechische B-Elf kaum in die Zweikämpfe, die Offensivbemühungen waren zu umständlich. Schließlich stach aber dann doch völlig überraschend Völlers Offensiv-Trumpf Michael Ballack, der nach Ablage von Bastian Schweinsteiger mit einem sehenswerten Volleyschuss von der Strafraumgrenze zum 1:0 in den Winkel traf (21.) - Deutschland stand in diesem Moment im Viertelfinale.
Sicher - für neun Minuten
Nach dem 20. Länderspieltreffer von Ballack wurden die Deutschen kurzzeitig sicherer - aber nur für ganze neun Minuten. Nach einem ungeschickten Foul von Lahm an Marek Heinz nahm sich der ehemalige Bundesliga-Profi selbst den Ball und verwandelte den Freistoß aus rund 25 Metern über die Mauer unhaltbar für Torhüter Oliver Kahn (30.). Bis zur Pause erholten sich die Deutschen nicht mehr von diesem Schock.
Teamchef Völler brachte nach der Halbzeit den 18-Jährigen Stürmer Lukas Podolski für Thorsten Frings - der Sturmlauf konnte beginnen. Zunächst hielt aber Torwart Oliver Kahn seine Farben im Spiel, als er 30 Sekunden nach Wiederanpfiff gegen den künftigen Bochumer Vratislav Lokvenc rettete. Vorausgegangen war ein dicker Patzer von Nowotny.
Sturmlauf in der zweiten Halbzeit
Danach spielte aber eine ganz andere Mannschaft als im ersten Durchgang. Mit Podolski kam endlich mehr Bewegung ins deutsche Spiel. Vor allem über links wurde mit Lahm und Schweinsteiger viel Druck aufgebaut, die Aktionen wurden durchdachter, die Chancen immer häufiger. "So hatte ich mir das vorgestellt, so muss man gegen so einen Gegner spielen", meinte Völler. Die beste Gelegenheit zum Führungstreffer hatte zunächst Ballack, der Münchner traf in der 66. Minute allerdings nur den Innenpfosten. Den Abpraller schoss dann Bernd Schneider kläglich auf die Hände von Tschechiens Ersatztorhüter Jaromir Blazek.
So sehr sich die Deutschen bemühten, das erlösende Tor zu erzielen, es wollte trotz sich häufender hundertprozentiger Chancen durch Schneider (70.), Christian Wörns, Podolski (jeweils 72.) und Kuranyi nicht fallen. "Das ist eben unser Hauptproblem: Wir machen keine Tore", sagte Michael Ballack.
Entscheidung durch einen Konter
Anders die Tschechen: Der eingewechselte Stürmerstar Milan Baros tanzte bei einem der wenigen Konter den schwachen Nowotny sowie Wörns aus und ließ auch Kahn keine Chance - 1:2 (77.). Deutschland hätte nun noch zwei Tore schießen müssen - die Entscheidung war gefallen.
"Wir haben nur zwei Tore in drei Spielen erzielt - das ist einfach zu wenig", meinte Völler nach dem Schlusspfiff. Der Teamchef will sich nun Zeit nehmen, die EM zu analysieren, betonte aber weitermachen zu wollen. "Allerdings klebe ich nicht an meinen Stuhl", sagte Völler zu der nun mit Gewissheit einsetzenden Trainerdiskussion.
Holland souverän
Vom deutschen Scheitern profitierten die Holländer, die durch einen zeitgleichen 3:0-Sieg gegen Lettland ins Viertelfinale einziehen und dort am Samstag (26.6.) auf Schweden treffen. Vom Anpfiff an gingen die Holländer sehr engagiert zur Sache. Mit zunehmender Spieldauer wurde der EM-Neuling immer weiter in die Defensive gedrängt und sah sich einem wahren Sturmlauf des Favoriten aus den Niederlanden ausgesetzt, der nach einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters belohnt wurde. Nach einem fairen Zweikampf zwischen Vitaljis Astafjevs und Davids zeigte Nielsen auf den Elfmeterpunkt. Van Nistelrooy ließ sich diese Chance nicht entgehen. Noch vor der Pause schlug van Nistelrooy abermals zu: Nach einem Freistoß von Clarence Seedorf und Kopfball-Ablage von Cocu war der Mittelstürmer aus kurzer Distanz erfolgreich.
Auch nach der Pause ließen die Holländer nach einen kurzem Durchhänger nichts anbrennen. Die Stürmer lieferten sich ein Privatduell mit dem starken lettischen Torhüter, der nur noch vom erstmals bei der EM eingesetzten Roy Makaay überwunden werden konnte (84.). (sams)
Deutschland - Tschechien 1:2 (1:1)
Deutschland: Kahn - Friedrich, Nowotny, Wörns - Hamann (79. Klose), Frings (46.
Podolski), Schweinsteiger ( 86. Jeremies), Lahm - Schneider, Ballack, Kuranyi
Tschechien: Blazek - Jiranek, Bolf, Rozehnal,
Mares - Tyce, Galasek (46. Hübschman) - Plasil (70. Poborsky), Heinz, Vachousek - Lokvenc - (59. Baros),
Schiedsrichter: Hauge (Norwegen)
Zuschauer: 50 000
Tore: 1:0 Ballack (21.), 1:1 Heinz (30.), 1:2 Baros (77.)
Niederlande - Lettland 3:0 (2:0)
Niederlande: van der Sar - Reiziger, Stam, de Boer, van Bronckhorst - Seedorf, Cocu, Davids (77. Sneijder) - van der Meyde (63. Overmars), van Nistelrooy (70. Makaay), Robben
Lettland: Kolinko - Isakovs, Zemlinskis, Stepanovs, Blagonadezdins - Bleidelis (83. Stolcers), Astafjevs, Lobanovs, Rubins - Verpakovskis (62. Pahars), Prohorenkovs (74. Laizans)
Schiedsrichter: Nielsen (Dänemark)
Zuschauer: 28 000
Tore: 1:0 van Nistelrooy (27./Foulelfmeter), 2:0 van Nistelrooy (35.), 3:0 Makaay (84.)