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Politik

Aus für Jamaika: Bleibt die SPD standhaft?

20. November 2017

Die Gespräche über ein Bündnis zwischen Union, FDP und Grüne sind geplatzt. Das bringt die SPD in neue Bedrängnis. Bleibt sie bei ihrem strikten Nein zur Neuauflage der Großen Koalition? Oder knickt sie doch noch ein?

SPD- Mitgliederentscheid zur Wowereit Nachfolge
Bild: Reuters/Hannibal

Nach dem Scheitern der Sondierungen zu einem Jamaika-Bündnis in Berlin steht Deutschland vor unübersichtlichen politischen Verhältnissen. Unversehens fällt den Sozialdemokraten, die nach ihrer schweren Niederlage bei der Bundestagswahl klar auf Oppositionskurs gegangen waren, eine Schlüsselrolle zu. Denn eine Neuauflage der Großen Koalition mit der SPD scheint für Bundeskanzlerin Angela Merkel - abgesehen von einer unwahrscheinlichen Minderheitsregierung - der einzige Ausweg, eine drohende Neuwahl des Parlaments abzuwenden. Doch die Aussichten dafür sind nicht gerade rosig, zumindest wenn man die jüngsten Aussagen führender Sozialdemokraten zugrunde legt.

Der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner machte klar, dass die SPD nach dem Abbruch der Jamaika-Gespräche nicht für eine große Koalition zur Verfügung stehe. Stegner sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Ausgangslage für die SPD hat sich nicht verändert. Wir haben kein Mandat für eine erneute große Koalition." Er sehe für Kanzlerin Merkel keine Zukunft mehr. "Sie ist definitiv gescheitert." Aber auch ohne Merkel werde die SPD keine große Koalition eingehen. Stegners Kollege auf dem Posten des Parteivize, Thorsten Schäfer-Gümbel, betonte, die SPD seit "nicht das Ersatzrad für den schleudernden Wagen von Frau Merkel".

Die Fraktionschefin im Bundestag, Andrea Nahles, sagte am Abend im Zweiten Deutschen Fernsehen: "Die große Koalition wurde ganz klar abgewählt." Dass die SPD in die Opposition gehe, sei "keine Schmollreaktion". Sie betonte zudem: "Unser Auftrag ist es, dass wir wieder Mehrheiten kriegen für Koalitionsbildungen, die wieder besser zusammenpassen." Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hatte bereits am Sonntag bekräftigt, für den Fall eines Scheiterns stehe seine Partei nicht für eine Regierungsbeteiligung bereit.

Noch ein Szenario

Allerdings hat kurz nach der Bundestagswahl der damalige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der inzwischen zu einem der Bundestags-Vizepräsidenten gekürt wurde, ein weiteres Szenario entworfen. Sollte es einen "Staatsnotstand" geben, müsse die SPD neu überlegen. Solange die Kanzlerin mit den SPD-Ministern im Kabinett geschäftsführend regiert, kann von einer Gefahr für die staatliche Ordnung allerdings nicht die Rede sein. Möglicherweise wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sanften Druck auf seine sozialdemokratischen Parteifreunde ausüben, sich das Modell der Großen Koalition doch noch einmal genauer anzusehen.

Bleiben die Sozialdemokraten bei ihrem Nein, gibt es als Alternativen nur Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung. Die Linken forderten noch in der Nacht Neuwahlen. Dies wäre "die demokratisch angemessene Konsequenz", sagte die Parteichefin Katja Kipping der "Berliner Zeitung". Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, forderte die SPD auf, nach dem Abbruch der Jamaika-Gespräche die richtigen Schlüsse zu ziehen und auf einen Linkskurs zu setzen. "Neuwahlen werden nur dann die Chance auf neue Mehrheiten bringen, wenn die großkoalitionären Verlierer der letzten Wahl sich personell und inhaltlich neu aufstellen", unterstrich Wagenknecht. Deutschland brauche eine Politik der sozialen Verantwortung. Das Aus der Jamaika-Runden bewertete sie als überfälligen Schritt. "Es ist gut, dass dieses Trauerspiel beendet ist", sagte sie. "Die 'Schwarze Ampel' hätte Deutschland nicht gut getan."

Theoretisch wäre auch ein zweiter Anlauf der Jamaika-Sondierer nach einer Abkühlphase denkbar. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sprach von der Gefahr, dass Deutschland nun längere Zeit eine geschäftsführende Regierung haben könnte. Eine Minderheitsregierung von Union und Grünen schloss er in diesem Zusammenhang aus: "Deutschland muss stabil regiert werden, und dafür bedarf es einer Mehrheit im Parlament", sagte Trittin. "Wenn die komplette Politikverweigerung der SPD anhält, weiß ich nicht, wie eine Mehrheit zustande kommen könnte."

Macht er Druck bei den Genossen? Bundespräsident SteinmeierBild: Imago/M. Popow

SPD auf Erneuerungskurs

Die neue Zwickmühle erwischt die Sozialdemokraten auf dem falschen Fuß. Zum einen sind sie auf Neuwahlen nicht vorbereitet, ihr Verhältnis zu den Linken ist ungeklärt, die Beziehungen zu den Grünen sind abgekühlt und ihnen sitzt wie den Unionsparteien die rechtspopulistische Partei AfD im Nacken. Zudem hat sie acht Wochen nach der krachenden Wahlniederlage gerade erst eine Phase der Erneuerung eingeleitet. An diesem Montag will der Parteivorstand einen Leitantrag beschließen, der einen zweijähriger Reformprozess ("Kompass 2018") vorsieht. Auf der Grundlage dieser "programmatischen Klärung" wollen die Sozialdemokraten dann ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten, das das aktuelle Programm aus dem Jahr 2007 ablösen soll.

Den Leitantrag will die Parteispitze dem Parteitag vorlegen, der am 7. Dezember in Berlin stattfinden wird. Dort hofft der Bundesvorsitzende Martin Schulz auf seine Wiederwahl, mögliche Konkurrenten wie Olaf Scholz, Andrea Nahles und Manuela Schwesig scheinen abzuwarten. Doch nun könnten die Karten neu gemischt werden. Denn die SPD muss schnell entscheiden, ob sie Schulz als Kanzlerkandidat erneut ins Rennen schickt oder sich mit einem Alternativkandidaten bei einer Neuwahl größere Chancen ausrechnen kann.

kle/stu (dpa, afp, rtr)

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