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Gesellschaft

Islam made in Germany als Ausbildungsprojekt

15. Juni 2021

Seit langem drängt die Politik auf die Ausbildung von Imamen in Deutschland und in deutscher Sprache. Dabei geht es auch um den Kampf gegen extremistische Einflüsse.

Deutschland | Präsentation Neues Islamkolleg | Bülent Ucar und Esnaf Begic
Die Initiatoren: Der Islamwissenschaftler Bülent Ucar (l.), und der Vorsitzende des Islamkollegs, Esnaf BegicBild: Christoph Strack/DW

Imam-Ausbildung auf Deutsch

02:55

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Für Ender Cetin ist es ein "richtiger Schritt in die richtige Richtung". Der 45-Jährige, einst als Kind türkischer Migranten in Berlin geboren und aufgewachsen, gehört zu den ersten Absolventen des "Islamkollegs" in Osnabrück, das an diesem Dienstag seinen Start feiert.

Cetin, der bereits als Laien-Imam tätig war, kommt regelrecht ins Schwärmen über die neue Ausbildung. "Allein die Idee, dass etwas in Deutschland stattfindet, bei dem Imame 'made in Germany' vielleicht mal ausgebildet werden können mit offener Zukunftsperspektive", begeistere ihn, sagt er der Deutschen Welle. Das sei bereichernd.

Ender Cetin empfindet die Ausbildung als sehr bereicherndBild: Tessa Walter/DW

Seehofer lobt

Wie wichtig das Osnabrücker Projekt ist, ließ Bundesinnenminister Horst Seehofer, der innerhalb der Bundesregierung für den Bereich Religion zuständig ist, bei einem Auftritt vor der Deutschen Islamkonferenz im November 2020 erkennen. Da nannte Seehofer das damals in der Planung befindliche Islamkolleg selbstbewusst und kooperativ. Die Einrichtung sei eine gute Nachricht für die Muslime in Deutschland. Mit Blick auf die verschiedenen Angebote sei er zuversichtlich, dass künftig weit mehr als heute "islamischer Kultus" in Deutschland "der Lebenswirklichkeit der in Deutschland lebenden Muslime entsprechen wird". Es geht um die Abkehr von einem Import-Islam, der häufig von der Türkei dominiert und vom Moscheeverband DITIB geprägt wird.

Hinter dem Projekt stehen Islamwissenschaftler der Universität Osnabrück, an der Islamwissenschaften seit Jahren etabliert sind, und deutsche Muslime mit bosnischem Hintergrund. Beteiligte Verbände decken nach eigenen Angaben rund 500 der mindestens 2500 Moscheen in Deutschland ab. Aber der bosnische Islam wird in Deutschland eben nicht aus Bosnien gesteuert. Wer mitten im Berliner Szeneviertel Kreuzberg in die größte bosnische Moschee der Stadt geht, versteht auch als Besucher die in deutscher Sprache vorgetragene Predigt.

In deutscher Sprache

Die zweijährige Imam-Ausbildung treten laut Kolleg 25 Personen an. Weitere 25 Männer und Frauen sind für Fortbildungskurse angemeldet. Der Sprachenaspekt ist das besondere. Die Absolventen des Islamkollegs lernen in Deutschland und ausschließlich in deutscher Sprache. Und die Ausbildung betont den akademischen Anspruch. So soll auch der, der zuvor an einer Universität islamische Theologie studiert hat, hier nachuniversitär für die konkrete Arbeit in der Seelsorge ausgebildet werden. Im Grunde ist das vergleichbar mit der Ausbildung künftiger katholischer oder evangelischer Geistlicher, die nach dem Studium noch an die praktische Arbeit herangeführt werden.

Unterstützung für das Projekt kommt von Innenminister Horst SeehoferBild: Tobias Schwarz/AFP

Der Politik ist das so wichtig, dass das Islamkolleg eine Anschubfinanzierung vom Bundesinnenministerium und vom Land Niedersachsen erhält. Denn es entspricht mit der Vermittlung in deutscher Sprache und der Nähe zu einem akademischen Standort in Deutschland Vorgaben, die die Politik für die Imam-Ausbildung seit Jahren vorsieht.

Als der Vorsitzende des Kollegs, der aus Bosnien stammende Islamgelehrte Esnaf Begic, und Bülent Ucar, Professor für islamische Theologie an der Universität Osnabrück, das Konzept im Oktober 2020 in Berlin präsentierten, hofften sie noch auf einen Start zu Jahresbeginn 2021. Daraus wurde wegen der Corona-Pandemie zunächst März, schließlich der jetzige Juni-Termin. Bereits am Montag begann das Programm. An diesem Dienstag steigt die Eröffnung.

"Bunte Mischung"

Islamwissenschaftler Ucar spricht mit Blick auf die Teilnehmer des ersten Kurses von einer "bunten Mischung" bei der ethnischen Herkunft und der Zuordnung zu muslimischen Verbänden. "Wir haben türkischstämmige, arabischstämmige, bosnischstämmige Muslime, sogar Konvertiten", sagt er der Deutschen Welle. Der Frauenanteil liege bei 20 Prozent.

Ucar spricht mit Blick auf die Lerninhalte von "elementaren Grundvoraussetzungen" für ordentliche Gemeindearbeit. "Dazu gehört meines Erachtens, dass sie neben praktischen pädagogischen, liturgischen, seelsorgerischen Kompetenzen der deutschen Sprache mächtig sind." Heute sei es doch so, dass Gemeinden ihre Imame "teilweise nicht mehr" verstünden. Das führe zu großen Diskrepanzen in der Kommunikation zwischen den Imamen und den Gemeindemitgliedern. Und wenn die Imame die Jüngeren nicht mehr erreichten, drohten diese an Angebote extremistischer Gruppierungen im Netz abzuwandern.

Der Frauenanteil bei der Ausbildung liegt bei 20 ProzentBild: Metodi Popow/imago images

"Einmalige Gelegenheit"

Zur Eröffnung kommen unter anderen der frühere Bundespräsident Christian Wulff, der sich in vielfältiger Weise für den Dialog mit dem Islam engagiert, und Seehofers Staatssekretär Markus Kerber, so etwas wie der Motor des Hauses bei der Islamkonferenz. Welche Hoffnungen das neue Kolleg auch auf muslimischer Seite weckt, verdeutlicht der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek: "Wir haben eine einmalige Gelegenheit, praxisnah an den Bedürfnissen der Moscheen entlang, gepaart mit solider deutscher universitätswissenschaftlicher Begleitung die Königsdisziplin der islamischen Theologie, die Imamausbildung, in Deutschland zu organisieren", sagt Mazyek der Deutschen Welle. Wichtig sei für ihn nun, innerhalb der Moscheegemeinden für diesen Ansatz und dieses Angebot um Akzeptanz zu werben. So könne das Ganze eine breite Basis bekommen.

Ender Cetin, der Absolvent aus Berlin, zeigt sich zuversichtlich: "Ich glaube, dass wir uns an einem Wendepunkt der muslimischen Geschichte in Deutschland befinden." Der Bedarf für eine solch praktische Ausbildung werde größer. Er sei, sagt Cetin, regelmäßig an Schulen unterwegs und spüre, dass Jugendliche "mehr und mehr die deutsche Sprache bevorzugen, wenn sie über ihre Religion reden wollen".

 

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