Wahlkrimi in Österreich
23. Mai 2016Im Kampf um das Präsidentenamt in Österreich liefern sich der Rechtspopulist Norbert Hofer (rechts im Bild) und sein unabhängiger Rivale Alexander Van der Bellen (links im Bild) ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wer den Wettlauf um das oberste Staatsamt in der Alpenrepublik gewinnt, steht nach der Stichwahl noch nicht fest. Erst die Auszählung der knapp 900.000 Briefwahlkarten am Montagnachmittag wird die Entscheidung über den Wahlsieger bringen. Rund 14 Prozent der 6,4 Millionen Wahlberechtigten machten von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch.
Nach dem vorläufigen Endergebnis - ohne Briefwähler - liegt der Kandidat der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Hofer, mit 51,9 Prozent knapp in Führung. Der unabhängige Kandidat Van der Bellen kommt demnach auf 48,1 Prozent. Bei den Briefwählern wird für den Ex-Grünen-Chef ein leichter Vorsprung erwartet.
Der 72-jährige Wirtschaftsprofessor konnte vor allem in den großen Städten punkten. Der gelernte Flugzeugtechniker Hofer gewann laut Analysen besonders Wähler im ländlichen Raum für sich. Die Wahlbeteiligung lag mit 72 Prozent deutlich höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl 2010.
Schlaflose Nacht für die Bewerber?
"Das hat sich niemand gewünscht, wir wollten beide heute gut schlafen. Ich bin schon lange in der Politik, ich habe aber noch nie so einen Wahlabend erlebt", sagte Hofer. Im Fall eines Siegs wolle er der Präsident aller Österreicher sein, sagte der FPÖ-Politiker, dem Kritiker vorwerfen, ungeachtet seines freundlichen Auftretens rechtsradikale Positionen zu vertreten.
Sein Kontrahent Van der Bellen zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden mit seinem Abschneiden. "Die Wenigsten haben geglaubt, dass das aufholbar ist", sagte er im ORF. Er habe Unterstützung aus allen Generationen und Schichten erhalten. Im Fall eines Siegs will Van der Bellen auf die FPÖ-Wähler zugehen. Ein Wahlkampf sei "polarisierend", doch setze man sich nach einer Wahl wieder zusammen, wie es in Österreich gute Tradition sei.
Van der Bellen war in der ersten Wahlrunde am 24. April mit 21,3 Prozent klar hinter Hofer mit 35 Prozent der Stimmen gelandet, doch erhielt er seitdem die Unterstützung der Linken und des Zentrums. Auch der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) stellte sich hinter ihn.
Volksparteien nicht mit im Rennen
Beide Kandidaten hatten sich in einem für das Land bisher beispiellosen Lager-Wahlkampf um die Nachfolge des im Juli ausscheidenden Bundespräsidenten Heinz Fischer beworben. Erstmals waren in der Stichwahl keine Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP vertreten. Unter anderem wegen des SPÖ-Debakels in der ersten Runde der Präsidentenwahl war Bundeskanzler Werner Faymann zurückgetreten.
Europa ist wachsam
Die Wahl in Österreich stieß europaweit auf großes Interesse. Das Erstarken Ausländer- und europakritischer Rechtspopulisten auch in anderen Ländern wird von EU und vielen Regierungen mit Sorge beobachtet.
Sollte Hofer als Sieger aus dem Rennen gehen, würde erstmals in einem EU-Mitgliedsland ein Rechtspopulist das höchste Staatsamt übernehmen. Die FPÖ profitierte zuletzt vor allem von der Flüchtlingskrise. Der 45-Jährige punktete im Wahlkampf mit seinem Anti-EU-Kurs und seiner Forderung nach einer strengeren Asylpolitik. Auf seiner Internet-Seite wirbt Hofer damit, dass das wichtigste politische Projekt der Schutz der Grenzen sei. Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei bezeichnete er als "fatal".
Hofer kündigte bereits an, als Bundespräsident seine Befugnisse stärker als die Vorgänger nutzen zu wollen. Dazu gehört im äußersten Fall auch die Entlassung der Regierung. Das Recht dazu hat der Bundespräsident in Österreich zwar, traditionell hat er aber eine vorwiegend repräsentative Funktion. Der Wirtschaftswissenschaftler Van der Bellen vertritt hingegen einen liberaleren Asylkurs und ist nach eigenen Angaben "pro-europäisch".
Unabhängig davon welcher der beiden Bewerber die Wahl für sich entscheiden wird, er wird als Staatsoberhaupt vor allem eine Aufgabe haben, die Spaltung der österreichischen Gesellschaft zu überwinden.
qu/haz (dpa, rtr, afp, ORF)