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Gesellschaft

Expats fremdeln mit Deutschland

Jennifer Wagner
6. September 2018

Eine Studie zeigt: Deutschland ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort und bietet ausländischen Arbeitnehmern gute Jobs. Doch sie fühlen sich hier nicht wohl. Besonders im internationalen Vergleich sieht es schlecht aus.

Pflegekraft bückt sich vor einer Rollstuhlfahrerin (Foto: picture-alliance)
Fachkräfte braucht Deutschland nicht nur in der PflegeBild: picture-alliance/dpa/J. Wolf

Hohe Mieten, kaum Kindergartenplätze und gestiegene Lebenshaltungskosten: Diese Themen regen nicht nur Deutsche auf, sondern auch sogenannte Expats - die Kurzform für "Expatriate", also jene Arbeitnehmer, die für eine Weile im Ausland leben und arbeiten. Dabei sind diese Probleme noch nicht einmal die größten Herausforderungen für ausländische Arbeitskräfte. Vor allem die Freundlichkeit der Deutschen gegenüber Ausländern lässt zu wünschen übrig.

Das zeigt die Studie von "InterNations", einer Online-Plattform für Menschen, die im Ausland arbeiten. Und das Ergebnis ist nicht neu: Auch in den vergangenen Jahren bemängelten die Expats stets die Unfreundlichkeit der Deutschen. Dieses Mal fällt das Fazit für Deutschland aber noch einmal schlechter aus: Nur noch Platz 36 von insgesamt 68 gelisteten Ländern belegt die Bundesrepublik - und hat sich damit von Platz zwölf, den Deutschland noch 2014 belegte, weit verabschiedet.

Debatte über Migration bekräftigt Eindruck

"56 Prozent der Studienteilnehmer in Deutschland finden es schwer, sich mit der lokalen Bevölkerung anzufreunden", sagt InterNations-Chef Malte Zeeck der DW. Weltweit haben im Schnitt lediglich 36 Prozent der Befragten Probleme, Freunde in ihrem neuen Zuhause zu finden. "Bei dem Thema haben wahrscheinlich die öffentlichen Diskussionen über das Thema Migration nicht gerade positiv dazu beigetragen, dass man sich hier freundlich und willkommen fühlt", interpretiert Zeeck den deutschen Abwärtstrend im Ranking.

Da kann dann auch der gute Ruf als Wirtschaftsstandort das Ergebnis nicht mehr herumreißen. Nach wie vor ist die Bundesrepublik nämlich als Arbeitsort bei Expats geschätzt: Die Jobs scheinen sicher, die Versorgung ist gut, die Wirtschaft brummt. Das bestätigt auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Deutschland ist ein sehr attraktiver Standort für ausländische Arbeitnehmer", so Fratzscher gegenüber der DW. Immerhin seien in den vergangenen zehn Jahren jedes Jahr knapp 300.000 EU-Ausländer nach Deutschland gekommen. "Weil es hier gute Jobs gibt mit guten Ausbildungsmöglichkeiten." Fratzscher glaubt, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.

Bei der Gurkenernte in Brandenburg: Erntehelfer aus RumänienBild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Ohne Zuwanderung kein Wirtschaftsboom

Und die ausländischen Fachkräfte sind vor allem wichtig für Deutschland, weil es hierzulande zu wenige gibt. Besonders angesichts des demographischen Wandels müsste sich die Bundesrepublik um mehr Toleranz gegenüber Ausländern bemühen. Der DIW-Chef macht klar: "Ohne die starke Zuwanderung aus anderen europäischen Ländern von mehreren Millionen Menschen in den letzten zehn, fünfzehn Jahren hätte es keinen Wirtschaftboom gegeben."

Um für die Zukunft gewappnet zu sein, müssen die Deutschen sich verstärkt darum bemühen, dass ausländische Arbeitnehmer sich willkommen fühlen. "Menschen, die gut qualifiziert sind, die viele Optionen haben, wo sie in der Welt hingehen können, werden nur nach Deutschland kommen, wenn sie hier nicht nur gute Jobs haben, sondern auch akzeptiert werden", so Wirtschaftsexperte Fratzscher. "Und da legen wir den Menschen häufig noch viel zu hohe Hürden in den Weg."

Gewinner Bahrain

Anders ist das zum Beispiel im Wüstenstaat Bahrain. Das Königreich hat den ersten Platz bei der InterNations-Studie belegt und macht es demnach Ausländern leicht, sich dort wohl zu fühlen, auch die Arbeit vor Ort sei angenehm. Ähnlich bewerteten die Expats ihre Situation in Taiwan, das es auf den zweiten Platz schaffte. "Hier wird vor allem die Lebensqualität sehr positiv bewertet", fasst InterNations-Chef Zeeck das Ergebnis zusammen.

Für die nunmehr fünfte Studie haben die Macher mehr als 18.000 Expats in 187 Ländern zu ihrer Lage im Ausland befragt. Dabei ging es nicht um empirische Vergleiche, zum Beispiel wie hoch die Lebenshaltungskosten sind, sondern um die persönliche Wahrnehmung der Befragten. 1692 Expats haben in Deutschland mitgemacht. Für jedes gelistete Land mussten mindestens 75 Teilnehmer abgestimmt haben - so schafften es am Ende 68 Staaten in das Ranking.

Estland: Vorreiter bei Digitalisierung

In diesem Jahr fragte die Studie hingegen zum ersten Mal nach der Qualität des "digitalen Lebens" - auch in diese Kategorie verschlechterte sich die Position Deutschlands. Im Gegensatz zum Beispiel zu Estland - einem Vorreiterland in Sachen Digitalisierung. Dort lernen Kinder schon früh, wie wichtig Cyber-Sicherheit ist und alle Bürger können ihre Verwaltungsaufgaben digital erledigen.

Deutschland liegt im InterNations-Vergleich in Sachen Digitalisierung auf dem 53. Platz. "Nur 29 Prozent der Teilnehmer finden es leicht, Zuhause Zugang zu schnellem Internet zu bekommen", sagt Malte Zeeck. Global liegt die Zustimmung bei 41 Prozent. "Auch wie leicht man hier an ein Mobiltelefon kommt, oder wie weit verbreitet bargeldloses Bezahlen ist, wird als sehr negativ bewertet."

Doch dieser Bereich könnte laut Zeeck auch schnell verbessert werden: "Anmeldungen und Behördengänge zu digitalisieren und auf Englisch verfügbar zu machen, schnelle Internetverbindungen zu ermöglichen, bargeldloses Bezahlen - das kann man angehen", so der InterNations-Chef, der selbst viele Jahre in Indien gelebt hat. "Ich glaube, das sollte auch möglich sein."

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