Ausladung von Stardirigent Lahav Shani sorgt für Entsetzen
11. September 2025
Hintergrund ist die Absage des Konzertes der Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani im belgischen Gent. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer bezeichnete das Verhalten der Festival-Leitung als eine "Schande für Europa. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur. Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten."
"Das wird Deutschland nicht hinnehmen"
Der deutsche Kulturstaatsminister erklärte weiter: "Europäische Bühnen dürfen nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren. Das wird Deutschland nicht hinnehmen - wir werden das Thema auch in die europäische Kulturpolitik tragen."
Die Münchner Philharmoniker seien "ein Aushängeschild deutscher Kultur und Weltklasse" und er stehe hinter dem Orchester, betonte Weimer. "Wer ihm und seinem künftigen Chefdirigenten die Bühne verweigert, schadet nicht Israel - er schadet Europa und seiner eigenen Glaubwürdigkeit." Deutschland stehe an Shanis Seite. "Unsere Botschaft ist eindeutig: Wir lassen weder unsere Orchester noch unsere jüdischen Künstler ins Abseits drängen."
"Schreckliche Misstöne"
Bayerns Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume (CSU), äußerte sich ähnlich, er sprach von einem Skandal. "Das Flanders Festival schickt mit seiner Absage schreckliche antisemitische Misstöne in die Welt: Dass die Münchner Philharmoniker ausgeladen werden, weil ein Israeli am Pult steht, ist nichts anderes als grober Antisemitismus", so Blume gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Die Ausladung sei "beschämend, kulturfeindlich und schlicht ein Skandal", fügte Blume hinzu. "Es macht mich fassungslos, dass gerade ein Musikfestival die völkerverständigende Kraft der Musik für Hetze und Spaltung missbraucht."
"Man kann nicht einen Musiker in Sippenhaft nehmen"
Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) betonte, es gehe nicht an, dass Verantwortliche eines Festivals "einen Musiker in Sippenhaft nehmen für die Handlungen, die Israels Regierung in Reaktion auf den Terrorüberfall der Hamas derzeit vornimmt". Shani habe sich nachdrücklich für Frieden ausgesprochen und damit deutlich vom Handeln der Regierung unter Benjamin Netanjahu distanziert.
Die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, kommentierte die Absage aus Gent mit den Worten: Das sei "eines der krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses - bigott, unverfroren und unverschämt". Sie fügte hinzu: "Wer in dieser Lage das historische Echo nicht hört, der stellt sich taub. In so einer Umgebung ist es für mich auch kein Wunder, dass immer mehr jüdische Menschen ihre Zukunft in Europa mit einem dicken Fragezeichen versehen."
Festival-Leitung spricht von "genozidalem Regime"
Das Flanders Festival in Gent hatte die kurzfristige Absage des eigentlich für den 18. September geplanten Auftritts damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra sei. "Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen", heißt es in einer Erklärung auf der Homepage des Festivals.
"Aufgrund der Unmenschlichkeit der aktuellen Situation und der emotionalen Reaktionen auch in unserer Gesellschaft wollen wir das Konzert nicht stattfinden lassen", schreibt die Festival-Leitung weiter. "Wir haben uns entschieden, die Ruhe unseres Festivals zu wahren und das Konzerterlebnis für Besucher und Musiker zu schützen."
Deutschland weist den Genozid-Vorwurf zurück
In dem seit Oktober 2023 andauernden Krieg im Gazastreifen mit einer sehr hohen Zahl an zivilen Opfern weisen Israel und auch die deutsche Regierung den Genozid-Vorwurf, also den Vorwurf eines Völkermordes, zurück. Auslöser des Israel-Hamas-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas und verbündeter islamistischer Gruppen am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden waren, darunter auch Kinder. Israel spricht von Selbstverteidigung nach dem Terrorangriff. Die Hamas wird von zahlreichen Staaten, darunter auch von Deutschland, als Terrororganisation gelistet.
Die Münchner Philharmoniker hatten 2023 Lahav Shani zu ihrem neuen Chefdirigenten ernannt, sein Amt soll er im September 2026 antreten. Der 36 Jahre alte Shani wird damit Nachfolger des Russen Waleri Gergijew. Dieser war entlassen worden, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Russlands Präsidenten Wladimir Putin - als dessen Freund er gilt - distanziert hatte. Die Münchner Philharmoniker gehören zu den führenden Orchestern Europas.
haz/se (dpa, kna, epd, afp)