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Politik

"Starker Tobak!"

Marc Erath
30. August 2018

In Thüringen bringt die grüne Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling ihr Baby mit in die Sitzung - und wird des Saales verwiesen. Jetzt erwägt ihre Fraktion, vor das Verfassungsgericht zu ziehen.

Sitzung des Thüringer Landtags Madeleine Henfling
Bild: picture-alliance/J. Kalaene

Einen Tag nach dem Eklat im Thüringer Landtag ist Madeleine Henfling immer noch verärgert. "Das ist schon starker Tobak, dass der Landtagspräsident mit dem Kindeswohl argumentiert, um mich von der Sitzung auszuschließen", sagte die Grünen-Abgeordnete der DW. 

Henfling hatte am Mittwoch ihren gerademal sechs Wochen alten Sohn mit in das Parlamentsplenum genommen, um an einer Abstimmung teilzunehmen. Landtagspräsident Christian Carius (CDU) gratulierte ihr zunächst, bat sie dann jedoch, den Saal zu verlassen, die Geschäftsordnung sehe Mütter mit Kindern im Plenarsaal nicht vor. Große Empörung bei Linken und Grünen, doch eine Sondersitzung des Ältestenrates, bei der die "unterschiedlichen Standpunkte" ausgetauscht wurden, brachte keine Lösung. Nach 45 Minuten Unterbrechung bestand Landtagspräsident Carius daher darauf, dass Henfling und ihr kleiner Sohn zu gehen hätten, "auch aus Gründen des Kinderschutzes".

Es geht Henfling um die Abstimmungen

Diese Anordnung hat Henfling durchaus überrascht. "Ich hätte nicht gedacht, dass er so hart reingeht", sagt sie. Zumal es ihr ja nur um die Abstimmung gegangen sei. "Niemand will mit seinem Kind neun Stunden lang in einem Parlamentsplenum sitzen. Aber ich will mir auch nicht das Recht als Abgeordnete nehmen lassen, abstimmen zu können."

Deshalb prüfe ihre Fraktion jetzt, vor das Thüringer Verfassungsgericht zu ziehen. Es wäre auch möglich, eine Änderung der Geschäftsordnung des Landtags anzugehen, Rot-Rot-Grün hat dafür die notwendige Mehrheit. Das wollen die Grünen derzeit jedoch nicht vorantreiben, schließlich sei es Tradition, sagt Henfling, derartige Änderungen nur gemeinsam mit der Opposition zu beschließen.

"Viele solidarische Reaktionen"

Der Eklat im Thüringer Landtag sorgte für kräftig Wirbel - vor allem seitens der Grünen und Linken. Die Fraktionschefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sagte, die Entscheidung des Landtagspräsidenten mache "Abgeordnete, die Mütter sind, zu Abgeordneten zweiter Klasse". "Im Prinzip fühle ich mich in der Tat so", sagt Madeleine Henfling, "und das nur, weil ich mich um mein Kind kümmern muss." Andererseits findet sie es gut, dass sie so "viele solidarische Reaktionen, auch aus anderen Landtagen" bekomme, "das ist man als Politiker ja sonst nicht so gewohnt".

Dass es in Deutschland nicht einfach ist, die Arbeit als Abgeordnete mit den Aufgaben als Mutter zu vereinbaren, diese Erfahrung haben bereits viele andere Politikerinnen gemacht. Vor drei Jahren gründeten deshalb einige weibliche Bundesabgeordnete die überparteiliche Initiative "Eltern in der Politik". Eine ihrer Forderungen ist, dass es grundsätzlich erlaubt wird, Babys und Kleinkinder zu Abstimmungen mitzunehmen. Doch bis heute ist dies nur in Ausnahmefällen erlaubt. 

Am Donnerstag nahm Madeleine Henfling teilweise an den Abstimmungen im Parlament teil, ihre Mutter kümmerte sich derweil um den kleinen Sohn. Eine Kinderbetreuung - wie zum Beispiel die des Berliner Abgeordnetenhauses - hat der Thüringer Landtag bisher nicht.