1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ausschreitungen bei Trauerfeier für Cardenal

4. März 2020

Noch nach seinem Tod lässt Ernesto Cardenal - selbst zeitlebens ein streitbarer Mann - die Emotionen hochkochen. Bei der Beerdigung des nicaraguanischen Poeten wollen nicht alle Anwesende trauern - im Gegenteil.

Anhänger und Kritiker Ernesto Cardenals geraten bei dessen Beerdigung in Managua aneinander (Foto: Reuters/O. Rivas)
Anhänger und Kritiker Ernesto Cardenals geraten bei dessen Beerdigung in Managua aneinanderBild: Reuters/O. Rivas

Der Trauergottesdienst für den verstorbenen nicaraguanischen Dichter und Befreiungstheologen Ernesto Cardenal ist durch aggressive Zwischenrufe und gewalttätige Ausschreitungen gestört worden. Anhänger der regierenden Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) riefen während der Zeremonie am Dienstag in der Hauptstadt Managua beleidigende Sprüche in Richtung der Angehörigen und Freunde des Literaten sowie gegen Oppositionelle, wie Anwesende berichteten. Nach Ende des Gottesdienstes griffen FSLN-Anhänger dann politische Gegner sowie Journalisten auch körperlich an.

Freunde und Familienangehörige des nicaraguanischen Dichters und Befreiungstheologen tragen den Sarg Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Zuniga

Mindestens ein junger Oppositioneller und vier Medienvertreter wurden den Augenzeugenberichten zufolge geschlagen. Einigen Journalisten wurde auch ihre technische Ausrüstung weggenommen. Der Apostolische Nuntius Waldemar Stanislaw, der die Messe leitete, versuchte vergeblich, die Wogen zu glätten. Dies "dient dem Gedenken an diesen großen Mann nicht", sagte er zu den Störungen. Der katholische Geistliche Cardenal war einst ein Weggefährte von Staatschef Daniel Ortega, hatte dann aber mit ihm gebrochen. Die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli, die Cardenal sehr nahe stand, zeigte sich "sehr traurig" über die Vorkommnisse. Es handle sich um "ein Zeichen der absoluten Respektlosigkeit gegenüber dem Dichter", bedauerte Belli.

Der am Sonntag im Alter von 95 Jahren verstorbene Cardenal war ein Verbündeter Ortegas während der sandinistischen Revolution. Nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza durch die FSLN-Guerilla im Jahr 1979 war Cardenal acht Jahre lang Kulturminister unter Ortega. In den 1990er Jahren sagte sich Cardenal dann aber von Ortega und der FSLN los. Der Literat warf Ortega einen autoritären Führungsstil und Korruption vor. Ortega rief dennoch eine dreitägige Staatstrauer für Cardenal aus.

Ein Porträtfoto Ernesto Cardenals in der Kathedrale von Managua Bild: AFP/I. Ocon

Cardenal war einer der bekanntesten Vertreter der Befreiungstheologie. Die in Lateinamerika entstandene Bewegung setzt sich gegen soziale Missstände und Ungerechtigkeiten ein. Wegen seiner Regierungstätigkeit geriet Cardenal mit der katholischen Kirche in Konflikt. Bei einem Besuch in Nicaragua 1983 rügte ihn der damalige Papst Johannes Paul II. öffentlich. Der Pontifex weigerte sich bei seiner Ankunft, sich von dem vor ihm niedergeknieten Cardenal die Hand küssen zu lassen. 1985 verbot ihm Johannes Paul II. die Ausübung des Priesteramts. Erst vor einem Jahr hob Papst Franziskus das Verbot wieder auf. Die Leitung des Trauergottesdienstes für Cardenal durch den Apostolischen Nuntius war insofern ein bemerkenswertes Signal.

sti/se (afp, rtr, epd)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen