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Politik

Ausschreitungen in Südafrika weiten sich aus

14. Juli 2021

Seit Tagen werden einige Regionen Südafrikas von blutigen Unruhen erschüttert. Nun greifen diese auf zwei weitere Provinzen über. Doch es regt sich auch Widerstand gegen Plünderer und Brandstifter.

Südafrika, Vosloorus | Politische Unruhen nach der Inhaftierung von Jacob Zuma
Plünderer vor einer Mall in VosloorusBild: Marco Longari/AFP/Getty Images

Die Krawalle, die nach dem Haftantritt von Ex-Präsident Jacob Zuma ausgebrochen waren, haben sich abermals ausgedehnt: Seit Mittwoch sind auch die Provinzen Mpumalanga und Nordkap betroffen. Bisher hatten sich die Ausschreitungen und Plünderungen vor allem auf Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal und das Finanz- und Wirtschaftszentrum Johannesburg sowie die umliegende Provinz Gauteng konzentriert.

Erneut wurden in mehreren Städten Geschäfte, Einkaufszentren, Büros und Lagerhäuser geplündert und teils in Brand gesteckt, etwa in der Johannesburger Vorstadtsiedlung Soweto und der Hafenstadt Durban, wie TV-Bilder zeigten. Soldaten wurden auf die Straßen entsandt, um die zahlenmäßig unterlegene Polizei zu unterstützen. Das Militär wurde vor allem an strategischen Punkten rund um Krankenhäuser und Flughäfen, aber auch im Township Alexandra bei Johannesburg stationiert.

Plünderungen nahe eines brennenden Warenhauses in DurbanBild: Rogan Ward/REUTERS

Bei den Unruhen wurden bisher mindestens 72 Menschen getötet. Im Township Soweto wurden zehn Menschen zu Tode getrampelt, als bei einer Plünderung Panik ausbrach. Mehr als 1200 Menschen sitzen in Haft. Hunderte Geschäfte wurden zerstört.

Corona-Impfkampagne in Gefahr

Die brenzlige Situation wird verschärft durch die Corona-Krise - viele Impfzentren sind wegen der Unruhen geschlossen. Südafrika ist das am schwersten von der Corona-Pandemie betroffene Land auf dem afrikanischen Kontinent. Sogar Ambulanzfahrzeuge wurden mit Steinen beworfen. Noch während Präsident Cyril Ramaphosa am Montagabend die Aufstände in einer TV-Ansprache verurteilte, konnten Südafrikaner live beobachten, wie ein Mob in Durban eine Blutbank stürmte und plünderte.

Der nationale Krankenhausverband warnte, dass die Ausschreitungen die ohnehin schwierige Lage im Kampf gegen eine dritte Welle in der Corona-Pandemie weiter verschärften. Die Versorgung mit Sauerstoff, Medikamenten und auch Lebensmitteln sei beeinträchtigt. Auch das Klinikpersonal könne in vielen betroffenen Gebieten wegen der Proteste und Ausschreitungen nicht zur Arbeit kommen. "Die Auswirkungen der Plünderungen und Zerstörungen haben schlimme Folgen für die Krankenhäuser", erklärte der Verband. "Und das Epizentrum der Pandemie liegt in den betroffenen Provinzen."

Schon bald Versorgungsengpässe?

Zudem drohen Versorgungsengpässe, weil seit Tagen eine der wichtigsten Verbindungen - die Autobahn N3 von Afrikas bedeutendstem Hafen in Durban nach Johannesburg - gesperrt ist. Außerdem stellte die größte Raffinerie des Landes in Durban nach Angaben aus der Branche einstweilen den Betrieb ein. Die geschätzten Schäden für die zuvor schon angeschlagene Volkswirtschaft des Landes werden mittlerweile auf mehrstellige Millionenbeträge geschätzt.

Unterdessen formiert sich in einigen Provinzen ziviler Widerstand. Aus Townships rund um Städte wie Kapstadt, Mahikeng oder East London kommen Berichte über die Bildung von Bürgerwehren, die ihre Infrastruktur gegen Plünderer zu schützen versuchten. Nachdem es Polizeiberichte zu einem Übergreifen der Plünderungen auf weitere Provinzen gab, formieren sich auch dort Gegenbewegungen.

Begonnen hatten die Krawalle als eine Form des Protestes gegen die Inhaftierung des Ex-Präsidenten Jacob Zuma. Er war wegen Missachtung der Justiz zu einer Haftstrafe von 15 Monaten verurteilt worden, die er am vergangenen Mittwoch antrat. Der 79-Jährige muss sich vor einer Untersuchungskommission wegen verschiedener Korruptionsvorwürfe während seiner Amtszeit (2009-2018) verantworten, war aber einer Vorladung nicht gefolgt. Bereits im Vorfeld der Inhaftierung hatten treue Zuma-Anhänger angekündigt, Südafrika "unregierbar zu machen". Unter dem Motto "FreeZuma" mobilisierten sie in Sozialen Medien.

Wut über soziale Ungleichheit

Nach der Inhaftierung gingen viele seiner Anhänger auf die Straßen. Binnen weniger Tage entwickelten sich ihre Proteste aber zu großflächigen Ausschreitungen im industriellen Herz des Landes rund um Johannesburg sowie Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal. Zunehmend machen sich Wut und Enttäuschung über die soziale Ungleichheit bemerkbar, die auch 27 Jahre nach Ende der Apartheit existiert. Südafrika gilt als Land mit der ungerechtesten Einkommensverteilung der Welt. Die Pandemie hat das Land in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt, mehr als zwei Millionen Südafrikaner verloren ihre Jobs.

Ein Soldat bewacht in Johannesburg festgenommene mutmaßliche PlündererBild: James Oatway/Getty Images

In dem Ort Vosloorus im industriellen Zentrum rund um Johannesburg distanzierte sich der Vorsitzende des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Gwede Mantashe, von Behauptungen, die Gewalt sei ein Protest gegen die Inhaftierung des früheren ANC-Vorsitzenden Zuma. "Einkaufskomplexe niederzubrennen hat nichts mit Zuma zu tun, aber eine Menge mit Kriminalität", sagte er.  Auf die Frage nach einer möglichen Begnadigung Zumas meinte er: "Inmitten einer Krise blinzelt man nicht."

Während der Unruhen wurden auch mindestens vier Ausländer aus Somalia getötet und weitere verletzt. Wie das somalische Außenministerium bestätigte, wurden auch zahlreiche somalische Geschäfte in KwaZulu-Natal geplündert. Somalische Händler waren in der Vergangenheit bei Übergriffen in Südafrika wiederholt Ziele von Attacken. Das somalische Außenamt appellierte daher an die südafrikanische Regierung, somalische Staatsbürger vor brutalen Übergriffen zu schützen. Auch die Afrikanische Union rief angesichts der Gewalt dringend zu einer Wiederherstellung der Ordnung auf.

kle/sti (rtr, dpa, kna, afp)