Ausstellung über die "deutsche" Medici
19. März 2013 In der Krypta der Basilika San Lorenzo in Florenz, Oktober 2012: Ein internationales Wissenschaftlerteam entfernt die schwere Marmorplatte über dem Grab von Anna Maria Luisa de Medici, die von 1667 bis 1743 lebte. Die schwarzhaarige Fürstin war die letzte Vertreterin der berühmten Renaissance-Familie. "Im Sarg machten wir eine sensationelle Entdeckung", sagt Wilfried Rosendahl. Der Archäologe und Mumienspezialist von den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen leitete die Exhumierung: "Anna Maria Luisa de Medici trug im Grab eine Krone, einen sogenannten Kurhut."
Warum ist der Fund so außergewöhnlich? "Der Kurhut ist ein direkter Bezug nach Deutschland, in die Region der Kurpfalz. Er bedeutet, dass Anna Maria Luisa de Medici bis in ihren Tod hinein eine Verbindung spürte", erläutert Wilfried Rosendahl. Denn die letzte Medici heiratete 1691 Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz und wurde damit Kurfürstin eines Gebiets, zu dem unter anderem die Region um die Städte Mannheim und Heidelberg gehörte.
Eine neue Zeit
Die musisch und sprachlich gebildete Frau aus Florenz brachte die Liebe zu Kunst und Kultur, für die ihre Familie berühmt ist, nicht nur in den deutschen Süden, sondern auch nach Düsseldorf, wo sie jahrelang mit ihrem Mann residierte. Das Kurfürstenpaar führte die Stadt am Rhein zu einer kulturellen Blüte. Erst nach dem Tod ihres Mannes kehrte Anna Maria Luisa de Medici 1716 in ihre Heimat Florenz zurück.
Anlässlich des 270. Todestages der letzten Medici-Fürstin würdigen die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim die machtvolle Dynastie mit einer umfangreichen Schau. Medici – dieser Name steht wie kein anderer für die prachtvolle Epoche der Renaissance, für eine einzigartige Mischung aus Kunstschätzen, Geschäften, Kirche und Machtpolitik. Die Ausstellung trifft einen Zeitgeist in Deutschland: Bis heute sind die Deutschen von der Renaissance fasziniert. Das zeigen aktuelle Fernsehserien wie über die Dynastie der "Borgia", die Touristenströme nach Florenz sowie Dokumentationen und Bücher über die Epoche an der Schwelle zur Neuzeit.
Das Ende des Mittelalters
Doch wieso ist diese Zeit so spannend? "Die Renaissance war eine Zeit des Umbruchs. Aus dem Spannungsfeld zwischen dem ausgehenden Mittelalter, der Rolle der Kirche und Rückgriffen in die Antike haben Menschen wie die Medici etwas gemacht, das eine ungeheure Kraft entfaltet hat", sagt Gaëlle Rosendahl. Sie ist Projektleiterin der Ausstellung. "Auch heute, im gerade anbrechenden 21. Jahrhundert, befinden wir uns in einer Zeit des Wandels. Deshalb zieht uns die Renaissance so sehr in ihren Bann." Renaissance, das bedeutet "Wiedergeburt". Damit ist die Rückbesinnung auf die römische und griechische Antike im 15. und 16. Jahrhundert gemeint.
Dieser Zeit haben die Medici ihren Stempel aufgedrückt. Mehr als 350 Jahre lang prägte die Dynastie Florenz und weit darüber hinaus ganz Europa. Dabei waren die Medici zu Beginn des 14. Jahrhunderts weder wohlhabend, noch sonderlich geschätzt. Den Weg zum Aufstieg ebnete Gründungsvater Giovanni de Bicci, der von 1360 bis 1429 lebte. Er übernahm die Medici-Bank von einem Verwandten und legte so die Grundlage für den Reichtum der Familie. Sein Sohn Cosimo der Ältere verwandelte das florentinische Bankhaus schließlich in eines der mächtigsten Finanzunternehmen seiner Zeit. "Die Medici haben das moderne Banksystem nicht erfunden, aber sie haben es meisterhaft angewandt", beschreibt Gaëlle Rosendahl. Bald unterhielten die Medici ein Netz von Bankfilialen in ganz Europa und kümmerten sich um die Finanzen des päpstlichen Stuhls. Mit der Familie stieg Florenz im 15. und 16. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Handelsplätze auf.
Macht, Geld, Politik
Cosimo der Ältere war auch ein gewiefter Netzwerker: Er begründete die politische Macht der Familie, indem er wichtige Ämter bekleidete und ein Netz aus einflussreichen Klienten knüpfte. In den folgenden Jahrzehnten stiegen die Herren von Florenz zu Großherzögen der Toskana auf. Durch geschickte Machtpolitik erlangten mit Leo X. und Clemens VII. sogar zwei Medici die Papstwürde.
Doch in die Geschichte eingegangen sind die Medici vor allem als Mäzene. Sie förderten Gelehrte wie Galileo Galilei und Künstler wie Botticelli oder Brunelleschi. Der schillerndste Vertreter der Familie war Lorenzo der Prächtige von 1449 bis 1492. Er dichtete sogar selbst, war Schöngeist und rücksichtsloser Machtstratege zugleich. Gaëlle Rosendahl unterstreicht: "Die Bedeutung der Medici liegt vor allem in ihren Kunstschätzen, die über Generationen angesammelt wurden. Sie ermöglichen uns heute einen umfassenden Blick in die Zeit der Renaissance."
Ein Pakt für die Kunst
Die Grundlage für das Überdauern des kunsthistorischen Erbes legte jedoch keiner der Herren von Florenz, sondern eine Frau: Anna Maria Luisa von der Kurpfalz, die "deutsche" Medici. Mit der kinderlosen Fürstin ging die Ära der Dynastie zu Ende. Ihr ist es jedoch zu verdanken, dass die Kunstschätze der Familie in ihrem ganzen Umfang an einem Ort erhalten geblieben sind. Als letzte Erbin handelte Anna Maria Luisa 1737 mit dem neuen florentinischen Großherzog Franz von Lothringen den sogenannten "Patto die Famiglia", den Familienpakt, aus.
In diesem Pakt wurde festgelegt, dass die umfangreichen Kunstsammlungen der Medici Florenz niemals verlassen dürfen. Gaëlle Rosendahl: "So etwas hat außer ihr niemand geschafft." Durch diese visionäre Entscheidung können die weltberühmten Florentiner Museen wie die Uffizien oder der Palazzo Pitti heute jährlich Millionen Kulturinteressierte anlocken.
Das letzte Rätsel um Anna Maria Luisa
Die Medici sind auch deshalb so faszinierend, weil durch ihre Kunstwerke, Bauten und Schriften so viel über sie überliefert ist wie über kaum eine andere Herrscherfamilie. Dieses Wissen erweitert die Ausstellung in Mannheim, denn sie eröffnet erstmals einen umfassenden Blick hinter die Kulissen der Medici, zeigt prachtvolle Kunstwerke der Familie, aber auch Alltagsgegenstände. Daneben werden neue Forschungsergebnisse, die durch Exhumierungen verschiedener Familienmitglieder gewonnen wurden, präsentiert.
Ein Rätsel muss allerdings noch gelöst werden: die Todesursache von Anna Maria Luisa. Wurde sie etwa ermordet? Das schließt der Archäologe und Ausstellungs-Kurator Wilfried Rosendahl aus. Doch ob sie wirklich an Brustkrebs starb, wie überliefert wurde, sollen Gewebeanalysen zeigen. Manche Geheimnisse nahmen die Medici eben doch mit ins Grab.