Sie sind Schöpfer. Sie verwandeln Materialien. Sie schaffen eigene Welten und Wirklichkeiten. Eine Berliner Schau bringt nun zusammen, was sich seit Jahrtausenden gegenseitig inspiriert hat: Alchemisten und Künstler.
Bild: Joe Ramirez
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Was Alchemisten und Künstler gemeinsam haben
Alchemisten wollten Gold erschaffen. Das ist ihnen bis heute nicht gelungen. Dennoch beeinflussten sie Generationen von Künstlern, die wiederum unser Bild von der Alchemie prägten.
Bild: The Getty Research Institute
Geträumte Mondreise
Den Auftakt macht Joe Ramirez. Der in Berlin lebende US-Künstler verbindet kongenial Kunst mit Alchemie. Inspiriert von der Sixtinischen Kapelle entwickelte er eine Technik, um abgefilmte Gemälde auf vergoldete Holztafeln zu projizieren. Im Zentrum steht "Somnium" - die 200 Kilogramm schwere Goldscheibe ist nach einem Text von Johannes Kepler benannt, in dem es um eine erträumte Mondreise geht.
Bild: Joe Ramirez
Allheilmittel Panazee
Alchemisten suchten universelle Lösungen, wie zum Beispiel das sagenumwobene Panazee. Das mystische Universal-Heilmittel sollte alle möglichen Krankheiten heilen. Die Bezeichnung geht auf eine Tochter des Asklepios zurück, des griechischen Gottes der Heilkunst. Ob in dieser Deckelflasche aus Rubinglas im 17. Jahrhundert Panazee aufbewahrt wurde, ist nicht bekannt.
Bild: bpk/Kunstgewerbemuseum/Staatliche Museen zu Berlin
Magische Schriften
Diese Silberarbeit - etwa 6. Jahrhundert - zeigt Hermes Trismegistos. In diesem Gott verschmelzen zwei Götter: der griechische Hermes und der ägyptische Thot. Dabei wurde bis in die Neuzeit angenommen, Hermes Trismegistos habe tatsächlich existiert und sei Verfasser der hermetischen Schriften. Die Traktate handeln von der Entstehung der Welt, der Gestalt des Kosmos und von göttlichen Weisheiten.
Bild: The J. Paul Getty Museum
Erste Chemiker
Manche Alchemisten hantierten tatsächlich mit Zauberformeln, verbanden Naturwissenschaften mit Okkultismus. Viele frühe Alchemisten arbeiteten jedoch eher wie Pharmazeuten oder Chemiker, wie dieses Aquarell zeigt, das wohl im 17. Jahrhundert entstanden ist. Im Zentrum stand die Metallgewinnung, insbesondere von Gold.
Bild: The Getty Research Institute
Sprudelnde Quecksilberquelle
Alchemisten verwendeten Quecksilber, um Metalle zu veredeln. So sollte durch Quecksilberzusatz aus Kupfer Silber entstehen. Gemeinsam mit Schwefel und Salz zählte Quecksilber zu den drei grundlegenden Elementen der mittelalterlichen Alchemie. In diesem Kunstwerk, das um 1770 gemalt wurde, fließt das begehrte Element Quecksilber dank des Samens Shivas in Strömen aus einer Quelle.
Bild: Sammlung L. Habighorst
"Der Alchemist" in der Kunst
Während die Alchemie die Kunst inspirierte, prägte diese wiederum mit ihrer Bildsprache unsere Vorstellung von der Alchemie. Carl Spitzweg schuf 1860 sein Gemälde "Der Alchemist", ein humorvolles Porträt im Biedermeier-Stil. Mit Fläschchen und Wunderwassern kannte sich Spitzweg aus, denn er war gelernter Apotheker. Schon während seiner Ausbildung malte er wirkliche und eingebildete Kranke.
Bild: Staatsgalerie Stuttgart
Doktor Faustus
"Gelehrter in seinem Studierzimmer" heißt Rembrandts Radierung von 1652. In einer späteren Werkliste ist aber von "Doktor Faustus" die Rede. Womöglich hatte Goethe die Radierung im Sinn, als er seinen "Faust" schrieb. Denn auch sein literarisches Meisterwerk lässt den alchemistischen Mythos aufleben, den gottähnlichen Schöpfer, der eine Welt nach seinen Vorstellungen schafft.
Bild: bpk/Kupferstichkabinett/SMB/Jörg P. Anders
Lehre der Farben
Der französische Chemiker Michel Eugène Chevreul interessierte sich nicht nur für die Elemente. Farben hatten es ihm besonders angetan. Sein Werk "De la Loi du Contraste Simultané des Couleurs" gilt als eines der wichtigsten zur Farbenlehre. Chevreul entwickelte aus den drei Grundfarben Rot, Gelb, Blau einen Farbkreis mit 23 Mischfarben für jede Grundfarbe.
Bild: The Getty Research Institute
Natur neu abbilden
Der deutsche Fotograf Heinz Hajek-Halke (1898-1983) interessierte sich für die Tier- und Pflanzenwelt. Seinen kunstvollen Fotografien näherte er sich mit wissenschaftlicher Neugier. Hajek-Halke nutzte Mehrfachbelichtung und Montage, Fragmentierung und Collage. So entstanden teils verstörende Bilder, die mit der Wirklichkeit spielen.
Bild: bpk/Staatliche Museen zu Berlin
Bildliche Materie
Alchemistische Kunst nennt Natascha Sonnenschein ihre Scanographien. Sie verbindet analoge und digitale Techniken, um die nicht-sichtbare Welt sichtbar zu machen. "Paradies der Künstlichkeit" heißt dieser Pigmentdruck von 2001. Die Künstlerin gibt zudem Workshops in alchemistischer Kommunikation, in denen sie den Teilnehmern hilft, ihre eigenen Energiequellen zu finden und zu aktivieren.
Bild: Natascha Sonnenschein
Urin hinter Glas
Die Künstlerin Sarah Schönfeld präsentiert kunstvoll, was nach einer langen Nacht im legendären Berliner Club "Berghain" übrig bleibt: Urin. Über Wochen bat sie Partygänger um Spenden, behandelte das gelbe Nass mit Chemikalien, um es dann in einer Vitrine auszustellen. "Hero's Journey (Lamp)" heißt das Werk, das ebenfalls im Rahmen der großen Alchemie-Schau vom 6. April bis 23. Juli zu sehen ist.
Bild: Sarah Schönfeld
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In den Glaskolben rauscht und blubbert es. Dampf steigt auf, ein ätzender Gestank verbreitet sich. Über Jahrtausende waren Alchemisten auf der Suche nach dem Stein der Weisen, nach einem Verfahren, um aus unedlen Metallen edle herzustellen - insbesondere Gold. Der Legende nach soll die Götter-Gestalt Hermes Trismegistos vor mehr als 2500 Jahren die Formel für die Herstellung des Steins der Weisen in eine Smaragdtafel eingraviert haben. Demnach soll sich mit den Grundelementen Feuer, Wasser, Erde und Luft im Verbund mit Quecksilber, Schwefel und Salz der sagenumwobene Stein gewinnen lassen.
Alchemie: Große Kunst des Metallgießens
Der Begriff Alchemie stammt aus dem Griechischen und heißt in etwa "Metallgießen". In Europa wurde die Alchemie im Mittelalter gar als "Ars Magna", die Große Kunst, bezeichnet. Und so diente auch ihre Praxis dem künstlerischen Schaffen. Mysteriös sind die Geschichten rund um Alchemisten - mal verschroben, mal weise und allwissend. Auch wenn sie heute meist für ihre Spiritualität belächelt werden, so können sie mit ihren Versuchsanordnungen als Vorreiter der modernen Chemie und Pharmakologie gelten.
Wesensverwandt: Alchemie und Kunst
Das Berliner Kulturforum zeigt bis Ende Juli Alchemie und Kunst auf 8000 QuadratmeternBild: picture-alliance/dpa/Markus C. Hurek
Alchemisten verstehen sich als Schöpfer, die die Natur neu erschaffen wollen und so ihre eigenen Welten kreieren. Eine Nähe zur Kunst ist deutlich erkennbar: "Die Alchemie ist ein Schöpfungsmythos und künstlerischem Schaffen daher wesensverwandt", heißt es in der Einleitung zur Ausstellung "Alchemie. Die große Kunst", die vom 6. April bis zum 23. Juli 2017 im Berliner Kulturforum zu sehen ist. "Wie geschaffen für die Staatlichen Museen zu Berlin", so weiter, da deren Sammlungsbestände von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart reichten. "Die Alchemie ist ein Universalthema für ein Universalmuseum."
Von Altägypten bis Joseph Beuys
Gezeigt werden 200 Exponate, von der altägyptischen Tempelindustrie über bildgewaltige Handschriften der frühen Neuzeit bis hin zu materialästhetischen Werken zeitgenössischer Künstler wie Anselm Kiefer, Yves Klein oder Joseph Beuys. Letzterer sah sich übrigens in seiner steten Verwandlung der Stoffe selbst in der Tradition der Alchemie.
Schöpfung, Schöpfer, Geschöpf
Big Maple Leaf - von der gestohlenen Riesen-Goldmünze hängt nur ein Foto im KulturforumBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen
Wie sich Alchemisten und Künstler gegenseitig beeinflussten und bereicherten, zeigt die Schau in drei Sektionen. In "Schöpfung" werden die Ursprünge der Alchemie sowie der Einfluss alchemistischer Technologien auf die künstlerische Praxis gezeigt. Der Abschnitt "Schöpfer" illustriert das Wirken von Alchemisten, ihr Schaffen und Streben nach schöpferischer Macht. Den Abschluss bildet die Sektion "Geschöpf", die die erfolgreiche Umwandlung eines unedlen Ausgangsstoffes oder die Schaffung eines Kunstwerkes in den Fokus nimmt.
Die Gier nach Gold konnte nie gedämmt werden, auch das lässt die Schau erahnen: Denn eigentlich sollte auch die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "Big Maple Leaf" im Kulturforum ausgestellt werden. Doch die Attraktion fehlt, stattdessen hängt dort nur eine Fotografie. Die Diebe stahlen sie kürzlich aus dem Bodemuseum.