Sie können alles sein: Werbung, Anti-Werbung, Kunst, Anti-Kunst. Doch eins wollen alle Plakate: Auffallen. In digitalen Zeiten drohen sie zu verschwinden. Das Berliner Kulturforum zeigt vorher die 100 besten Exemplare.
Bild: DW/B. Riegert
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Die besten Plakate 2016
Plakate sind in unserem Alltag überall zu finden. Jedes Jahr werden die 100 besten Exemplare von Künstlern aus dem deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Unsere Galerie zeigt eine Auswahl der Gewinner.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Paula Troxler
Kapitalismuskritik nach Beuys
Unter dem Motto "das kapital. schuld - territorium - utopie" setzte sich im vergangenen Jahr eine Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin mit Joseph Beuys' Werk der 1970er Jahre auseinander. Der Aktionskünstler stellte nicht Geld, sondern das schöpferische Potential des Menschen in den Mittelpunkt des ökonomischen Denkens. Frei nach dem Motto: "Kunst = Kapital".
Bild: 100 Beste Plakate e. V./D. Haufe/D. Fiedler
Krieg vor der Haustür
Der libanesische Künstler Akram Zaatari erzählt in seiner Ausstellung "This Day At Ten" wie er den Libanonkrieg 1982 erlebte. Der damals 16-Jährige hatte beschlossen, die Wirren des Krieges zwischen Israel und seinem Heimatland in Fotos und Tonbandaufnahmen von seinem Elternhaus aus festzuhalten. Diese gesammelten Erinnerungen waren von Mai bis Juli 2016 im Kunsthaus Zürich zu sehen.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Studio M St
Zuhören
"Zuhören" nannte die Choreographin Sasha Waltz eine siebentägige Veranstaltungsreihe in Berlin. Im Fokus: die aktuellen Krisen. Im Wechsel mit ihrem Tanzstück "Continu" fanden Gesprächsrunden zu den Themen Film, Literatur und politischer Partizipation statt, an denen sich Künstler, Journalisten, Politiker und Menschenrechtsaktivisten beteiligten.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Daniel Wiesmann
Hellwach
Cola macht wach, Cola mit extra viel Koffein noch wacher. Da wird ein Waschbär zum Wachbär und der Wachtmeister zum Wachmeister. Die Hamburger Getränkefirma "fritz-kola" schaffte mit dieser Werbeplakatserie den Sprung unter die besten 100 Plakate im deutschsprachigen Raum 2016. Einsendungen aus der Werbebranche bringen es selten unter die Gewinner.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Rocket & Wink
Gefährliche Waffe
Friedrich Dürrenmatts "Die Physiker" vereint Komik und blankes Grauen. Im Mittelpunkt des Dramas steht eine Entdeckung, die so mächtig ist, dass sie die Welt vernichten könnte. Immer wieder stellt Dürrenmatt in seinem Stück die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft. 1962 wurde "Die Physiker" in Zürich uraufgeführt. Anfang 2017 war es im Mainzer Staatstheater zu sehen.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Neue Gestaltung
Keine einseitige Angelegenheit
Mit diesem teuflischen Gruß schaffte es das Plakat in die Top 100. Die Besonderheit: Es ist doppelseitig bedruckt. Auf der Vorderseite befindet sich eine Cover-Visualisierung von Johann Wolfgang von Goethes "Faust", während auf der Rückseite der vollständige Text der Tragödie abgedruckt ist.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./KOSMOS
Abstrakte Comic-Kunst
Das mit Leuchtfarben gedruckte Plakat bewirbt das jährlich stattfindende Comic-Festival im französischen Aix-en-Provence. Es stammt vom Berliner Grafiker und Comic-Zeichner Henning Wagenbreth. Der großzügige Einsatz von satten Farben und die zahlreichen abstrakten Fabelwesen sind typisch für Wagenbreths Stil.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Henning Wagenbreth
Mehr als willkommen
"Beyond Welcome" heißt die Plakatserie zur gleichnamigen Veranstaltungsreihe, die im letzten Jahr in Berlin stattfand. Über den bloßen Werbezweck hinaus wurden die Plakate als Diskussionsanstoß im öffentlichen Raum konzipiert. In verschiedenen Sprachen machen sie auf Probleme von Geflüchteten in Deutschland aufmerksam.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Ça ira!/Bildargumente
Formsache
Dieses Plakat mit dem Titel "Neighbours" ist das Werk des Frankfurters Timo Lenzen. Das "North Norwegian Center for Design and Architecture" hatte in Kooperation mit einer Initiative von Designern und Kreativen dazu aufgerufen, ein Poster zum Thema "Shape" (Form) zu entwerfen. Lenzens Einsendung schaffte es prompt unter die besten 100 Plakate 2016.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Timo Lenzen
Ein Vierteljahrhundert plus fünf
Anlässlich des 30. Geburtstags des PAGE-Magazins für Mediengestaltung entwarf der Schweizer Josh Schaub ein Cover, auf dem er zufällig angeordnete Fakten rund um die Zahl 30 illustriert und dem Betrachter nebenbei noch eine Rechenaufgabe stellt. Seine Plakate, die neben dem künstlerischen auch immer einen informativen Anspruch haben, schafften es in den vergangenen Jahren mehrfach in die Top 100.
Bild: 100 Beste Plakate e. V./Josh Schaub
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Seit Ende des 19. Jahrhunderts begegnen sie uns beinahe täglich: bunt bedruckte Papierbögen im öffentlichen Raum, auch Plakate genannt. Meist dienen sie der Werbung - sei es für eine Ausstellung, ein Konzert, ein Getränk oder eine politische Partei. Doch in einer digitalisierten Welt verkommen Plakate als Werbemittel zunehmend zu einer Randerscheinung. Werbung in sozialen Netzwerken ist eben wesentlich effektiver, langlebiger und günstiger.
Und doch sind Plakate noch immer ein beliebtes Massenmedium. Oft sind sie echte Kunstwerke - mal schlicht, mal ausgefallen, mal abstrakt, mal realistisch. Die 100 besten Plakate des Vorjahres sind nun vom 16. Juni bis 2. Juli 2017 im Foyer des Berliner Kulturforums am Potsdamer Platz zu sehen. In Zusammenarbeit mit dem Verein "100 Beste Plakate e.V." präsentiert die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin nunmehr zum elften Mal die von einer unabhängigen und in jedem Jahr neu zusammengestellten Jury getroffene Auswahl.
Im Wahlkampf sind sie meist phantasielos: Plakate als Wahlwerbung für die NRW-Landtagswahl 2017Bild: picture-alliance/dpa/R. Goldmann
Eine aussterbende Kunstform?
Aus mehr als 2000 Einsendungen mussten die fünf Juroren 100 Gewinner auswählen. Insgesamt 632 Bewerber aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten ihre Arbeiten eingereicht. Laut Jury-Vorsitzendem Alain Le Quernec hätten alle Exemplare einen kulturellen Anspruch. Werbekommunikation würde deshalb selten ausgezeichnet. Man müsse zwischen Werbe- und Grafikdesign-Plakaten unterscheiden. "Das sind verschiedene Welten, in denen jeweils ein eigener Gestaltungskanon und eigene Gesetzmäßigkeiten gelten", erklärte Le Quernec in einem Interview mit dem Kettler-Verlag.
Dass die Werbung und andere Kommunikationsmittel das Medium Plakat bald gänzlich verdrängen könnten, hält der Franzose nicht für ausgeschlossen. Genaue Prognosen für die Zukunft möchte er aber nicht geben und betonte: "Dieses Medium wird so lange überleben, wie junge Talente es attraktiv finden und die Nachfrage danach anhält."
Durchstreichen als Hingucker: Eine Plakatwand als WerbeflächeBild: picture-alliance/dpa/W. Steinberg
Wettbewerb mit Tradition
Nach der Premiere in der deutschen Hauptstadt wird die Ausstellung in Essen, Nürnberg, Luzern, Zürich, Wien und La Chaux-de-Fonds zu sehen sein. Parallel zur Auftaktveranstaltung veröffentlicht der Kettler-Verlag ein Jahrbuch mit Abbildungen der 100 ausgezeichneten Exemplare. Ins Leben gerufen wurde der Plakat-Wettbewerb vor rund 50 Jahren in der DDR. Nach 1989 konnte er als gesamtdeutscher Wettbewerb fortgesetzt werden und wird seit 16 Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgetragen.