Vor 50 Jahren eroberte eine neue Kunstströmung aus Amerika den Kunstmarkt: frech und farbstark. Die Zeit der Popkultur war angebrochen. Künstler wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein wurden zu Ikonen der Pop Art.
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Tate Modern: Ausstellung "The World Goes Pop" zeigt unbekannte Pop Art
Andy Warhol und Roy Lichtenstein schufen in Amerika Ikonen der Pop Art. Aber auch in Europa, Lateinamerika und Asien setzen sich Künstler mit der neuen Kunstströmung auseinander - zu sehen in der Tate Modern in London.
Bild: Estate of Roy Lichtenstein / DACS 2013
The Spirit of Pop
Mit starken Vinylfarben malte der französische Künstler Bernhard Rancillac (Jg. 1931) im Jahr 1966 seine Arbeit "Pilules capsules conciliabules". Die Pop Art war als neue Kunstströmung schon längst aus Amerika nach Europa geschwappt. Maler wie Rancillac verwendeten die Bildsprache der amerikanischer Popart-Künstler mit Ironie und Witz. Sie schufen ihren eigenen Pop Art Kosmos.
Bild: Nathalie Rancillac
Grandfather of Pop Art
Andy Warhol gehört zu den wichtigsten amerikanischen Künstlern der Pop Art, keine Themen-Ausstellung kommt ohne seine berühmten "Cows" oder Suppendosen aus. Die Kuratoren der Ausstellung in der Tate Modern in London (17.09.2015 - 24.01.2016) haben Arbeiten solcher Popstars wie Warhol bewusst weg gelassen und weltweit Künstler gesucht, die in den 60er und 70er Jahren ihre eigene Pop Art machten.
Bild: picture alliance/AP Images
Pop Art Export
Der japanische Künstler Ushido Shinohara (Jg. 1932) ist zwar in Tokio geboren, lebt und arbeitet aber seit langem in New York. Schon in seinen frühen Arbeiten hat er in den 1960er Jahren die Amerikanisierung der japanischen Kultur kritisch aufgegriffen und in seinen Arbeiten thematisiert. Er nutzt traditionelle Holzdruckverfahren in Verbindung mit fluoreszierenden, schreiend bunten Farben.
Bild: Ushio and Noriko Shinohara
Kollektivkleidung
Nicola L. ist der Künstlername einer marokkanischen Bildhauerin, die seit den 1960er Jahren in New York lebt und dort arbeitet. Sie fertigt auch Möbelkunst und beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel des menschlichen Körpers mit dem Gesellschaftsbild. Für ihre Textil-Skulptur "Coat" hat sie 1973 ein riesiges Regencape für eine Menschengruppe angefertigt: "Jeder steckt in der Haut des anderen."
Bild: Nicola L.
Lustvolle Provokation
Frech war die Kunst der frühen Pop-Art-Künstler: provozierend banale Inhalte, wie Suppendosen, Waschmittelkartons oder Kaugummi wurden in schrillen, poppigen Farben zu Kunst - die sich schnell teuer verkaufte. Der polnische Künstler Jerzy Ryszard "Jurry" Zielinski (1943 -1980) war auch politisch in Opposition zum System des kommerziellen Kunstmarktes, hier seine Arbeit "Without Rebellion" (1970).
Bild: Todd-White Art Photography
Weibliche Dekonstruktion
Die peruanische Künstlerin Teresa Burger (Jg. 1935) lebt und arbeitet in der Hauptstadt Lima. Sie zählt sich zu den explizit feministischen Künstlerinnen, die in den aufmüpfigen 1960er Jahren erstmals ihren Frauenstandpunkt auch öffentlich bezogen haben. Ihre Arbeit "Cubes" aus dem Jahr 1968 arbeitet mit grafischen Elementen und der formalen De-Konstruktion des weiblichen Körpers.
Bild: Teresa Burga
Bilder aus Autolack
Die Amerikanerin Judy Chicago (Jg. 1939), die in der gleichnamigen Stadt geboren ist, hat ihren Lebensmittelpunkt und ihr Atelier in den 1960er Jahren nach New Mexico/USA verlegt. Dort arbeitete die Künstlerin in ihren farbkräftigen Arbeiten mit Material aus der Welt der Männer: Autoteile, Motorhauben, Autolacke. Für sie Symbole des weit verbreiteten Machismo.
Bild: Donald Woodman
Tate Modern in London
Die Tate Modern hatte bereits 2013 dem Vater der Pop Art, Roy Lichtenstein, eine große Retrospektive gewidmet. Erstmals wurden damals Multimedia-Arbeiten des berühmten amerikanischen Malers ausgestellt: hier die dreiteilige Arbeit "Three Landscapes" aus dem Jahr 1971. Die aktuelle Ausstellung in der Tate "The World Goes Pop" ist noch bis zum 24. Januar 2016 in London zu sehen.
Bild: Estate of Roy Lichtenstein / DACS 2013
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Nur am hintersten Ende der Ausstellung "The World Goes Pop" in der Londoner Tate Modern sind winzige Spuren der Pop-Art-Pioniere Andy Warhol und Roy Lichtenstein zu finden. Zerfetzte Reste des Suppendosen-Motivs von Warhol und des Comicbilds "Whaam!" von Lichtenstein, haben die beiden russischen Künstler Vitaly Komar und Alexander Melamid 1973 in ihre "Post-Art"-Serie eingebaut. Große Namen der Pop Art, zu denen Allan Jones, David Hockney, Robert Rauschenberg und Robert Indiana gehören sind in der Tate Modern nicht dabei. Die Ausstellungssmacher setzen auf unbekannte Künstler, die in der Zeit außerhalb von Großbritannien und den USA arbeiteten.
Die frühe Pop Art wurde auf dem internationalen Kunstmarkt schnell zu überhöhten Preisen verkauft. Diese Kunst war neu, frisch und frech und vor allem farbenfroh. Der Hype auf die neue Kunstströmung aus Amerika, die parallel auch in Großbritannien entstand, wurde vor allem von Galeristen und Sammlern aus Europa ausgelöst. Sie kauften verstärkt Pop Art auch für den deutschen Kunstmarkt. Der Schokoladenfabrikant Peter Ludwig war einer der ersten, der direkt aus dem Atelier bei den amerikanischen Künstlern großformatige Kunst einkaufte und damit den Grundstein seiner hochkarätigen Kunstsammlung legte.
"Die Amerikaner wurden von sehr erfolgreichen Galerien vermarktet. Die meisten Künstler, die wir in der Ausstellung zeigen, nutzten Pop-Art mehr als politisches Sprachrohr", erklärt Kuratorin Falvia Frigeri die Konzeption der Londoner Ausstellung. "Wer während der Diktatur in Brasilien oder unter Franco in Spanien künstlerisch tätig war, konnte natürlich nicht die Außenwirkung erreichen wie die prominenten Amerikaner."
Pop Art als Globale Kunst
Das Londoner Kuratorenteam ist viel durch die Welt gereist, um auch in anderen Ländern Künstler zu entdecken, die sich in den 1960er und 1970er Jahren intensiv mit Pop Art beschäftigt haben. Einige sind international nicht bekannt, die meisten der insgesamt 160 Künstler haben nur in ihren eigenen Ländern ausgestellt. Dabei existierte in Lateinamerika, Europa, im Mittleren Osten und auch in Asien damals eine lebendige Pop-Art-Szene, die nicht nur Bilder und Skulpturen, sondern auch Videokunst, Popmusik und Filme produzierte.
Ein wichtiger Schwerpunkt der Ausstellung in der Tate Modern ist den Künstlerinnen der damaligen Zeit gewidmet. In der Zeit des Aufkommens der Pop Art waren sie doppelt benachteiligt. "Ich nenne das Proto-Feminismus" sagt Kuratorin Flavia Frigeri, die im Team mit Direktorin Jessica Morgan und Elsa Coustou die Arbeiten und Künstler für diese Ausstellung ausgesucht hat. "Diese unbekannten Künstlerinnen, die nie dieselbe Aufmerksamkeit erreichten wie die großen Amerikaner, waren in ihrer Kunst viel mutiger, viel politischer. Bei Warhol oder Lichtenstein wusste man am Ende ja nie, ob sie den Konsum tatsächlich kritisieren oder vielleicht nicht doch einfach nur vereinnahmen" zieht Frigeri ihr Fazit.
Schon Ende der 1970er Jahre waren die amerikanischen Pop-Art-Künstler im etablierten Mainstream des Kunstmarktes angekommen. Da gab es wenig zu entdecken, sagt Kuratorin Falvia Frigeri. "Die Künstler, die wir hier zeigen, waren in keinem Fall zufrieden mit dem Zustand der Welt." Viele der über 200 Kunstwerke sind zum ersten Mal in Großbritannien zu sehen. Die historisch interessante Ausstellung in der Tate Modern in London, geht noch bis zum 24. Januar 2016.