Ausstellung "Läuft": Die Menstruation im Wandel der Zeit
5. Januar 2024Die meisten der 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Führung durch "Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation" ("Flow: The Exhibition on Menstruation") im Berliner Museum Europäischer Kulturen (MEK) sind weiblich: Frauen aller Generationen - von Müttern mit ihren Töchtern im Teenageralter bis hin zu älteren Damen. Es gibt auch einige Männer in der Gruppe, oft in Begleitung einer Partnerin.
Die Geschichte von Unterwäsche und Menstruationsartikeln
Der erste Teil der Ausstellung zeichnet anhand von 100 historischen und modernen Hygieneartikeln sowie Werbeanzeigen die Geschichte der Damenunterwäsche und Menstruationshygieneprodukte nach. Letztere wurden erst im späten 19. Jahrhundert kommerziell entwickelt - damals wurden Damenbinden noch aus Stoff genäht. Aufgrund der Kosten und der Zugänglichkeit war diese Do-it-yourself-Variante auch im 20. Jahrhundert noch weit verbreitet.Früher hatten Unterhosen oft einen offenen Schritt, was den Gang zur Toilette erleichterte, wenn die Frauen Reifröcke und Krinolinen trugen. Wenn sie menstruierten trugen sie mindestens sechs Lagen Stoff, um das Menstruationsblut aufzusaugen. Mit einem Gewicht von etwa zweieinhalb Kilo waren die Stoffbinden extrem schwer.
In der Ausstellung gibt es einen Raum mit Reproduktionen dieser historischen Unterwäsche, die an überdimensionale Baumwollwindeln erinnern. Die Besucherinnen und Besucher sind sogar eingeladen, sie anzuprobieren.
Binden, Menstruationstassen und Tampons
Die Pioniere der Branche waren meistens Männer. Es gab aber durchaus auch Erfinderinnen, etwa die US-Schauspielerin Leona Chalmers, die 1937 als erste eine kommerzielle Version der Menstruationstasse patentierte. Ihr Modell, wie auch verschiedene andere Marken im Laufe des 20. Jahrhunderts, hatte allerdings keinen kommerziellen Erfolg. Erst zu Beginn unseres Jahrhunderts wurden solche Tassen wieder populär.
Im Jahr 1954 ließ Mary Kenner einen Hygienegürtel patentieren - doch das Unternehmen, das ihre Erfindung vermarkten wollte, zog sich zurück, als es erfuhr, dass sie Afroamerikanerin war. Bevor Klebebinden entwickelt wurden, wurde diese Art von Gürtel verwendet, um Binden zwischen den Beinen zu fixieren.
Der erste moderne Applikator-Tampon, der als "Tampex" vermarktet wurde, wurde von der deutschen Einwanderin und Geschäftsfrau Gertrude Tendrich aus Denver patentiert. Sie begann mit der Produktion der Papp-Applikationstampons, die ab 1936 in Deutschland erhältlich waren. Eine Version ohne Applikator wurde 1950 in Deutschland eingeführt. Sie wurde "o.b." genannt - kurz für "ohne Binde". Die Gynäkologin Judith Esser trug dazu bei, das Produkt zu verbessern. Sie revolutionierte auch die Sexualerziehung in Deutschland und führte sie in den Schulen ein.
Tabus überwinden durch Bildung
Die Ausstellung hat sich weiterentwickelt und richtet sich mit ihren Führungen auch an Schulklassen: "Nicht alle Lehrer in Deutschland haben das Wissen und die Materialien, um Sexualkunde richtig zu unterrichten", sagt Lischewski. Aber, so fügt er hinzu, über die Schülergruppen hinaus "kommen viel mehr Menschen. Wir haben täglich fast 200 Besucher, so viele haben wir normalerweise nicht".
Ein Teil der Ausstellung liefert deshalb Basiswissen über alles, was mit dem Mensruationszyklus zu tun hat. Lischewski weist zum Beispiel darauf hin, dass Männer und Jungen oft denken, Frauen würden während ihrer Periode literweise bluten. Die tatsächliche Menge liegt dagegen eher bei fünf bis 12 Esslöffeln.
Ist die Periode in Deutschland immer noch ein Tabu? Für die Kulturwissenschaftlerin Jana Wittenzellner, Chefkuratorin der Ausstellung, gibt es darauf keine eindeutige Antwort: "Die Menstruation ist seit einem Jahrzehnt Teil einer anhaltenden öffentlichen Diskussion. Für manche ist sie immer noch ein Tabu, für andere nicht mehr, und für manche war sie auch vor 30 Jahren noch kein Tabu." Laut Wittenzellner scheinen sich viele ältere Menschen für die Ausstellung zu interessieren. Sie würden oft mit der Aussage reagieren, sie seien froh, ihre Erfahrungen durch die Ausstellung endlich teilen zu können.
Die Reaktionen in den sozialen Medien seien "vor allem auf Instagram enthusiastisch" gewesen, so Wittenzellner. Auf Facebook habe es aber "auch Schimpftiraden über das 'eklige Thema' gegeben".
Die Offenheit, über Menstruation zu sprechen, hängt oft vom sozialen Umfeld ab: "In meiner Familie war es eher ein Tabu", sagt Ly Nguyen, eine 30-jährige Berlinerin vietnamesischer Abstammung, die an der Führung teilnimmt. "In Vietnam spricht man nicht über diese private Sache. Die ganze Aufklärung, die ich brauchte, kam von meinen Freundinnen. Aber als ich meine erste Periode bekam, hat mir meine Mutter gesagt, ich solle keine Tampons benutzen, damit ich meine Jungfräulichkeit nicht verliere - wenn auch nicht genau mit diesen Worten."
Dass ein "Jungerfernhäutchen" die Vagina verschließt und bei einer ersten Penetration reißt, ist ein weit verbreitetes, falsches kulturelles Konzept mit teils schwerwiegenden Folgen für Frauen. Tatsächlich umgibt die Vagina oftmals - aber auch nicht immer - eine Art Schleimhautsaum, das sogenannte "Hymen". Es kann bei Penetration einreißen, muss es aber nicht.
Eine weitere Teilnehmerin der Tour, Rukhsana Dill Riaz aus Wiesbaden, lebt seit 26 Jahren in Deutschland. Sie glaubt nicht, dass es hier ein so großes Tabu ist, wie in ihrem Heimatland Bangladesch: "Die Menschen dort sind sehr abergläubisch. Menstruierende Frauen sind nicht rein, sie dürfen nicht einmal auf den Friedhof gehen."
Der öffentliche Diskurs über die Menstruation
Anhand von fast 200 Alltagsgegenständen - Fotos, Grafiken, Zeitungsartikeln und Posts in den sozialen Medien - wird im dritten Teil der Ausstellung gezeigt, wie sich der Diskurs über die Menstruation im Westen entwickelt hat: In den letzten zehn Jahren ist das Thema zunehmend in den öffentlichen Raum vorgedrungen, vor allem durch Beiträge in den sozialen Medien mit Hashtags wie #periodpositivity und #menstruationmatters.
Das hat auch zu Debatten und politischen Veränderungen geführt. Anfang dieses Jahres wurde in Spanien ein Gesetz über Menstruationsurlaub verabschiedet, das es ermöglicht, eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen, wenn die Menstruationssymptome zu schmerzhaft sind. Einige Kritiker sind der Meinung, dass diese Maßnahme möglicherweise sexistische Einstellungen aufrechterhalten und zur Stigmatisierung der Menstruation beitragen könnte.
Die Ausstellung thematisiert auch öffentliches Perioden-Shaming - und zwar mit einem eindrucksvollen Porträt von Donald Trump, das aus Menstruationsblut hergestellt wurde. Geschaffen wurde es von Sarah Levy - als Reaktion auf Trumps Bemerkung gegenüber der Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly: "Wo immer sie auch war, es kam Blut heraus", hatte er gesagt, nachdem sie ihn 2015 in einer TV-Debatte in die Enge getrieben hatte.
Hohe Ausgaben für Menstruierende
Das Bewusstsein für Periodenarmut wächst inzwischen in Entwicklungsländern - doch das Phänomen betrifft nicht nur sie, sondern auch Frauen in wohlhabenderen Teilen der Welt. Bei einer Online-Umfrage in Deutschland, für die Plan International und WASH United im Jahr 2021 1000 Frauen befragt hatten, gaben 23 Prozent der Teilnehmerinnen an, dass die monatlichen Ausgaben für die Menstruation eine finanzielle Belastung für sie seien.
Die Kosten für die Menstruation werden auf 5 bis 35 Euro pro Monat geschätzt, wenn man Schmerzmittel und Verhütungsmittel einbezieht. Multipliziert mit 450 - der durchschnittlichen Anzahl von Zyklen im Leben einer Frau - summiert sich das.
Jana Wittenzellner: "Wenn Menschen sich schämen, ist Lachen das beste Mittel"
Am Ende des Rundgangs wird die Gruppe gebeten, im vierten Teil der Ausstellung selbstständig Zeit zu verbringen. Dort sind digitale Bilder von Kunstwerken sowie Szenen aus Filmen und Serien zu sehen - so etwa eine Szene aus der Coming-of-Age-Dramedy "20th Century Women" von 2016, in der Greta Gerwigs Figur bei einem Familienessen für Verlegenheit sorgt, weil sie offen über ihre Menstruation spricht.
"Kunst und Kultur haben einen so großen Einfluss und spielen eine so wichtige Rolle in der Diskussion über die Menstruation. Sie macht sie auch interessant und lustig", sagt Jana Wittenzellner: "Und wir wollten, dass die Ausstellung Spaß macht. Wenn Menschen sich schämen, ist Lachen das beste Mittel, um dem entgegenzuwirken."
Adaption aus dem Englischen: Nikolas Fischer