Wie das Martialische unseren Alltag prägt
10. September 2016Waffen lösen Angst aus, bereiten Lust - oder beides. Sie verkörpern Macht und Überlegenheit. Sie erinnern an Schmerz und Tod. Die Frankfurter Ausstellung zeigt Beispiele aus Design, Mode und Kunst, die die Sprache der Gewalt zitieren: Da liegen kompostierbaren Tellerminen des belgischen Künstlers Ives Maes auf dem Boden, daneben hat der Belgier Kris Martin gefundene Granathülsen zu einem strahlenden Haufen drappiert, Clara Ianni aus Sao Paulo steuert Stahlplatten bei, die von Kugeln der brasilianischen Militärpolizei durchlöchert wurden.
Nicht weniger nachdenklich machen viele skurrile Beispiele aus der Welt der Mode und des Gebrauchsdesigns: Bomberjacken von Helmut Lang, Camouflage-Prints auf T-Shirts, Parfumflakons und Dildos in Handgranatenform, afghanische Teppiche mit Waffenmotiven, Handtaschen in Maschinengewehrform oder auch militärisch anmutendes Design von Philippe Starck. Die Ausstellungsarchitektur imitiert eine Verkaufsmesse mit kleinen Kojen und schummriger Beleuchtung. "Unsere Schau ist eine Spurensuche", sagt Kuratorin Ellen Blumenstein, "sie soll zeigen, wie sehr unser Alltag von einer Militärästhetik durchdrungen ist."
Deutsche ohne Waffenkultur
Anders als in den USA ist privater Waffenbesitz in Deutschland verboten. "Jede Gesellschaft besitzt ihre eigene Waffenkultur", schreibt die Dresdner Historikerin Dagmar Ellerbrock in einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung. "Die öffentliche Abkehr vom privaten Waffenbesitz in Deutschland ist das Ergebnis zweier verlorener Weltkriege. Nach jedem Krieg haben die Deutschen weiter in Richtung Waffenregulierung umgesteuert." Spätestens seit den 1970ger und 1980ger Jahren wurde privater Waffenbesitz zur Sache allein von Jägern und Schützen.
Wenn Waffen nun aber überall in Mode, Design und Kunst vorkommen, so Christopher Daase von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, dann sei das wohl eine Art "Kompensation".
Michael Baers, amerikanischer Künstler, der in Berlin lebt, hat schon an der Vorgängerausstellung "Fire & Forget. On Violence" in Berlin teilgenommen, die die Frankfurter Schau jetzt erweitert. So pinselte der US-amerikanische Konzeptkünstler auch im Museum für Angewandte Kunst am Main ein ironisches Zitat an die Wand: "Warum sollte es ungewöhlich sein, einen Picasso nach Palästina zu bringen", fragt der Satz, "wenn man nur 15 Kilometer von Ramallah entfernt in einem israelischen Museum neun Picassos sehen kann?"
Die Ausstellung "Unter Waffen. Fire & Forget" ist bis zum 26. März 2017 in Frankfurt am Main zu sehen. Ein wissenschaftliches Rahmenprogramm aus Vorträgen, Diskussionsrunden und Filmen begleitet sie.