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Ausstellung zeigt deutsche "Leitkultur"

Aya Bach4. Oktober 2005

15 Jahre nach der Wiedervereinigung widmet sich die Bundeskunsthalle Bonn im Westen der Republik den Schätzen Ost-Deutschlands. Und zeigt, wie wichtig diese Region durch die Jahrhunderte für die Kulturgeschichte war.

Ostdeutsches Vorzeigestück: Bauhaus-Sessel B3Bild: Kelly Kellerhoff, Berli
Martin Luther, Gemälde von Lucas Cranach d. Ä. 1526Bild: Foto: Elke Walford

Martin Luther begrüßt die Besucher gleich zu Beginn - auf einem kleinformatigen Ölgemälde. Ausgerechnet die Zeit der Reformation, die einen Bildersturm auslöste, steht am Anfang der kunst- und kulturgeschichtlichen Schau. Allerdings war es auch der Reformator Luther, der dem Bildersturm ein Ende setzte, die Bibel illustrieren und sich selbst von seinem Lieblingskünstler Lucas Cranach dem Älteren porträtieren ließ.

Rund dreieinhalb Jahrhunderte später begegnen wir demselben Martin Luther wieder - nun in einem großformatigen Gemälde, das ihn zeigt, wie er auf der Wartburg die Bibel übersetzt. 1872 ist er längst zur historischen Figur geworden und die Wartburg, auf der er zu Lebzeiten Zuflucht fand, ist längst ein nationales Symbol.

Elefant als Briefbeschwerer von Johann Melchior Dinglinger, um 1710/20Bild: Lutz Ebhardt, Gotha

Die Bonner Schau führt im Galopp durch 500 Jahre Kulturgeschichte - von Renaissance Barock und Aufklärung über die Romantik und die Entwicklung des Nationalgedankens bis hinein in die Moderne. 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind zu durchwandern - darin eine Fülle von Exponaten aus den Schatzkammern des Ostens. Denn der Titel "Nationalschätze aus Deutschland" führt in die Irre - sie alle stammen aus den neuen Bundesländern. Ausgerichtet hat die Schau die so genannte Konferenz nationaler Kultureinrichtungen, kurz KNK, die ausschließlich ostdeutsche Institutionen vertritt. 15 Jahre nach der Wiedervereinigung höchste Zeit: "Weil man immer noch vollkommen unterschätzt, was im Osten an Objekten beherbergt ist. Das sind wirklich herausragende Sammlungen. Im internationalen Vergleich können die ohne Probleme bestehen, und darauf muss man einfach mal deutlichst hinweisen." Sagt Martin Roth von der KNK.

Zur Wertigkeit von Kultur

Und tatsächlich ist die Schau voller Highlights der Kunstgeschichte - mit Gemälden von Raffael, Rubens oder Caspar David Friedrich bis zur Moderne mit Kirchner oder Beckmann. Aber es geht nicht nur um stolzes Anhäufen hochkarätiger Werke. Spannend ist die Ausstellung vor allem, weil man als Besucher miterlebt, wie sich die Wertigkeit von Kultur veränderte und damit das Sammeln selbst.

Quellnymphe, Lucas Cranach d. Ä.Bild: Jörg P. Anders

In der Renaissance etwa entstanden die ersten "Kunstkammern", die auch Werkzeuge und wissenschaftliche Geräte beherbergten: Zum Beispiel die Dresdener Weltzeituhr, ein übermannshohes Gerät mit 360 kleinen Zifferblättern, eines für jeden Längengrad - ein technisches wie ästhetisches Meisterstück, das jetzt in Bonn zu sehen ist. Dann saust der Besucher durch ein paar Räume, in denen barocke Fülle prunkt - um nebenan dem kühlen Geist der Aufklärung zu begegnen: Die Marmorbüste Goethes, der als Privatmann wie als Kulturminister wichtige Sammlungen anlegte, empfängt den Besucher hier. Und neben Prachtstücken aus der berühmten Anna-Amalia-Bibliothek finden sich beispielsweise bunte Schirme, mit denen der Dichterfürst seine Experimente zur Farbenlehre durchführte.

Was ist in welcher Zeit wichtig und wertvoll, was gehört zum Bildungskanon? Wie verändert sich die kulturelle und wie bildet sich damit eine nationale Identität in einem Land, das so lange aus Kleinstaaterei und Fürstentümern bestand? Wenzel Jacob, Direktor der Bundeskunsthalle: "Ich glaube, dass es eine Bildungsausstellung ist, denn hier versuchen wir nachzuzeichnen, was die deutsche Geschichte ist. Wenn man sich die deutsche Geschichte aber genau anschaut, muss man sagen, dass es eine deutsche Geschichte im Prinzip gar nicht gibt, sondern wir waren eine Region mit Partikularinteressen und sind nach dem 30-jährigen Krieg sehr stark gespalten worden. " So zeige die Ausstellung, wie die Menschen immer wieder versucht haben, sich auf die eigenen Traditionen zu besinnen.

Ein humanes Deutschlandbild

Nationalschätze aus Deutschland - der Titel mag großspurig klingen, doch was man hier zeigt, sind Stationen der Kultur- und Bildungsgeschichte, die in Ostdeutschland auf engem Raum wie unter einem Brennglas zu sehen sind. "Ich hoffe, dass ein Deutschlandbild entsteht, das ein humanes Deutschlandbild ist. Denn human geprägt war es vor 500 Jahren und durch den Lauf der Geschichte bis zum Jahr 1933." Die Machtergreifung der Nazis sei bewusst ausgeblendet worden, "denn diese Themen sind ja in unterschiedlichen Ausstellungen oft genug behandelt worden". Und mit dem britischen Kurator Norman Rosenthal habe man für die Ausstellung einen Fachmann von außen geholt, der den Verdacht der nationalen Selbstbespiegelung von vorneherein ausschließt.

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