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Match verloren und trotzdem gewonnen

David Vorholt Melbourne
31. Januar 2020

Alexander Zverev unterliegt in seinem ersten Grand-Slam-Halbfinale dem klar besseren Dominic Thiem. Doch wie oft zuvor in seiner Karriere scheitert der 22-jährige Deutsche in Melbourne nicht an sich selbst.

Tennis Australian Open 2020 Alexander Zverev
Trotz Jubel zwischendurch unterlag Alexander Zverev in seinem ersten Grand-Slam-HalbfinaleBild: picture-alliance/dpa/W. Jingqiang

Nach drei Stunden und 42 Minuten umarmten Alexander Zverev und Dominic Thiem sich am Netz in der Rod Laver Arena, dem Center Court der Australian Open. Klar war, dass dieser Moment kommen würde, so endet jedes Tennis Match. Nach dem Geschmack des Deutschen hätte er aber deutlich später kommen können. Doch auch im zweiten Tiebreak des Halbfinals zwischen Zverez und Dominic Thiem war es der vier Jahre ältere Österreicher, der das bessere Tennis spielte und die besseren Nerven hatte.

In den entscheidenden Situationen unterlegen

"Dominic war in den entscheidenden Situationen einfach besser, in denen ich nicht mein bestes Tennis zeigen konnte", analysierte Zverev das Match vor der Presse. "Ich hatte ja meine Chancen mit Break- und Satzbällen. Ich habe ein gutes Match gespielt, aber er ein besseres." Der 22-Jährige wirkte zwar nicht geknickt, aber große Freude darüber, dass er sein erstes Grand-Slam-Halbfinale mit einem hoffnungsvollen Auftritt bestritten hatte, strahlte er auch nicht aus. Dafür ist die aktuelle Nummer sieben der Weltrangliste zu ehrgeizig. 

Alexander Zverev: "Ich habe nicht mein bestes Tennis zeigen können"Bild: picture-alliance/AP/L. Jin-Man

Zu zögerlich war Zverev die Tiebreaks in den Sätzen drei und vier angegangen und hatte sich vom druckvollen, präzisen Spiel Thiems in die Enge treiben lassen. Das eine oder andere Mal wirkte nicht nur das Publikum ziemlich beeindruckt von der Vorstellung des Österreichers. In den von Zverev angesprochenen "entscheidenden Situationen” fehlten ihm Wucht und Präzision. Die Länge seiner Schläge - Zverev agierte weit hinter der Grundlinie - reichte schlicht nicht aus. Im entscheidenden Tiebreak von Satz vier lag Thiem bereits mit 4:0 vorne, ehe Zverev sich spielerisch ein wenig befreien und aufholen konnte. Doch das reichte nicht.

Zverev zu Beginn auf Kurs

Dabei hatte es zu Beginn des Matches ganz anders ausgesehen. Nach seinem ersten Satzgewinn scheint das Momentum beim Stand von 4:5 aus Sicht von Zverev endgültig auf seine Seite zu kippen. Einen Schmetterball von Thiem wehrt Zverez selbst mit einem Schmetterball ab, der genau auf der Linie einschlägt. Der Fingerzeig nach oben, 16.000 Zuschauer toben. In dem Augenblick glauben viele: Alexander Zverev wird sein erstes Grand Slam Finale erreichen.

Doch bei 5:4 im dritten Satz fehlt ihm ein Punkt zum Satzgewinn. Beim zweiten Satzball die Chance. Zverev ist nach Thiems Aufschlag in der Rallye und wartet darauf, dass der Österreicher endlich einen Fehler macht. Vielleicht ist genau dies der Unterschied an diesem Abend. Denn Thiem macht keinen Fehler. Und spielt in Drucksituationen stets sein bestes Tennis.

Klar der stärkere Spieler: Dominic ThiemBild: picture-alliance/dpa/S. Low

Das hat auch Alexander Zverev häufig gezeigt und dadurch die Herzen vieler australischer Fans gewonnen. Genauso wie durch seine Ankündigung, im Falle eines Turniersiegs sein komplettes Preisgeld von etwa viereinhalb Millionen australischer Dollar an die Opfer derverheerenden Buschfeuer zu spenden. Solidarität hatten viele gezeigt, Zverev stieß hier aber in eine neue Dimension vor.

Generationswechsel im Herren-Tennis?

"Es war einfach alles super eng, besonders in den zwei Tiebreaks", sagte Dominic Thiem, der im Viertelfinale Mitfavorit Rafael Nadal auf mindestens genauso beeindruckende Art wie dieses Mal Zverev geschlagen hatte, beim Platzinterview mit John McEnroe und zollte Zverev seinen Respekt. Und in der Tat wirkte der Viersatz-Sieg des Österreichers dann doch deutlicher, als es nach Gesamtpunkten war: 138 Punkte hatte Thiem für sich verbuchen können, Zverev derer 133 und damit nur fünf weniger im gesamten Match. Es waren eben die von Zverev angesprochenen "entscheidenden Situationen", die zuvor den Ausschlag gegeben hatten.

Thiem durchbricht damit die jahrelange Dominanz der "großen Drei" Nadal, Federer und Djokovic zum ersten Mal deutlich. Der lang erwartete "Generationswechsel” im Herren-Tennis scheint bevorzustehen. Auch Zverev hat daran durch die Leistung hier in Melbourne seinen Anteil. Sollte Thiem im Finale auch noch Top-Favorit Novak Djokovic schlagen, wäre dies wohl der endgültige Schritt zu Wachablösung. Teil dieser kann nach Meinung nahezu aller Experten neben Thiem und dem Griechen Tsitsipas auch Zverev werden.

Der Geschlagene umarmt den SiegerBild: picture-alliance/Xinhua/Z. Wei

Der wollte den Erfolg, den der erstmalige Einzug in ein Grand-Slam-Halbfinale definitiv bedeutet, nicht zu hoch bewerten: "In ein paar Tagen habe ich das Turnier vergessen und stehe wieder auf dem Platz.” Seine großen Ziele aber hat der Deutsche weiter im Blick. "Ich nehme vieles Positives mit. Aber ich möchte beim Grand-Slam-Halbfinale nicht aufhören", sagt Zverev über seine Marschroute für die Zukunft. Der deutsche Top-Spieler hat viel gelernt in zwei Wochen Australian Open - auch über sich selbst.

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion
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