Der Umgang Australiens mit seinen Ureinwohnern gilt seit jeher als heikel. Im Südosten plant die Regierung, einen heiligen Baum für den Ausbau eines Highways zu fällen. Aborigines und deren Unterstützer wehren sich.
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Auf den ersten Blick ist es ein Baum wie jeder andere. Nur wer genauer hinschaut, sieht den Hohlraum im Inneren des Stamms und die Markierungen. Hier haben Aborigines-Frauen im Lauf der Jahrhunderte Kinder zur Welt gebracht. Der Rote Eukalyptus ist ein sogenannter Geburtenbaum, mehr als 600 Jahre alt. Im Boden haben viele Generationen Aborigines nach Entbindungen die Plazenta, den Mutterkuchen, vergraben.
Für den Stamm der Djab Wurrung, der hier schon lebte, lange bevor die Weißen kamen, sind der Baum und die Erde heilig.
Jetzt allerdings soll der Geburtenbaum abgeholzt werden, damit der Western Highway - die Hauptverbindung zwischen den Großstädten Melbourne und Adelaide - ausgebaut und zwei Spuren breiter gemacht werden kann. Die zuständige Regierung des Bundesstaats Victoria begründet die Pläne mit der Bedeutung der Straße für die gesamte Region und mit der Sicherheit. Auf dem viel befahrenen Highway gab es seit 2014 mindestens zwölf Verkehrstote.
Auf einer Strecke von zwölfeinhalb Kilometern in der Nähe der Stadt Ararat sollen insgesamt mehr als 1350 Bäume fallen. Nach Angaben der Straßenbaubehörde könnten es sogar 3000 sein. Doch inzwischen ist der Protest so groß, dass der Beginn der Bauarbeiten mehrfach verschoben werden musste. Zwei Jahre ist man schon in Verzug.
Rund um den Baum kampieren seit Monaten mehrere Dutzend Leute: einige Aborigines, aber noch mehr Weiße. Die meiste Zeit waren die Proteste friedlich. Inzwischen kommt es vermehrt zu Handgreiflichkeiten.
2008 verabschiedete das australische Parlament eine Resolution, die die langjährige Diskriminierung der Ureinwohner anerkannte. Der damalige Ministerpräsident Kevin Rudd sagte: "Für die Erniedrigung und Herabsetzung, die einem stolzen Volk und einer stolzen Kultur zugefügt wurden, sagen wir Entschuldigung." In Rudds Rede hieß es weiter: "Die Zeit ist gekommen, für die australische Nation ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufzuschlagen, in dem wir das Unrecht der Vergangenheit ausgleichen und so mit Zuversicht in die Zukunft schreiten." Für die Protestierenden dürften diese Worte heute wie Hohn klingen.
Geleitet wird das Protestcamp von Zellanach Djab Mara. Den Baum vergleicht er mit der Kathedrale Notre-Dame in Paris, die ebenfalls mehr als 600 Jahre alt ist und deren Brand im Frühjahr überall Schlagzeilen machte. "Ich kann auch nicht einfach in eure Kirche gehen, die Stühle herausnehmen, weil ich da einen Highway durchbauen will, und sagen: 'Das Gebäude bleibt ja stehen.' So darf das auch hier nicht sein."
Inzwischen gibt es vonseiten des Staates das Angebot, einen kleinen Teil der Bäume wegen deren kultureller Bedeutung zu verschonen: 15 von mehr als 1350. Dazu würde auch der Geburtenbaum gehören. Djab Mara sagt jedoch: "Man kann nicht nur Teile der Kirche anerkennen. Man muss die ganze Kirche anerkennen."
ust/se (dpa, abc, Twitter, VicRoads)
Last Minute-Ansturm am Uluru
Der berühmteste Fels Australiens ist den Aborigines heilig. Darum darf der Uluru - alias Ayers Rock - ab Oktober nicht mehr bestiegen werden. Grund für einen nie dagewesenen Touristen-Ansturm - mit entsprechenden Folgen.
Bild: picture-alliance/PA Wire/A. Devlin
Nicht so einsamer Fels
Der Uluru liegt abgeschieden im Outback. Schon seit Jahrzehnten ein Touristen-Magnet, zieht er zur Zeit besonders viele Reisende an. Für sie ist es die letzte Gelegenheit, auf die Sandsteinformation zu klettern, die sich 350 Meter über das flache Land hebt: Ab Ende Oktober ist der Aufstieg verboten - aus Respekt vor den Ureinwohnern.
Bild: ABC Alice Springs/Katrina Beavan
Aufstieg zum Aufgang
Viele beginnen ihren Aufstieg bereits in der Dunkelheit, um rechtzeitig zum Sonnenaufgang oben zu sein. Der gesamte Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark zählt zum UNESCO-Welterbe. Die Besucherzahlen im Nationalpark steigen - auch, weil es mehr Flugverbindungen gibt. 2018 kamen laut "Tourism Northern Territory" 70.000 mehr als 2017. Allerdings kletterte zuletzt nur jeder fünfte Parkbesucher auf den Uluru.
Bild: picture-alliance/Arco Images/G. A. Rossi
Rasanter Anstieg
Dieses Bild zeigt, wie groß der Andrang noch vor sechs Jahren war - damals fand noch jeder einen Parkplatz. Jetzt säumen Autos kilometerweit die Zufahrtstraßen, berichtet der australische Sender ABC. Menschen in der Umgebung sind empört: So manche Wohnmobil-Toilette werde samt Chemikalien in der Natur entleert. Auch die Müllberge am Fels nähmen zu.
Bild: Imago Images/J. Holmes
Tourismus als Gratwanderung
Der Uluru ist für die Ureinwohner Australiens ein heiliger Ort, weshalb sie sich schon länger vom zunehmenden Touristen-Ansturm gestört fühlten. Seit die Selbstdarstellerei im Internet keine Grenzen mehr kennt, nahm der Ärger Überhand, etwa als eine Französin 2010 einen Striptease auf dem Fels hinlegte und ein Video davon hochlud - als vermeintlichen "Tribut" an die Aborigine-Kultur.
Bild: picture-alliance/Photoshot
Hüter des Heiligtums
Die meisten Ureinwohner die am Uluru leben gehören zur Gruppe der Anangu. Sie setzten in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen ihre Rechte am Uluru durch. So wurde 2002 der Name "Ayers Rock" offiziell abgeschafft, den die weißen Kolonialherren dem Fels zu Ehren eines damaligen Premierministers gegeben hatten.
Bild: picture-alliance/robertharding/T. Graham
Viel zu entdecken
Auch ohne Kraxeln bleibt das Angebot für Touristen groß, beruhigt die Infostelle "Tourism Northern Territory" auf DW-Anfrage: "Es gibt über 100 Touren und Aktivitäten rund um den Uluru, die nichts mit der Besteigung zu tun haben und sowohl die Natur als auch die Kultur der Aborigines respektieren." So gibt es Wanderungen, Ballonfahrten, Sternbeobachtungen und Malkurse. Und sogar Segway-Touren.
In voller Pracht sieht man den größten Monolithen der Erde sowieso nur mit etwas Abstand. Nur von dort genießt man den berühmten spektakulären Anblick, wenn der Uluru in der Morgen- oder Abendsonne rot zu glühen scheint. So bekommen die Ureinwohner ihr Heiligtum zurück - und aus gebotener Entfernung kann ihn auch künftig jeder bestaunen.