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Politik

Australien: Mein Land brennt

Ben Fajzullin tl
1. Januar 2020

Buschfeuer sind in Australien nichts Ungewöhnliches. Doch so schlimm wie derzeit waren sie noch nie - dennoch leugnen viele Politiker des Landes weiter jeden Klimawandel. Ein persönlicher Blick von Ben Fajzullin.

Australien Tote und Vermisste bei verheerenden Buschbränden (AP/Twitter@NSWRFS)
Verzweifelt kämpfen Australiens Feuerwehrleute gegen die FeuerwalzenBild: picture-allianceAP/Twitter@NSWRFS

"Vom Paradies in die Hölle", schrieb mir ein Freund aus Australien, nachdem sein Flieger aus Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens, bei der Landung in Sydney dicke Rauchwolken durcheinanderwirbelte. Auch ich habe bei meinem Flug nach Brisbane aus dem Fenster unzählige Feuer gesehen. Jeder australische Einzelstaat ist betroffen.

Die Buschbrände haben in den vergangenen vier Monaten über vier Millionen Hektar Natur zerstört, eine Fläche größer als Belgien. Es wird noch Monate dauern, bis sie gelöscht sind. Die Feuerwehren des Landes sprechen von einem nie dagewesenen Ausmaß. Die australische Regierung tut es nicht - und leugnet weiterhin, dass auch der Klimawandel damit zu tun hat. 

Es wird noch Monate dauern, bis die Brände gelöscht sindBild: DW/B. Fajzullin

Schmelzende Straßen

Zugegeben, auch Wissenschaftler ziehen keine direkte Verbindung zwischen dem Klimawandel und den derzeitigen Buschfeuern. Aber sie sagen, dass ein heißeres, trockeneres Klima zu häufigeren und heftigeren Bränden führt. Im vergangenen Jahr erreichten die Temperaturen in Australien neue Rekordhöhen um die 50 Grad Celsius. Im Süden Australiens begannen Straßenbeläge zu schmelzen. Gleichzeitig erlebt das Land die schlimmste Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Kombination aus beidem ist tödlich: Mehrere Menschen starben. Mehr als 1000 Häuser wurden zerstört. Immer wieder kam es zu Massenevakuierungen. Experten befürchten, dass rund 500 Millionen Tiere gestorben sein könnten, darunter ein Drittel aller Koalabären von New South Wales.

Wie wenig sich Australiens Politik um die Vorkommnisse scherte, wurde besonders deutlich, als Premierminister Scott Morrison sich auf dem Höhepunkt der Brände zu einem unangekündigten Urlaub nach Hawaii davonstahl. Sein Büro versuchte, das Ganze herunterzuspielen und bestand darauf, dass dies "keine große Geschichte" sei. Doch nachdem mehr und mehr Details seiner Reise bekannt wurden, musste er eine öffentliche Entschuldigung abgeben.

Zurück aus Hawaii: Australiens Premier Scott MorrisonBild: Imago Images/AAP

Derweil ging das massenhafte Tiersterben weiter. Entlang der Küste von New South Wales wurden unzählige tote Flughundbabys gefunden. Tausende dieser Fledermäuse hatten ihre Nachkommen verlassen, weil sie selbst völlig erschöpft und unterernährt waren - für die Nahrungssuche hatten sie viel zu weite Strecken zurücklegen müssen.

"Panikmache urbaner Linker"

Auch Australiens Vizepremier Michael McCormack spielte den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Buschbränden herunter: Es handele sich dabei um eine "Panikmache urbaner Linker", in Australien habe es schon immer Buschbrände gegeben.

"Australien wird von einer politischen Kaste dominiert, die den Klimawandel herunterspielt", sagt der australische Wirtschaftsexperte Steve Keen. "Sie verweigern jede Kursänderung mit dem Argument, dass Australien nur für 1,3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Aber sie haben bislang immer angenommen, dass sich der Klimawandel - wenn überhaupt - durch steigende Meeresspiegel bemerkbar machen und dann irgendwelche Inseln im Pazifik treffen wird, die in ihren Augen eh keine Rolle spielen", so Keen. "Doch jetzt mit den Buschfeuern beginnt die Bevölkerung zu merken, dass vielleicht doch Australien das erste Opfer des Klimawandels werden könnte."

Böller trotz Bränden: Auch in diesem Jahr feierte Sydney den Jahreswechsel mit einem großen FeuerwerkBild: Getty Images/J. Gourley

Einer Studie der US-Raumfahrtbehörde Nasa zufolge sind allein durch die aktuellen Buschbrände in Australien mehr als 250 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangt. Das ist nahezu die Hälfte dessen, was in ganz Australien normalerweise pro Jahr ausgestoßen wird. Gemessen am Pro-Kopf-Ausstoß ist Australien einer der größten Umweltverschmutzer weltweit. Das Land ist einer der größten Kohle-Exporteure weltweit. Und die Regierung vergibt munter weiter Lizenzen für die Ausbeutung von Kohleminen und Gasfeldern.

Australien in Asche

Dabei müssten unsere Politiker nur Richtung Himmel schauen. Über der Hauptstadt Canberra hängt eine dichte Rauchwolke. Über Sydney ist sie noch undurchdringlicher. Experten des Warenprüfkonzerns SGS schätzen, dass der Kampf gegen die Luftverschmutzung alleine Australiens größte Stadt rund 30 Millionen Euro täglich kostet. Gesundheitsexperten warnen, dass die Behandlungskosten für Atemwegserkrankungen explodieren könnten.

Satellitenfoto der Nasa: Die Rauchwolken der Buschbrände reichen bis nach NeuseelandBild: Getty Images/NASA

Die Aschewolken breiteten sich bis ins 2000 Kilometer entfernte Neuseeland aus. Die Lebensmittelpreise steigen, und Australiens Winzer sind in Aufruhr: Einige beklagen komplette Ernteausfälle, andere klagen darüber, dass der Rauch die Trauben so sehr angreift, dass der Wein schmecke "wie der Boden eines Aschenbechers". Auch die Farmer leiden - nicht nur unter Ernte-Einbußen und verendeten Nutztieren, sondern auch, weil die Touristen fernbleiben. Ganze Orte im australischen Outback fürchten um ihre Existenz.

Die australische Kommunikationsexpertin Greer Quinn fordert von ihren Landsleuten ein radikales Umdenken: "Der einzige Weg, mit dem wir in Australien gemeinsam einen Wandel herbeiführen können ist, selbst mehr in den Ausbau erneuerbarer Energien zu investieren. Derzeit installieren vor allem europäische und asiatische Firmen große Solarparks im Land. Künftig werden wir uns unseren Strom von diesen Firmen zurückkaufen müssen", warnt Quinn. "Anstatt ständig darüber zu diskutieren, ob es den Klimawandel überhaupt gibt, muss unsere Regierung anerkennen, dass wir Menschen nicht immer alles dafür getan haben, unseren Planeten zu schützen."

Eine persönliche Bedrohung

Für den in London lebenden Wirtschaftsexperten Keen war es ein Schock, dass die wütenden Brände plötzlich zu einer so persönlichen Bedrohung wurden. Seine Familie lebt in Sydney, wo Ende 2019 erstmals überhaupt Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Seitdem checkt Keen jeden Morgen als erstes im Internet, wie groß die Brandgefahr in seiner Heimatstadt tatsächlich ist. Keen sagt, dass er ein solches Ausmaß noch nie erlebt hätte.

Ist Australiens Löschflugzeug-Flotte zu schlecht ausgestattet?Bild: AP/State Government of Victoria

Wissenschaftler haben schon lange gewarnt, dass dies einmal passieren könnte, und doch erzählt mir ein Feuerwehrmann, dass "der australische Staat und die Bundesbehörden unfassbar schlecht vorbereitet waren. Diese Feuer sind so groß und so ausgedehnt, dass sie effektiv nur aus der Luft bekämpft werden können". Von der Regierung fühle er sich im Stich gelassen, erzählt er weiter. "Denn unsere Löschflugzeug-Flotte ist völlig unzureichend ausgestattet und viel zu klein für diese Brände und diejenigen, die uns in Zukunft erwarten werden." Rund 30 führende Feuerwehrchefs haben sich nun in einem Appell an die Regierung in Canberra gewandt, eine nationale Waldbrandstrategie und einen Plan zur Bekämpfung des Klimawandels zu entwerfen.

Es schockiert mich, dass wir bislang keinen solchen Plan besitzen. Die Regierung und die obersten Behörden haben doch die Hauptverantwortung beim Katastrophenschutz. Ich liebe mein Land. Aber ich hasse, es brennen zu sehen. Und mittlerweile nehme ich das persönlich.

Ben Fajzullin ist Australier und berichtet aktuell für die DW aus Brisbane.

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