1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Reise

Australien verschreckt Rucksacktouristen

Julian Tompkin
31. Dezember 2016

Bislang war Australien für jobbende Rucksacktouristen ein echtes Paradies. Seit dem 1. Januar 2017 wird das Einkommen von Work-and-Travel-Touristen besteuert. Machen Backpacker jetzt einen großen Bogen um Australien?

Rucksacktouristen am Lagerfeuer
Rucksacktouristen am Lagerfeuer nach einem harten ArbeitstagBild: Fotolia/Alex Ishchenko

Die Anzeigetafel auf dem Flughafen von Perth klappt langsam und träge um. Irgendwie passt das zu dem Lebensgefühl dieser Stadt im äußersten Westen Australiens. Zwischen all den blassen und übermüdeten Reisenden sind die Touristen aus Europa unschwer auszumachen. Sie sind braun gebrannt. Die meisten machen zuerst Urlaub in Südostasien und reisen dann weiter zu einem Work-and-Travel-Urlaub unter australischer Sonne. Der Holzschmuck an ihren Armgelenken oder im Ohrläppchen ist ein Hinweis darauf, woher sie kommen. Es gibt ihn überall zu kaufen - auf der thailändischen Insel Koh Samui ebenso wie im indonesischen Lombok.

Die meisten Backpacker kommen aus EuropaBild: Getty Images/AFP/G. Wood

Zwei Frauen fallen auf. Beide groß und schlank, das Haar von der Sonne gebleicht, an den Füßen sportliche Teva Sandalen. Jana und Anke sind Freundinnen aus Heilbronn. Mit ihrer Reise nach Australien erfüllen sich die beiden Deutschen einen Traum. Sie wollen durch den riesigen Kontinent reisen und zwischendurch jobben. Vielleicht kellnern oder Orangen pflücken.

"Ja, ich habe mitgekriegt, dass ab Januar Steuern fällig sind", sagt Jana nachdenklich. "Die sozialen Medien waren voll davon. Die Leute sagten, fahrt nicht hin, es lohnt sich nicht mehr. Für uns war es da schon zu spät. Wir hatten unsere Reise schon geplant und wollten nicht alles über den Haufen werfen." Jetzt, wo das Gesetz durch ist, würden es sich aber sicher einige überlegen, ob sie noch kommen wollen, meint sie. "Man fühlt sich einfach nicht mehr so willkommen."

Reisen, jobben, Steuern zahlen

Debatte zur Backpacker-Tax im australischen ParlamentBild: picture-alliance/dpa/M. Tsikas

Für die ohnehin stagnierende australische Wirtschaft war die Ankündigung der Backpacker-Steuer alles andere als positiv. Bislang waren Einkünfte bis zu 18.200 Australische Dollar (12.800 Euro) für Backpacker steuerfrei. Im Sommer hatte die konservative Regierungskoalition dann angekündigt, Verdienste ab dem ersten Dollar besteuern zu wollen. Doch das war nicht alles: Die Höhe des Steuersatzes sollte 32,5 Prozent betragen.

Der Schuss ging nach hinten los. Die Agrarindustrie ging auf die Barrikaden. Sie hängt ganz stark von den billigen Saison-Hilfskräften ab. Charlie Armstrong von der Vereinigung der Australischen Landwirte erklärt, dass die Agrarindustrie dringend Backpacker braucht, um personelle Engpässe zu überbrücken: „Wir haben nicht genug Leute in Australien. Wenn die Ernte reif ist oder die Milchproduktion ihre Spitzenzeiten erreicht, brauchen wir sofort personelle Verstärkung."

Mehr Touristen, weniger Backpacker

Der australischen Wirtschaft bringen die Rucksacktouristen jedes Jahr um die 3,5 Milliarden Australische Dollar (2,4 Milliarden Euro). Die meisten sind Briten, gefolgt von Deutschen, Südkoreanern, Franzosen und Taiwanesen. Etwa 40.000 von ihnen arbeiten auf Farmen im ganzen Land. "Tatsache ist aber, dass immer weniger zu uns kommen, im Schnitt 12 Prozent weniger jedes Jahr." Armstrong befürchtet nun, dass die Steuer den Abwärtstrend noch verstärken wird. Viele Farmer haben bereits in dieser Saison ihre Ernte nicht vollständig einbringen können oder waren gezwungen, die Früchte an den Bäumen verrotten zu lassen - nur weil es keine Arbeitskräfte gab.

Backpacker in Südaustralien: arbeiten, um zu reisenBild: picture alliance/Robert Francis/robertharding

Das Phänomen, dass immer weniger Backpacker zum Work-and-Travel-Urlaub nach Australien reisen, ist jedoch nicht wirklich neu. Seit 2012 die Gebühren für die Work-and-Travel-Visa erhöht wurden, sinkt die Nachfrage. Während Australien für 2016 ein Plus von zehn Prozent bei ausländischen Besuchern verzeichnet hat, ging im gleichen Zeitraum die Zahl der Backpacker um sieben Prozent zurück. Das ergab jüngst eine Umfrage von "Tourism Research Australia".

Auch die Monash University hatte zwischen Mai und Juni 2016 Backpacker befragt und fand heraus, dass 60 Prozent auf einen Work-and-Travel-Urlaub in Australien verzichten würden, sollte die Steuer in der geplanten Form umgesetzt werden. Sie würden dann lieber nach Neuseeland oder Kanada ausweichen.

Von der Hand in den Mund 

Anfang Dezember gab es einen letzten Versuch, den Plan der Steuererhöhung auf 32,5 Prozent doch noch abzumildern. Die Initiative ging von der Partei der Grünen aus. Sie hatte sich dafür stark gemacht, dass die Steuer für Jahreseinkommen bis zu 37.000 Australische Dollar (25.500 Euro) auf 15 Prozent festgelegt werden sollte. Allerdings entfiel auch bei diesem Modell der attraktive Steuerfreibetrag von 18.200 Dollar (12.600 Euro) gänzlich.

Touristenattraktion Uluru (Ayers Rock) in der zentralaustralischen WüsteBild: privat

Obwohl Farmer, Hoteliers, Gaststätten und Reiseveranstalter diesen Vorstoß als Erfolg feierten, war der Schaden nicht mehr abzuwenden. "Die Steuer kommt und wir sehen bereits jetzt erste Anzeichen dafür, dass das Interesse an Australien in diesem Marktsegment rückläufig ist. Die jungen Touristen werden nicht mehr so lange wie sonst in unserem Land bleiben und aus diesem Grund sehr viel weniger Geld ausgeben", so der Geschäftsführer der australische Zentrale für Tourismus.

Anke und Jana, die beiden Backpacker aus Deutschland, sind erleichtert, dass die Steuer ab 1. Januar nun 15% Prozent betragen soll und nicht mehr 32,5%. Anke, die vorher schon einmal als Touristin in Australien war, fühlt sich dieses Mal aber nicht mehr so wohl wie damals. "Ich habe Australien als ein Land erlebt, in dem ich mich bedingungslos willkommen fühlte, die Freundlichkeit der Menschen hat mich unglaublich beeindruckt. Aber ich habe das Gefühl, da ändert sich gerade was. Egal, ob es Flüchtlinge sind oder Backpacker - immer öfter hört man auch von Australien, dass es dort nicht mehr so offen und großzügig ist wie früher. Ich hoffe, dass ich mich täusche."

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen