Limburg ohne Bischof
25. Oktober 2013Herbstliches Laub weht das Kopfsteinpflaster den Domberg hinauf. Regen und Sonnenschein wechseln sich ab - eine fast schon unwirkliche Szenerie. Wie nahe sich Licht und Schatten bisweilen sind, haben die Menschen in Limburg in den vergangenen Wochen erfahren.
Viele hatten gehofft, dass der Besuch bei Papst Franziskus das Ende der Bischofskarriere von Franz-Peter Tebartz-van Elst besiegelt. Doch eben dieses rasche Ende ist ausgeblieben. Franziskus hat dem Bischof stattdessen eine Auszeit verordnet - wenigstens, so klingt es aus dem vatikanischen Bulletin, bis dass die bischöfliche Kommission die Vorgänge im Bistum untersucht hat. Der Fokus liegt dabei auf den immensen Kosten der umgebauten Bischofsresidenz: Ursprünglich mit gut zwei Millionen veranschlagt, liegen sie mittlerweile bei über 30 Millionen.
Unter den Limburgern herrscht nun eine Art "verhaltenes Verständnis" für den Vatikan: "Ich finde die Entscheidung vernünftig, dass man den Untersuchungsausschuss abwartet, und dass dann aber die Konsequenzen folgen müssen. Tebartz-van Elst kann in Limburg nicht mehr Bischof sein", sagt Frank Speth, Religionslehrer aus dem benachbarten Hadamar. Er ist einer von vielen Limburgern, die den Domplatz in jüngster Zeit auch für Demonstrationen gegen den Bischof genutzt haben.
Ein "nachvollziehbarer Schritt des Papstes", sagt auch Manfred Lindt aus dem nahen Montabaur, während er den Blick über Dom und Residenz schweifen lässt, "denn hier zu arbeiten, ist unmöglich, nachdem kein Vertrauen mehr da ist. In Stufen wird man Tebartz-van Elst hier, in der Diözese, aus dem Verkehr ziehen."
Abschied auf Raten?
Tatsächlich können sich die wenigsten in Limburg eine Rückkehr des Bischofs in sein Amt vorstellen. Dazu sei sein Rückhalt in der Gemeinde viel zu schwach, meint Sabine Stegmeyer, Limburger Grafikdesignerin, und weist auf die in jüngster Vergangenheit sprunghaft angestiegenen Kirchenaustritte hin.
Mit Blick auf die bischöfliche Residenz, die dem Dom gegenüberliegt, sagt sie: "Schon während der Bauzeit habe ich mich gewundert, wie abgeschottet das alles ist. Diese dicken Außenmauern - die hatten früher mal Türen, zum dahinter liegenden Garten; die sind jetzt weg."
Stegmeyer missfällt auch das neue Eingangstor, durch das nur ein sehr begrenzter Einblick möglich ist. "Das finde ich nicht richtig. Kirche sollte offen sein und den Menschen dienen."
Direkt an diesem Tor stehen Ulrike Schönhagen und ihr Partner, Bernhard Weiß, ebenfalls Religionslehrer. Die jüngste Entwicklung im Fall Tebartz-van Elst nennt Weiß "zunächst einmal eine weise Entscheidung" seitens des Papstes, doch sei auch für ihn der Bischof "auf Dauer nicht haltbar. Wie kann ich meinen Schülern vermitteln, was Barmherzigkeit und Nächstenliebe sind, wenn der Bischof das Geld zum Fenster rausschmeißt?"
Schönhagen und Weiß haben sich daher zu einem symbolischen Akt des Protestes entschieden: Beide haben je eine Rolle Eincentmünzen dabei, "nicht von der Sparkasse, sondern von der Commerzbank, da es ja hier nicht ums Sparen, sondern den Kommerz geht", sagen sie. Klimpernd deponieren sie die Münzen im Eingangsbereich der Residenz, "um zu zeigen, dass hier das Geld mit Füßen getreten wird", so Schönhagen.
Einer, der die Geschehnisse im Bistum schon lange Zeit beobachtet, ist der mittlerweile im Ruhestand befindliche Priester Hubertus Janssen. "Ich hatte eigentlich auch gehofft, es würde schneller eine eindeutige Entscheidung getroffen werden", sagt Janssen, "aber nach dem Hinweis auf eine gewisse 'Auszeit', da war für mich dennoch bereits klar, dass dieser Bischof nie nach Limburg zurückkommen kann."
Über Jahre hat Janssen die Gemeinde von Limburg-Eschhofen betreut, nur wenige Kilometer vom Bischofssitz entfernt. Der heutige Groll innerhalb der Diözese, sagt er, hatte seinen Ursprung bereits im Jahr 2007. Es geschah damals kurz vor Weihnachten: Den finanziell klammen Pfarrzentren wurden seitens des Bistums die jährlichen Zuschüsse in Höhe von 11.000 Euro gestrichen.
"Zwei Tage später wurden dann in der Presse die Kosten des neuen Bischofshauses über sechs bis sieben Millionen verkündet", erinnert sich Janssen. "Da kann man sich vorstellen, wie die Stimmung im Bistum gewesen ist; das war wirklich ein Skandal." Unter der Leitung Tebartz-van Elsts herrschte ab einem gewissen Punkt eine Stimmung von Angst, sagt Janssen: Alles war streng vertraulich, geprägt von einer "einengenden Verschwiegenheit".
Öffnung, Vertrauen, ein Neuanfang
Daher sei auch ein möglicher Rücktritt des Bischofs nun nicht genug. Die gesamte Bistumsführung müsse ausgetauscht werden. Nicht nur der Bischof habe das Vertrauen verloren, sondern auch diejenigen, "die die ganzen Jahre geschwiegen haben - die anfangs teilweise 'Hosianna' gerufen haben, und später 'kreuzigt ihn'".
Das Vertrauen der Menschen in die Kirche könne nur durch einen neuen Bischof zurückgewonnen werden, so Janssen, "durch jemanden, der wahrhaftig ein Bischof für die Menschen ist. Es muss Transparenz geschaffen werden. Alles muss offen gelegt werden, und es darf nicht diese Hartherzigkeit herrschen."
Auf dem Domplatz diskutieren auch Bernhard Weiß und Ulrike Schönhagen die mögliche Zukunft von Bistum und Bischofsresidenz: "Eine Möglichkeit wäre ja zum Beispiel, das hier zu öffnen und der Bevölkerung zugänglich zu machen", überlegt Schönhagen, "also daraus ein Stück Gemeinde herzustellen, und diesen ungeheuren Wohlstand mit allen zu teilen."
"Aber nicht unter diesem Bischof", unterbricht er sie. "Nein, das geht auf gar keinen Fall", pflichtet sie ihm bei. "Ich denke, er muss jetzt reagieren, und er könnte ja sagen 'ich komme nicht zurück und suche mir ein anderes Betätigungsfeld'. Das täte der Gemeinde bestimmt gut."