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Auszubildende gesucht: In der Wirtschaft fehlt der Nachwuchs

30. August 2025

Unternehmen suchen junge Menschen für eine Ausbildung. Gleichzeitig gibt es fast drei Millionen 20- bis 35-Jährige ohne Berufsausbildung. Betriebe klagen über Defizite in Deutsch und Mathe und mangelnde Belastbarkeit.

Deutschland Eberswalde 2025 | Bäckermeister Björn Wiese und Auszubildende Christal Brown stehen in einer Bäckerei am Verkaufsregal, das mit Broten und Brötchen gefüllt ist. Die Auszubildende hält ein Brot in der Hand und lächelt in die Kamera
Christal Brown aus Jamaika macht bei Bäckermeister Björn Wiese eine Ausbildung zur Fachverkäuferin und ist im ersten LehrjahrBild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Mindestens 30 Tage Urlaub, doppelt so viel Geld, wie gesetzlich vorgeschrieben, dazu Weihnachts- und Urlaubsgeld, ein eigenes Tablet, gleitende Arbeitszeit, Zuschüsse zum Sportclub - die Liste der Annehmlichkeiten, mit denen Unternehmen um Auszubildende buhlen, ist lang. Kaum ein Unternehmen, das auf der Suche nach guten Nachwuchskräften ist, kann es sich heute noch leisten, keine sogenannten Benefits anzubieten. 

Ob Handwerker, Verkäufer, Industriemechaniker, Erzieher, Koch oder Fachkraft in der Verwaltung - in Berufen, für die kein Studium nötig ist, beginnt für hunderttausende junge Menschen im August und September traditionell das neue Ausbildungsjahr. Deutschland ist für seine duale Ausbildung weltweit bekannt. Abhängig vom Beruf dauert sie zwei oder drei Jahre.

In dieser Zeit arbeiten die Azubis, wie die Auszubildenden auch genannt werden, im Betrieb, besuchen aber auch eine Berufsschule, wo ihnen das nötige theoretische Wissen vermittelt wird. Dafür gibt es mindestens 682 Euro pro Monat im ersten Lehrjahr. Wer seine Ausbildung erfolgreich abschließt, hat gute Aussichten auf eine reguläre Arbeitsstelle.

Offene Stellen trotz Wirtschaftskrise

Während es vor zwei Jahrzehnten noch deutlich mehr Bewerber als offene Ausbildungsstellen gab, hat sich das Verhältnis seit ein paar Jahren umgekehrt. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2024 rund 432.000 Bewerber für eine duale Ausbildung. Dem standen 519.000 gemeldete Ausbildungsstellen gegenüber.

Unter den Bewerbern sind immer mehr Azubis mit ausländischer Staatsangehörigkeit, während die Zahl der deutschen Bewerber sinkt. Zwischen 2014 und 2024 hat sich die Zahl der ausländischen Auszubildenden auf rund 70.000 nahezu verdoppelt. Besonders häufig schlossen im vergangenen Jahr junge Menschen mit vietnamesischer, syrischer und ukrainischer Staatsangehörigkeit einen neuen Ausbildungsvertrag ab.

Zahlen für den Ausbildungsmarkt 2025 liegen abschließend noch nicht vor, weil sich der Beginn der Ausbildung noch bis in den Herbst hineinzieht. Im Vergleich zu 2024 haben aber 26 Prozent der ausbildenden Unternehmen die Zahl ihrer Plätze wegen der Wirtschaftskrise reduziert. Trotzdem ist schon jetzt absehbar, dass erneut viele offene Stellen nicht besetzt werden können.

Weniger Nachwuchs, mehr Probleme

Allein das Portal der Industrie- und Handelskammern, das sind regionale Dachverbände der Wirtschaft, bietet aktuell 170.000 freie Ausbildungsplätze an. Darunter sind auch Anzeigen, die bereits das Ausbildungsjahr 2026 bewerben. Wer erfolgreich sein will, umwirbt den Nachwuchs schon frühzeitig.

Nicht nur die Demografie, also der Rückgang der Geburtenrate ist ein Problem. Schulabgänger, so klagen Unternehmen, seien immer schlechter auf eine Berufsausbildung vorbereitet. "Fehlende Grundkompetenzen junger Menschen gefährden immer häufiger eine erfolgreiche Ausbildung", warnt Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).

Deutsch und Mathe werden zur Hürde

Nicht nur Handwerksbetriebe haben dieses Problem. In einer aktuellen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bemängeln 44 Prozent der befragten Unternehmen Defizite beim Ausdrucksvermögen in Deutsch und fast ebenso viele fehlende elementare Fähigkeiten in Mathematik.     

Addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren - das sind elementare Fähigkeiten in MathematikBild: picture alliance/dpa/F. Leonhardt

"Es mangelt an Basiskenntnissen und Kompetenzen, die praktisch für jeden Ausbildungsberuf nötig sind: Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Einsatzwille und Lesen, Schreiben, Rechnen", so fasste der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks die Probleme bei der Vorstellung der Umfrage in Berlin zusammen. "Wer das nicht mitbringt, wird es im Berufsleben insgesamt schwer haben."

Junge Menschen sind weniger belastbar

Um Abhilfe zu schaffen, bieten Unternehmen Nachhilfeunterricht in Deutsch und Mathematik an. Wichtig ist den Betrieben laut der Umfrage aber auch ein gutes Arbeits- und Sozialverhalten und eine grundlegende mentale Leistungsfähigkeit. Darunter versteht man die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. 

Doch auch daran hapert es offenbar. In der DIHK-Umfrage vermisst fast die Hälfte der Betriebe diese grundlegende mentale Leistungsfähigkeit (46 Prozent). Defizite gibt es auch beim Arbeits- und Sozialverhalten der Schulabsolventen, vor allem im Hinblick auf die Belastbarkeit (56 Prozent).

Spürbar seien auch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die "Digitalisierung des Lebens" und die daraus resultierende Vereinzelung. "Viele junge Menschen sind ein Kollegen-Umfeld und das hierarchische System, das ein Betrieb nun mal ist, nicht gewohnt", so Dercks.

Der Wechsel von der Schulbank ins Arbeitsleben ist anstrengend und fällt nicht allen leichtBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Drei Millionen ohne Abschluss

Im Ergebnis bleiben immer mehr junge Menschen ohne Ausbildungsplatz und das hat Konsequenzen. "Während die Wirtschaft zunehmend über fehlende Fachkräfte klagt, haben gleichzeitig knapp drei Millionen junge Menschen in unserem Land keinen Berufsabschluss", klagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack bei der Vorstellung des jährlichen "Ausbildungsreports" des DGB. 

Wer keinen Berufsabschluss hat, dem drohe deutlich häufiger ein Arbeitsleben, das durch Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungsbedingungen geprägt sei, warnt Hannack. Laut Bundesbildungsbericht ist unter Menschen zwischen 20 und 35 Jahren ohne berufliche Qualifikationen der Migrationsanteil überdurchschnittlich hoch. Zudem sind es deutlich mehr Männer als Frauen. "Wir brauchen wieder mehr Arbeitgeber, die allen jungen Menschen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz geben", fordert Hannack.

Hohe Abbruchquote bei Auszubildenden

Doch stattdessen lassen Betriebe Stellen lieber unbesetzt, wenn sie keine in ihren Augen geeigneten Bewerber finden. Oder sie reduzieren direkt ihr Ausbildungsangebot. Nur 18,8 Prozent der Betriebe in Deutschland bilden noch aus - ein neuer Tiefstand.

Gestiegen ist auch die Zahl der Azubis, die ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen. Die Quote ist laut DGB-Ausbildungsreport mit 30 Prozent so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Im Ergebnis verschärft das den Fachkräftemangel in Deutschland zusätzlich. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nennt die Lage alarmierend und fordert, die Ausbildungsbedingungen attraktiver zu machen. Wichtig seien in erster Linie mehr Geld und: Wohnraum. Tatsächlich können sich Auszubildende von ihrer Vergütung nur selten eine eigene Wohnung leisten. "In Hochschulstädten sind Studierendenwohnheime Teil des Stadtbildes, Wohnraum für Auszubildende hingegen muss man mit der Lupe suchen. Das muss sich ändern!", fordert Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär.

Gute Bezahlung erhöht die Zufriedenheit

Rund 9000 Auszubildende hat der DGB für seinen Report befragt. Dabei zeigte sich, dass die Zufriedenheit nach Ausbildungsberuf variiert: Während über 80 Prozent der angehenden Steuerfachangestellten, Elektroniker für Betriebstechnik, Mechatroniker, Bankkaufleute und Verwaltungsfachangestellten sehr zufrieden sind, trifft dies nur auf etwa 60 Prozent der Hotelfachleute und Friseure zu. Berufe, in denen nach wie vor schlecht bezahlt wird, der Arbeitsdruck hoch ist und oft Überstunden geleistet werden müssen.

Vor allem in Handwerksberufen, in denen noch schwere körperliche Arbeit gefordert ist, oder in Berufen mit unattraktiven Arbeitszeiten finden sich kaum noch Bewerber für eine Ausbildungsstelle. Manchen selbstständigen Handwerker lässt das umdenken.

Im süddeutschen Freiburg hat ein Bäcker seinen Betrieb umgestellt und backt seine Brote nicht mehr in der Nacht, sondern erst ab sieben Uhr morgens. Das Ladengeschäft öffnet erst um 11 Uhr. Er hat keine Probleme mehr, Auszubildende zu finden.

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