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"Autismus-Epidemie" in den USA laut RFK Jr.: Stimmt das?

15. April 2025

Donald Trumps Gesundheitsminister möchte bis September herausfinden, was die "Autismus-Epidemie" in den USA verursacht. Forschende und Autismus-Organisationen stehen der Aktion skeptisch gegenüber.

RFK jr. sitzt hinter einem Mikrofon
US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. möchte die Ursachen für Autismus final klären - und zwar bis September.Bild: Laura Brett/picture alliance

Das US-Gesundheitsministerium hat eine "massive Test- und Forschungsanstrengung" in die Wege geleitet, die bis September 2025 feststellen soll, "was die Autismus-Epidemie verursacht hat", wie Trumps Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. in einer Kabinettssitzung sagte.

Die Zahl der Autismus-Diagnosen in den USA steigt seit Jahrzehnten. Im Jahr 2020 wurde bei etwa einem von 36 Kindern eine Autismus-Spektrum-Störung festgestellt. Nach Angaben der US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) war es im Jahr 2000 noch eines von 150 Kindern.

Aber: Nach Jahrzehnten der Forschung über die genetischen und neurowissenschaftlichen Ursachen von Autismus "ist die Vorstellung, dass wir bis September plötzlich die Ursachen finden können, unrealistisch", sagt Geoff Bird, ein kognitiver Neurowissenschaftler und Autismus-Experte an der Universität Oxford und am University College London.

Was sind die Ursachen für Autismus?

Es gibt viele verschiedene Anzeichen für Autismus und nicht bei allen zeigen sich die Symptome auf die gleiche Weise. Für einige Menschen mit Autismus kann die soziale Kommunikation eine Herausforderung oder sogar eine Überforderung darstellen. Andere haben Schwierigkeiten beim Lernen oder reagieren überempfindlich auf Sinnesreize wie Berührung oder Licht.

Die Autismus-Spektrum-Störung entsteht durch Veränderungen in der Entwicklung des Gehirns in den ersten Lebensjahren. Die Forschung hat gezeigt, dass bei Menschen mit Autismus ein breites Spektrum von Veränderungen in der Funktionsweise des Gehirns auftreten kann.

40. Wie geht eigentlich Autismus?

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Forschende sind sich "sehr sicher, dass es eine genetische Grundlage gibt", so Bird gegenüber der DW. Etwa 80 Prozent der Autismus-Fälle können mit vererbten Genmutationen in Verbindung gebracht werden.

Forschende konnten außerdem feststellen, dass Veränderungen in bestimmten Genen die Entwicklung des Gehirns beeinflussen. Aber es gibt keine eindeutigen Beweise, dass bestimmte Veränderungen direkt mit Autismus zusammenhängen.

"Die Diagnose von Autismus war schon immer die größte Herausforderung..., weil wir keine biologischen Marker für Autismus haben", erklärt Bird. Das stelle für Forschende, welche die biologischen Ursachen von Autismus zu verstehen versuchen, eine große Herausforderung dar.

Breitere Diagnostik eine Ursache für den Anstieg von Autismus-Fällen

Nach Ansicht von Experten liegt der Hauptgrund für den Anstieg der Autismus-Diagnosen darin, dass sich die klinischen und sozialen Definitionen seit der ersten Beschreibung von Autismus vor 80 Jahren häufig geändert haben.

"Heute ist es üblich, Menschen mit viel subtileren Symptomen zu diagnostizieren, und das erklärt einen Teil der gestiegenen Prävalenz", sagt Bird.

Änderungen bei den Screening-Methoden haben auch dazu beigetragen, dass Anzeichen von Autismus bei Mädchen besser erkannt werden.

"Autismus wurde hauptsächlich dadurch definiert, wie er bei Jungen auftritt, und die Diagnose bei Mädchen war darauf abgestimmt. Jetzt erweitern wir die Kriterien für die Diagnose von Autismus, um auch Mädchen und Frauen Rechnung zu tragen", so Bird. "Die natürliche Folge ist, dass die Prävalenz von Autismus steigt."

Außerdem haben Bemühungen zur Sensibilisierung für Autismus dazu beigetragen, dass Menschen eher bemerken, wenn ihrer Erfahrungen oder Angewohnheiten möglicherweise nicht neurotypisch sind.

"Das öffentliche Bewusstsein hat wahrscheinlich dazu geführt, dass sich mehr Menschen um eine Beurteilung und Diagnose bemühen", sagte Suzy Yardley, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation Child Autism UK, gegenüber der DW. "Sie können sich dann Erleichterung verschaffen, wenn sie Antworten und mögliche nächste Schritte finden."

Forschende untersuchen zudem, ob Faktoren wie Schadstoffe in der Luft, Veränderungen der Darm-Hirn-Achse oder des Immunsystems eine direkte Auswirkung auf die Neuroentwicklung und Autismus haben könnten.

Bird sagt jedoch, die Beweise für diese Theorien seien "nicht überzeugend".

"Schadstoffe sind zweifellos schädlich, aber es würde mich überraschen, wenn sie die Autismus-Rate erhöhten", so der Neurowissenschaftler.

Impfstoffe verursachen keinen Autismus

Die Behauptung, dass Impfstoffe für die steigenden Autismus-Raten verantwortlich sind, wurde wiederholt und nachdrücklich widerlegt.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Forschende in vielen groß angelegten Studien untersucht, ob irgendein Aspekt von Impfungen Autismus verursachen könnte. In keiner dieser Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Autismus und Impfungen nachgewiesen. Das galt sowohl für Immunisierungen, welche die Mutter während der Schwangerschaft erhielt, als auch Impfungen, die dem Kind nach der Geburt verabreicht wurden. Die National Institutes of Health in den USA fanden ebenfalls keinerlei Zusammenhang zwischen Autismus und Impfstoffen.

Die falsche Behauptung, dass Impfstoffe Autismus verursachen, stammt ursprünglich aus einer 1998 veröffentlichten Studie, in der ein Zusammenhang zwischen dem Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln und Problemen bei der Gehirnentwicklung hergestellt wurde. Später stellte sich heraus, dass die Studie schwerwiegende Fehler aufwies, und sie wurde zurückgezogen. Doch die falsche Information, die sie in die Welt gesetzt hatte, blieb hängen.

Kennedy ist als Impfgegner bekannt. Erst im März forderte er die CDC auf, die Zusammenhänge zwischen Impfstoffen und Autismus zu untersuchen, obwohl die früheren Untersuchungen der Behörde hier keinen Zusammenhang zeigten.

Autismus-Aktivisten skeptisch gegenüber Kennedys Zielen

Menschen, die sich im Bereich Autismus engagieren, haben die Ankündigung des Gesundheitsministers mit Skepsis aufgenommen.

"Wir sind fassungslos über die gefühllose und wissenschaftsfeindliche Art und Weise, wie Trump und RFK Jr. über autistische Menschen sprechen", sagt Tim Nicholls, stellvertretender Direktor für Politik, Forschung und Strategie bei der britischen National Autistic Society. "Wäre es nicht besser, wenn sie ihre enormen finanziellen Ressourcen dafür einsetzen würden, das Leben autistischer Menschen und ihrer Familien zu verbessern, und das Verständnis für Autismus in der Gesellschaft zu erhöhen?"

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Bird sagt, dass "Spannungen" in der Art und Weise, wie Menschen über Autismus denken und ihn erforschen, weit verbreitet sind, insbesondere wenn es um die Idee geht, Fallzahlen zu reduzieren, Autismus zu heilen oder gar, ihn auszurotten.

Einige Organisationen sagen, dass Autismus keine Krankheit sei und es daher nichts zu heilen gebe, so Yardley von Child Autism UK.

Andere Stimmen wiederum argumentieren, dass diejenigen, die sagen, Autismus sei keine Krankheit, "eine große Anzahl von Menschen mit Autismus übertönen, die das Gefühl haben, ihr Leben wurde durch Autismus negativ beeinflusst", sagt Bird.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Englisch

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