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Volkswagen: Druck von allen Seiten

8. Oktober 2024

Volkswagen verkauft weniger Autos und muss sparen. Die Mitarbeiter aber wollen mehr Geld und Sicherheit. Dabei sind die Lohnkosten bei VW schon die höchsten der Branche. Wird VW in die Zukunft fahren können?

Deutschland I Hannover - IG Metall Protest VW beim Beginn der Tarifverhandlungen
Die VW-Beschäftigten machten ihrem Ärger Luft beim Beginn der Tarifverhandlungen am 25. SeptemberBild: Ronny Hartmann/AFP

Den deutschen Autobauern fehlt die Kundschaft. Im ersten Halbjahr ist der Umsatz der Branche um 4,7 Prozent zurückgegangen - ein Jahr vorher hatte sie sich noch über Rekordumsätze gefreut. Auch E-Autos werden seit Anfang des Jahres weniger gekauft. Inzwischen haben Volkswagen, die Sportwagentochter Porsche, BMW, Mercedes und Stellantis (der Mutterkonzern von Opel) ihre Erwartungen an das Geschäftsjahr reduzieren müssen.

Vor allem die Situation bei Volkswagen (VW) schlägt hohe Wellen, weil der Konzern eine besondere Stellung innehat. Schon allein aufgrund seiner schieren Größe - VW ist der zweitgrößte Autobauer der Welt - aber auch, weil die Politik mit im Spiel ist. Volkswagen ist zwar an der Börse gelistet, 20 Prozent der Aktien hält aber das Land Niedersachsen.

Die Mitarbeiter von VW protestierten im September für ihre Arbeitsplätze und fordern mehr LohnBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Spezieller Haustarifvertrag bei VW

Beim Umgang mit den Mitarbeitern ging VW Sonderwege. Nach der Privatisierung 1960 und dem Teilbörsengang hat sich VW keinem Flächentarifvertrag angeschlossen, sondern mit der IG Metall einen eigenen Tarifvertrag vereinbart, der nur für VW-Mitarbeiter gilt. Die vereinbarten Löhne lagen immer deutlich über dem Niveau des Flächentarifvertrages der Metallindustrie. Besonders war auch, dass die Menschen bei Volkswagen seit dreißig Jahren eine Jobgarantie hatten, die noch bis 2029 laufen sollte. Das ist nun vorbei.

Der Volkswagen-Konzern, der in Deutschland 120.000 Menschen beschäftigt, hat eine Reihe von Tarifverträgen innerhalb des Haustarifvertrages gekündigt, darunter die Beschäftigungssicherung. Einige der zehn deutschen Werke könnten geschlossen werden.

Volkswagen in der Krise

Dabei hatte Deutschlands größter Autobauer 2023 noch einen Gewinn von über 18 Milliarden Euro eingefahren und viereinhalb Milliarden Euro für Dividenden ausgeschüttet.

Trotzdem wurde bereits im vergangenen Jahr ein Effizienzprogramm aufgelegt mit dem Ziel, zehn Milliarden Euro bis 2026 zu sparen, um so die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Inzwischen will der Konzern noch mehr sparen. Der Umsatz werde in diesem Jahr wohl 320 Milliarden Euro betragen, erklärte der Konzern Ende September, das wären etwa zwei Milliarden weniger als im Vorjahr.

Volkswagen hat den Standort Emden auf E-Mobilität umgerüstet: Das Werk ist aber - wie andere auch - nicht voll ausgelastetBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Produktion ist zu niedrig

Der Autoabsatz in Europa sei deutlich gesunken und liege um zwei Millionen Autos unter dem Vor-Corona-Niveau, so Finanzchef Arno Antlitz. Für VW heiße das, der Konzern verkaufe eine halbe Million Autos weniger. Das entspreche der Produktion von zwei Werken.

Ein Problem, das nicht nur VW hat. Die Werke der deutsche Autobauer seien im Schnitt zu ungefähr zwei Dritteln ausgelastet, sagt Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach im Gespräch mit der DW. Wann ein Werk profitabel ist, hängt unter anderem vom dort gebauten Modell ab, "aber man kann so grundsätzlich sagen, die Auslastung muss eigentlich über 80 Prozent liegen", so der Autoexperte.

Besonders schlecht sieht es in Westeuropa aus, in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien, wie die Wirtschaftswoche berichtet. Dagegen wird in Ländern wie Spanien, der Türkei, der Slowakei und Tschechien immer noch eine Auslastung von 79 Prozent erzielt. In diesen Ländern sind die Löhne niedriger als in Deutschland.

Hohe Arbeitskosten in Deutschland

In den Werken in Deutschland sind die Arbeitskosten dagegen so hoch wie in keinem anderen Land. Sie lagen 2023 bei über 62 Euro pro Stunde, wie der Branchenverband VDA angibt. Im Vergleich dazu liegen sie in Spanien bei 29 Euro, in Tschechien bei 21 Euro und in Rumänien bei nur zwölf Euro.

Trotz der hohen Löhne wurden 2023 nirgendwo in Europa in absoluten Zahlen mehr Pkw produziert als in Deutschland - allerdings mit sinkender Tendenz. Inzwischen ist die Produktion im Vergleich zu 2018 rund 25 Prozent niedriger, so Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Von den über vier Millionen produzierten Pkw waren knapp ein Viertel rein elektrisch.

Prämienmodelle machten lange Made in Germany möglich

Die teure Produktion in Deutschland war bisher möglich, weil die Hersteller lange auf teure Prämienmodelle gesetzt haben. Etwa drei Viertel der Autos wurden exportiert. So konnten hochpreisige Fahrzeuge trotz hoher Kosten in Deutschland gefertigt werden. Im Schnitt ging jeder fünfte exportierte Wagen nach China.

In China sind die Premiummodelle von VW nicht mehr so interessant wie vor ein paar JahrenBild: Pedro Pardo/AFP

Mit günstigen Modellen, die in großen Stückzahlen verkauft werden, bei denen aber die Marge geringer ist, wäre eine Produktion in Deutschland nicht möglich gewesen, so eine Studie des IW. Deswegen hätten beispielsweise die französischen und italienischen Hersteller ihre Produktion schon länger an günstigere Standorte verlegt.

Auch Autoexperte Bratzel sieht das ähnlich: "Es ist einfach extrem schwer, am Standort Deutschland günstige Fahrzeuge, auch günstige Elektrofahrzeuge zu produzieren." Zuletzt habe das die Firma e.Go in Aachen versucht und sei dabei insolvent gegangen.

China verdrängt andere Autobauer aus dem Markt

Eng wird es für die deutschen Autobauer auch, weil in den vergangenen Jahren in China eine neue Konkurrenz herangewachsen ist - im E-Autobereich und auch im Premiumsegment. "Fast ein Drittel der weltweit gebauten Kraftfahrzeuge kommen inzwischen aus chinesischen Fabriken, die weitaus billiger produzieren, als es hierzulande möglich wäre", so Puls vom IW.

Während die deutschen Autobauer sich noch behaupten konnten, haben andere westeuropäische Autoproduzenten bereits seit der Jahrtausendwende schmerzhaft zu spüren bekommen, dass in Asien - und hier vor allem in China - immer mehr Fahrzeuge produziert und verkauft wurden. Schaut man auf Westeuropa ohne Deutschland, dann sank die Pkw-Produktion in diesem Zeitraum um knapp 40 Prozent. In Frankreich und Italien rollten nur noch halb so viele Wagen vom Band wie im Jahr 2000.

Außerdem haben die deutschen Hersteller durch die Umstellung auf E-Mobilität ihren technologischen Vorsprung, den sie im Bereich der Verbrennermotoren hatten, eingebüßt. "Zudem öffnet der Technologiewandel die Tür für Markteintritte neuer Wettbewerber, deren Kernkompetenzen im Bereich der Batterie- und Elektrotechnik liegen", so die Studie des IW.

Hinzu komme, dass die Autobauer im Bereich Elektromobilität erst einmal Erfahrungen sammeln mussten, erläutert Bratzel. In der Anfangszeit seien die Kosten höher. "Das ist auch der Grund, weswegen in China die Situation deutlich besser ist, weil die schon sehr viel mehr Erfahrungen gesammelt haben und auch entsprechend Effizienzverbesserungen umgesetzt haben", so Bratzel.

CO2 Grenzwerte der EU verschärfen sich

Als wäre das alles nicht genug, läuft der VW-Konzern, der in China vor allem Benziner verkauft, nun Gefahr, die verschärften CO2-Grenzwerte der EU nicht einhalten zu können. Das würde Strafzahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen. Statt auf die Strafzahlungen zu warten, könne VW aber auch das Geld dafür verwenden, die Preise für seine Elektrofahrzeuge deutlich zu reduzieren, um so den Absatz von Elektrofahrzeugen zu erhöhen und die Grenzwerte doch noch einzuhalten, gibt Bratzel zu bedenken. Beide Varianten sind teuer.

Die Flottenziele der EU sollen schrittweise verschärft werden: Der aktuelle Wert von durchschnittlich 115,1 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer und Fahrzeug soll 2025 auf 93,6 Gramm und im Jahr 2030 auf 49,5 Gramm sinkenBild: Getty Images/S. Gallup

Angesichts dieser Probleme will der VW-Konzern nun bei seinen Mitarbeitern sparen. Die Gewerkschaft IG Metall fordert dagegen höhere Löhne: sieben Prozent mehr für die Beschäftigten, keine betriebsbedingten Kündigungen und keine Werksschließungen.

Das VW-Management habe Charts vorgelegt, welche den Deutschland-Malus von Volkswagen deutlich machen sollten, erklärte die IG Metall im Anschluss an die ersten Verhandlungsrunde. Hohe Personalkosten seien aber nicht alles. Management-Fehler, gravierende Fehleinschätzungen der Vergangenheit und Belastungen wie der Dieselskandal seien nicht erwähnt worden, so die Gewerkschaft. Und die lägen nicht in der Verantwortung der Mitarbeiter.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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