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Autoindustrie: Ohne Startups geht immer weniger

13. März 2017

Carsharing, Robocabs, App-basierte Dienste – Digitale Startups mischen die etablierte Automobilbranche auf. Für Rivalität bleibt indes keine Zeit, sonst riskieren die (noch) erfolgreichen Autobauer ihre Zukunft.

USA Technikmesse CES 2017 -
Bild: Getty Images/AFP/

"Kostenfrei von einem Berlinale Event zum nächsten" – unter diesem Slogan boten der Autokonzern Audi und das Berliner Startup door2door (D2D) während der Internationalen Filmfestspiele im Februar einen Fahrdienst an, der seinen Nutzern nicht nur Taxikosten ersparen, sondern auch ein neues Gemeinschaftserlebnis bieten wollte. Die Idee hinter dem "allygator shuttle" ist einfach: Wer eine ähnliche Route hat, kann sich die Fahrt auch mit anderen teilen. Audi stellte mit 20 Fahrzeugen die Hardware, das Startup bot mit seiner App "allygator" die entsprechende Software an, über die Nutzer ihre Fahrt auf dem Smartphone buchen konnten.

Mehr als 6000 Passagiere wurden an elf Abenden befördert, die Autos legten 32.000 Kilometer zurück. "Unsere Vision ist die autofreie Stadt", so lautet der Slogan von D2D. Dessen Chef Tom Kirschbaum ist angesichts von Verkehrschaos und zu hohen Emissionen überzeugt, dass es in die Richtung gehen wird. "Die großen Städte haben ein brutales Interesse daran, dass weniger Fahrzeuge unterwegs sind und werden dafür sorgen, dass es in Richtung Kollektivierung geht." Wenn man den Menschen einen komfortablen Transport von Tür zu Tür anbiete, würden Privatwagen in Städten überflüssig.

Ideen, die die Welt verändern

Tatsächlich hat ein von der OECD begleiteter Feldversuch in Lissabon gezeigt, dass sich einhundert Autos, die jeweils eine Person befördern, bei entsprechendem Mobilitätsmanagement durch drei Shuttle-Busse ersetzen lassen. Doch was viele Menschen begeistert,  kommt für die Autohersteller einer Kampfansage gleich. "Es passiert, und deswegen sind wir gut beraten uns diesem Trend zu stellen", konstatiert Kay Lindemann, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie. Seine Branche habe zum Glück nicht das Schicksal der Musikindustrie ereilt. "Der Wunsch nach Mobilität wird sich nicht in einer Datenwolke auflösen und uns mit einem Urknall an den Rand drängen, sondern das Produkt bleibt ein anfassbares Auto."

Musik kommt heute aus der DatenwolkeBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Nur – wie viel Wertschöpfung wird in Zukunft noch in der Herstellung der Fahrzeuge liegen? Das Geschäft wird nicht mehr mit dem Auto gemacht werden, sondern mit der Mobilität, mit Nutzeranwendungen, Software, Algorithmen. Ein Feld, das von Startups, von jungen Technologieunternehmen dominiert und angetrieben wird. Versuchten die Autokonzerne anfangs noch, vergleichbare digitale Innovationen in den eigenen Forschungslaboren zu entwickeln, setzt sich inzwischen die Erkenntnis durch, dass es vielversprechender ist, mit den Tech-Unternehmen zu kooperieren und gemeinsam Innovationen zu entwickeln.

Autokonzerne werden sich kannibalisieren

Jörg Rocholl, Präsident der internationalen Wirtschaftshochschule ESMT in Berlin, hält diesen Weg für erfolgversprechend. "Dadurch dass wir in Deutschland eine sehr starke Automobilindustrie haben, bestehen besonders gute Voraussetzungen, durch die Hinzunahme besonders innovativer Unternehmen und Ideen diese Dinge noch zu stärken." Umstürze seien dabei allerdings programmiert. "Sei es, dass man im Unternehmen neue Gedanken aufbringt, um dann am Ende den Marktanteil zu halten, selbst wenn es das alte Produkt kannibalisiert." Davon geht auch D2D-Geschäftsführer Kirschbaum aus. "Startups sind Stachel im Fleisch, sie stellen Dinge in Frage."

VW Konzept-Entwurf für autonomes FahrenBild: picture alliance/dpa/U. Deck

Jörg Rocholl sieht Deutschland in der Digitalisierung grundsätzlich in einer starken Startposition. Das Wissen ist da, es hapert an der Umsetzung. Ein Beispiel: 58 Prozent aller weltweit von Zulieferern und Herstellern angemeldeten Patente für autonomes Fahren kommen aus Deutschland. Die Geschäfte werden aber woanders gemacht. Man müsse jetzt gemeinsam Gas geben, fordert VDA-Geschäftsführer Lindemann. "Jeder weiß, dass die Innovationsgeschwindigkeit dramatisch erhöht werden muss."

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Einfach ist das nicht, prallen doch zunächst ganz unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander. Eingesessene Unternehmen sind durch Hierarchien, Bürokratie und lange Produktzyklen geprägt und nicht von Softwareupdates im Wochen- oder Monatsrhythmus. "Alle müssen sich aufeinander zubewegen", meint Lindemann. Tom Kirschbaum setzt auf die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. "Jeder kann vom anderen lernen." Die Konzerne seien große Spieler und wüssten immer alles am besten, was ihr Geschäft angeht. "Die müssen nun eine gewisse Bescheidenheit und Realität mitbringen." Das gelte aber auch für seine Industrie, die Startups. "Wir können auch nicht sagen, wir sind die Coolen und die Hippen und wissen alles am allerbesten."

Grundsätzlich können beide Seiten mit der Zusammenarbeit nur gewinnen. Für die Konzerne sind die jungen Unternehmen so etwas wie externe Forschungsabteilungen, nur viel effektiver. Die Startups erhalten in den Konzernen Zugriff auf materielle und finanzielle Ressourcen, die sie sich alleine nicht leisten können.

"Ihr seid Marktführer"

Gregor Gimmy, der für BMW die "Startup Garage" im Konzern aufgebaut hat, interpretiert den Begriff Augenhöhe aber noch ein wenig anders. Die Konzerne müssten anerkennen, welche ungeheure Leistung die jungen Technologie-Unternehmen bringen würden. "Man sollte einfach mal anfangen, den Begriff Startup gar nicht mehr zu benutzen, sondern einfach sagen, Ihr seid Marktführer und ihr braucht nicht unsere Hilfe, sondern wir brauchen Eure Hilfe, weil ihr etwas macht, was sonst niemand kann." Darin bestehe die tatsächliche Augenhöhe.

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