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Wenn Lobbyarbeit nach hinten losgeht

Nicolas Martin
30. Januar 2018

Im Auftrag der Automobilindustrie haben Forscher an Affen die Verträglichkeit von Schadstoffen getestet. Die Konzerne distanzieren sich. Doch Auftragsstudien als Lobby-Instrument sind keine Seltenheit.

Deutschland Tierexperimentelle Forschung der Uni Münster
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Die Schilderungen der vergangenen Tage sind das Gegenteil einer guten Image-Kampagne: Zehn Affen, eingesperrt in kleinen Kammern, den Abgasen eines VW-Beetles direkt ausgesetzt, vier Stunden Inhalationszeit, zur Beruhigung ein Fernseher auf dem Cartoons zu sehen sind - so fasst die "New York Times" die Schilderung von Jake McDonald, dem Chefwissenschaftler der Versuche, zusammen. "Sie schauen gerne Cartoons", erzählt der bei einer Anhörung vor einem US-Gericht in Folge einer Klage gegen den deutschen Autobauer VW.

Die Tests waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung bei Neuwagen deutlich zurückgegangen ist. Dabei geht es vor allem um Stickstoffdioxid (NO2), der Schadstoff, dessen Messwerte von VW in den USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten.

Konzerne nehmen Abstand zum EUGT

Zu den Affentests kommen nun noch Berichte über Versuche an Menschen an der Universitätsklinik Aachenhinzu. 25 gesunde Probanden wurden für drei Stunden Stickstoffdioxid (NO2) ausgesetzt. Zwar lag Fokus - anders als bei den Affenexperimenten- vordergründig auf der Belastbarkeit am Arbeitsplatz, dennoch reagieren die Autokonzerne sachlich angewidert auf die Experimente, die sie zumindest indirekt selbst finanzierten.

Abgastests an Menschen

01:21

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"Es wäre besser gewesen, auf eine solche Untersuchung von vorneherein zu verzichten", schreibt VW in einer Stellungnahme. "Wir verurteilen die Versuche auf das Schärfste", heißt es bei Daimler. Die Konzerne sind in Erklärungsnot, denn der Auftrag für beide Versuche kam von der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT). 

Rückblick: 2007 gründeten die vier großen deutschen Mobilitätsriesen - BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch - die EUGT. Offiziell mit dem Ziel, die Auswirkungen des Verkehrs auf Menschen und Umwelt vorurteilsfrei zu untersuchen, wie es in einer der ersten Pressemitteilungen aus dem Jahr 2008 zu lesen ist.

Umstrittenes Führungspersonal

"Die EUGT ist uns schon 2017 aufgefallen", sagt Christina Deckwirth vom gemeinnützigen Verein Lobbycontrol in Köln im DW-Interview. Damals ging es um den Untersuchungsausschuss infolge des Abgasskandals, bei dem auch der Vorsitzende der EUGT-Forschungsbeirats, Helmut Greim von der TU-München, als Sachverständiger in Erscheinung getreten ist. Lobbycontrol warnte vor einem Interessenskonflikt: "Der Vorsitzende einer Lobbyorganisation für den Diesel kann kein objektives Urteil über die Schädlichkeit des Diesels fällen", sagt Deckwirth von Lobbycontrol. 

Helmut Greim erhält von Barbara Hendricks die höchste deutsche Ehrung für BürgerBild: BMUB/S. Hilgers

Helmut Greim gilt einigen als umstritten und hoch dekoriert. Der Toxikologe saß bereits in etlichen Ausschüssen als Sachverständiger und urteilte über die Gesundheitsrisiken von Industrieschadstoffen. Zuletzt trat er auch als unabhängiger Sachverständiger im Fall Glyphosat auf. Greim gab Entwarnung: "Es ist nicht Krebs erzeugend", hieß es von dem Forscher. Ein bitterer Beigeschmack: Für eine Glyphosat-Studie erhielt Greim auch Geld vom Pestizid-Produzenten Monsanto, wie Recherchen des ARD-Magazins Monitor belegen. 2015 bekam Greim von Umweltministerin Barbara Hendricks das Große Verdienstkreuz mit Stern überreicht - für sein langjähriges wissenschaftliches Engagement auf dem Gebiet der Toxikologie und Umwelttoxikologie, wie es auf der Seite der Technischen Universität München heißt.

Lobby-Instrument Auftragsstudien

Auf eine Anfrage der DW widerspricht Greim dem Vorwurf der Lobbyarbeit. "Der EUGT war zwar eine von der Automobilindustrie finanzierte Institution, der wissenschaftliche Beirat arbeitete jedoch völlig unabhängig, irgendwelche Einflussnahmen durch den Vorstand von EUGT hätten wir zurückgewiesen", schreibt Greim in einer Antwortmail.

Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbycontrolBild: Lobby Control/E. Haeberle

Für Christina Deckwirth von Lobbycontrol sei hingegen schon vor einigen Jahren bei der Sichtung der Homepage klar gewesen: "Es ging um Greenwashing für den Diesel." Auch die Strategie von Unternehmen, über wissenschaftliche Organisationen und Studien, den Diskurs zu beeinflussen sei nicht neu. So vergibt die Ölindustrie in den USA über Organisationen auch immer wieder Studien zur Klimaverträglichkeit von CO2. Auftragsstudien sind für Deckwirth ein klassisches Lobby-Instrument: "Gesundheitliche Schäden kleinreden: Das erinnert mich ganz stark an die Methoden der Tabakindustrie. Damit wollen die Konzerne Regulierung eingrenzen, um das Produkt besser vermarkten zu können."

In diesem Fall ist der EUGT wohl über das Ziel hinaus geschossen. Das glaubt auch Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte an der Universität Duisburg Essen. "Die Versuche an Affen, waren schon an der Grenze dessen, was die Dummheit der Menschheit erlaubt." Man könne nicht im Ernst glauben, über Tierversuche Autos in den USA zu verkaufen. Die Glaubwürdigkeit der Automobilbranche sei ohnehin durch den Abgasskandal schon schwer beschädigt, sagt Dudenhöffer im Gespräch mit der DW.

Im Zeitalter der autonomen Fahrzeuge müsse man dieses Vertrauen wieder zurückgewinnen. Die Branche habe wegen "solcher schrägen Dinge" nicht nur ein Vergangenheitsproblem, sondern "wir verbauen uns auch einen Großteil der Zukunft".

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