Automesse IAA: Viele Appelle, kaum Kritik
12. September 2019Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei der Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main an die Verantwortung der Autobauer appelliert. Deutschlands "hohe Mobilität hat ihren Preis, wenn nicht effizientere, klimafreundlichere Fahrzeuge hergestellt werden", mahnte sie.
Die europäischen Klimaziele für 2030 seien eine "Riesenherausforderung". Diese Ziele zu erreichen, "ist eine Herkulesaufgabe für Sie und für uns", sagte Merkel an die Autohersteller gerichtet.
Seit 1990 sei "keinerlei CO2-Reduktion in der Gesamtmenge des Verkehrs" erreicht worden, zusätzlich hätten unzulässige Abschalteinrichtungen mitten in einem "riesigen Wandel" der Mobilität zu einem Vertrauensverlust bei den Kunden geführt.
Fehlende Infrastruktur
Merkel sprach sich zudem für einen schnellen Ausbau der Infrastruktur aus. Die Verlässlichkeit der Ladeinfrastruktur sei für den Erfolg der Elektromobilität von größter Bedeutung. 20.000 Ladepunkte seien noch lange nicht ausreichend. "Wir können das schaffen, als Deutschland vorne mit dabei zu sein", sagte Merkel.
Die Kanzlerin kündigte auch an, dass bis 2022 entlang aller Autobahnen der neue Mobilfunkstandard 5G zur Verfügung stehen werde, und zwei Jahre später auch entlang der Bundesstraßen. Die Technologie ist wichtig für neue digitale Funktionen in den Autos.
Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, sprachen zur Eröffnung der Messe. Die Autoindustrie befinde sich in der "tiefgreifendsten Transformation, die unsere Branche jemals bewältigen musste", sagte Mattes.
Und er gab zu: "Ja, zu viele Fahrzeuge in der Stadt beeinträchtigen unsere Lebensqualität durch Lärm, Abgase und Flächenverbrauch." Überregulierungen seien aber keine Lösung; Verbotsdiskussionen gefährdeten "die Akzeptanz und damit den Erfolg der Transformation". Außerdem kritisierte der VDA-Präsident, der Ausbau erneuerbarer Energien und der "Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum" gehe zu langsam voran.
"Mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs"
Nicht sprechen durfte dagegen der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Der Autoverband VDA, der die Messe veranstaltet, habe das Protokoll geändert, sagte Feldmanns Büroleiter Nils Bremer der Zeitung "Frankfurter Rundschau" sowie dem "Hessischen Rundfunk".
Wie beide Medien unter Berufung auf ein entsprechendes Redemanuskript aus dem Bürgermeisterbüro berichten, wollte sich Feldmann bei der IAA-Eröffnung kritisch mit der Automobilindustrie auseinandersetzen. "Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs", war demnach eine seiner Forderungen im Manuskript. Außerdem wollte der Oberbürgermeister den Berichten zufolge Demonstranten gegen die IAA loben.
Der VDA hatte dem "Hessischen Rundfunk" gegenüber erklärt, Feldmann sei - anders als in den Vorjahren - in diesem Jahr von vornherein nicht als Redner vorgesehen gewesen. Stattdessen sei Hessens Ministerpräsident Bouffier (CDU) auch als Vertreter der Stadt Frankfurt bei der Eröffnung anwesend.
"Irgendwo zwischen Ebola und nordkoreanischen Raketen"
Die IAA steht in diesem Jahr stark unter Druck. Die Zahl der Aussteller sank von knapp 1000 auf der letzten IAA 2017 auf gut 800 in diesem Jahr, auch die Ausstellungsfläche ist etwa 16 Prozent kleiner. "Es geht nicht mehr um Quadratmeter, sondern um mediale Reichweite", hatte VDA-Chef Mattes vor der Eröffnung gesagt.
Diese mediale Aufmerksamkeit wollen auch Autogegner nutzen, die für das Wochenende massive Proteste gegen die Klimabelastung durch die Autoindustrie angekündigt haben. Klimaschützer werfen der Industrie vor, den Wandel zur Elektromobilität nicht voranzutreiben.
Die Betriebsratschefs der Autobauer BMW, Daimler und Volkswagen warnten zum Messeauftakt dagegen vor einer Dämonisierung der Autoindustrie. "In der öffentlichen Diskussion bekommt man im Moment den Eindruck, das Auto sei nichts als ein einziges Risiko. In der Gefahrenskala liegt es irgendwo zwischen Ebola und nordkoreanischen Raketen", sagte der oberste VW-Arbeitnehmervertreter Bernd Osterloh dem "Handelsblatt".
Auch die Betriebsratsvorsitzenden von Daimler und BMW, Michael Brecht und Manfred Schoch, wandten sich gegen die zunehmende Kritik an Autos und speziell an Stadtgeländewagen (SUVs). Die Branche bewege sich, indem sie Elektrifizierung des Verkehrs vorantreibe, sagte Schoch.
Bald nur noch emissionsfrei?
Der Donnerstag ist der erste von zwei Fachbesuchertagen, am Samstag kann dann auch das breite Publikum die Neuheiten auf der größten Automesse der Welt sehen.
Grünen-Chef Robert Habeck hatte im Vorfeld ein grundlegendes Umsteuern in der Politik verlangt. "Es braucht die klare gesetzliche Vorgabe, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Bis dahin müssen jährlich steigende Quoten für emissionsfreie Autos den Weg ebnen", sagte Habeck der "Rheinischen Post".
Zudem sollte die Kfz-Steuer grundlegend reformiert und streng am CO2-Ausstoß und am Energieverbrauch ausgerichtet werden, sagte Habeck. Kleine, energiearme Autos sollten entlastet, energiefressende Wagen wie SUVs deutlich höher besteuert werden. Es sei nichts gewonnen, wenn die Autokonzerne weiter immer mehr geländewagenartige Autos produzieren, selbst wenn diese mit Strom statt mit Sprit fahren, so Habeck.
bea/tko (dpa, afp)