Lastwagen verursachen immer wieder schwere Unfälle. Das soll ein Ende haben. Das Zauberwort heißt autonomes Fahren – dabei wird der LKW per Autopilot gesteuert. Erstmals hat man das jetzt in Deutschland getestet.
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Zum ersten Mal ist in Deutschland heute ein vom Computer gelenkter Lastwagen über eine öffentliche Straße gerollt. Das ganze war eine Aktion des Autokonzerns Daimler. Bei dieser Premiere saß Daimler-Nutzfahrzeugvorstand Wolfgang Bernhard allerdings noch am Steuer – so wie es das Gesetz in Deutschland derzeit vorschreibt. Beim sogenannten "teilautonomen" Fahren muss ein Mensch weiter im Cockpit sein und jederzeit eingreifen können.
Während der Fahrt schaltete Bernhard den Autopilot ein, der für den Großteil der Testfahrt auf der Autobahn 8 bei Stuttgart die Steuerung übernahm. Bis solche Autopilot-Funktionen im großen Stil in den Markt kommen, dürfte es aber noch Jahre dauern. Daimler-Manager Bernhard bezeichnete die Testfahrt als wichtigen Schritt hin zu marktreifen Autopilot-Lastern. Im Flieger, so der Daimler-Manager, sei ein Mensch für Starts und Landungen zuständig, in der Luft werde dann aber auf Autopilot umgeschaltet - ähnlich könnte dies auch im Lkw-Verkehr sein.
Lastwagenfahrer könnte während der Autobahnfahrt lesen
Daimler nennt die vom Konzern entwickelte Technik "Highway Pilot". Zu den Vorteilen sagt Wolfgang Bernhard: "Der Highway Pilot bringt mehr Sicherheit, weil er immer zu hundert Prozent da ist, er wird nie abgelenkt, er wird nie müde, er lässt in der Konzentration nicht nach - das heißt: mehr Sicherheit." Zudem sinke der Spritverbrauch, weil gleichmäßiger und damit effizienter gefahren werde.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann war als prominenter Beifahrer mit an Bord des selbstfahrenden LKW. Der Politiker der Grünen signalisierte seine Unterstützung zu etwaigen Gesetzesänderungen, die notwendig sind für die Markteinführung der Autopilot-Lastwagen. Bisher muss der Fahrer beide Hände am Steuer haben, künftig soll er sich aber mit anderen Dingen beschäftigen können, etwa Lesen. Bei den Daimler-Testfahrten ist dies noch nicht der Fall, hier muss der Fahrer zwar nicht die Hände am Steuer haben, er muss aber weiter die Straße im Blick haben.
Wer haftet, wenn es doch einen Unfall gibt?
Es gibt allerdings noch eine Reihe kritischer Punkte, die vor einer gesetzlichen Erlaubnis des autonomen Fahrens zu klären sind. Vor allem über Datenschutz-Aspekte und Haftungsfragen ist noch nicht entschieden. Wer ist beispielsweise schuld, wenn doch ein Unfall passiert? Bernhard sagte, im jetzigen Stadium sei dies eindeutig noch der Fahrer, der ja die Kontrolle über die Lenkung habe. Auf der nächsten Stufe - wenn also der Fahrer nicht mehr auf die Straße sehen muss - müsse man solche Fragen noch klären.
Das Auto denkt, das Auto lenkt
Autos könnten schon heute "autonom" fahren, also ohne einen Fahrer. Eine Einführung der Auto-Roboter ist aber umstritten: Was, wenn es zum Unfall kommt? Und: Wollen die Menschen, dass ein Auto für sie denkt und lenkt?
Bild: media.daimler.com
Reise vom Silicon Valley nach Las Vegas
Dieser Audi A7 ist voller Sensoren. Anfang 2015 fuhr das Auto selbständig den kompletten Weg vom Silicon Valley zur Technikmesse CES in Lag Vegas. 900 Kilometer lang war der Road-Trip über den Highway. Der Steuermann war nur für den Notfall an Bord - eingreifen musste er bei dieser Fahrt nicht.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Fets/Audi AG
Richtig gemütlich!
Dieser Prototyp von Mercedes Benz trägt den Namen F015 und zeigt in allen Konequenzen, wie ein autonomes Auto aussehen könnte: Ein Fahrersitz ist überflüssig. Stattdessen können sich alle Insassen während der Fahrt anschauen und gemütlich unterhalten. Auch dieses Forschungsfahrzeug wurde in Silicon Valley entwickelt. Seine Maximalgeschwindigkeit liegt zurzeit bei 200 km/h.
Bild: media.daimler.com
Nichts für ungeduldige Typen
Eigentlich sind autonome Fahrzeuge sehr sicher. Sie sind so programmiert, dass sie im Zweifelsfall eher die Fahrt verlangsamen. Sie halten definitiv den vorgegebenen Sicherheitsabstand ein und gefährden andere Verkehrsteilnehmer nicht durch aggressive Fahrmanöver, wie etwa dieser Raser.
Bild: imago/Jochen Tack
Gemütlich immer hinterher
Diese beiden autonomen Wagen der Universität der Bundeswehr in München machen es vor: Ganz entspannt fährt ein Wagen vorneweg, der andere folgt ganz treu, immer hinterher. Sie finden ihren Weg sogar in unbefestigtem Gelände auf Wegen, die sie vorher nicht kannten. Das zeigt eine Übung auf dem ELROB Roboterwettbewerb 2012.
Bild: DW
Das wäre nicht nötig gewesen
Zu solchen Massenkarambolagen kommt es, wenn Menschen zu schnell fahren, schlechte Sicht haben und nicht genügend Sicherheitsabstand einhalten. Klug gebaute Roboter-Autos würden solche Fehler nicht machen. Wären viele von ihnen vernetzt, könnten sie sogar schon Kilometer vorher Signale an nachfolgende Autos schicken: Vorsicht Stau!
Bild: picture-alliance/dpa
Sensoren für alle Gefahren-Typen
Roboter-Autos können unterschiedliche Augen nutzen, um ihre Umwelt zu erkennen. Ein von Google entwickeltes autonomes Auto nutzt zum Beispiel solch einen Lasersensor. Der dreht sich und tastet dabei seine Umgebung mit einem Laserstrahl dreidimensional ab.
Bild: DW/Fabian Schmidt
Die echte Welt aus Laser-Sicht
Und so sieht das dann aus: Der Wagen der Universität der Bundeswehr fährt durch unwegsames Gelände. Der Laser entwirft eine dreidimensionale Karte, die er in den Computer einfüttert. So kann man sogar die Perspektive eines Außenstehenden einnehmen und dem Wagen bei seiner Entdeckungsfahrt zuschauen.
Bild: Universität der Bundeswehr/TAS
Orientierung per Satellit, Radar und Auge
Roboter können sich auch mit vielen anderen Mitteln im Feld orientieren. Zum Beispiel mit optischen Augen - wie dieser handelsüblichen USB-Kamera - oder kleinen Radar-Sensoren. Auch die Positionsbestimmung per Satellit ist für Autos wichtig - über GPS-Daten.
Bild: DW/Fabian Schmidt
Sehende Autos - Zukunftstechnologie aus Deutschland
Mit optischen Kameras arbeiten auch Forscher bei Daimler. Für die Erfindung sehender Autos wurden sie 2011 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Diese Kamera ist hinter der Windschutzscheibe eines Mittelklassewagens montiert. Aufmerksam verfolgt sie, was sich auf der Straße abspielt.
Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
Aus Bildpunkten wird Bewegung
Die optische Kamera erkennt zunächst tausende Bildpunkte - eine sogenannte Punktewolke. Aus der Bewegung einzelner Bildpunkte errechnet sie Vektoren - also Bewegungspfeile. Verschiedene Vektoren sind unterschiedlich lang. Daraus entwirft der Bordcomputer ein komplexes Bewegungsbild des Verkehrs vor und neben dem Auto.
Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
Abbremsen oder ausweichen?
Indem der Bordcomputer die Vektoren herausfiltert, die bei der Fahrtgeschwindigkeit des Autos ungewöhnlich verlaufen, kann er Gefahren erkennen: Ein Fußgänger läuft von rechts vor das Auto und wird orange markiert. Im Hintergrund entfernt sich ein anderes Auto. Die Bewegungspunkte sind grün - keine Gefahr. So kann der Wagen reagieren, falls der Fahrer unaufmerksam ist.
Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz
Wer entscheidet - Computer oder Mensch?
Die Technik wäre also so weit. Aber die Frage, ob Roboter autonom auf den Verkehr losgelassen werden sollen, stellt Politiker und Juristen vor schwierige ethische Fragen: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Roboterauto einen Unfall baut: Hersteller, Software-Programmierer, Eigentümer oder Fahrzeugführer? Und wie sieht es außerhalb des normalen Straßenverkehrs aus?
Bild: DW/Fabian Schmidt
Wenn es für Menschen zu gefährlich wird
Zum Beispiel im Kriegseinsatz - wenn man Material von einem Ort zum anderen transportieren will. Oder nach einem Chemie- oder Nuklearunfall, wenn das kontaminierte Gebiet für Menschen zu gefährlich ist. Dafür bauen Entwickler autonome Fahrzeuge, die schon heute praktische Aufgaben erfüllen können, wie hier bei der polnischen Militärakademie.
Bild: DW/Fabian Schmidt
Leistungsschau autonomer Roboter
An der polnischen Militärakademie in Warschau fand im Sommer 2014 der Europäische Roboterwettbewerb ELROB statt. Fünf Tage lang konnten sich dort solche autonomen Fahrzeuge messen. Dieser Transporter der schweizerischen RUAG wurde erstmals 2012 in Thun in der Schweiz vorgestellt.
Bild: DW
Hände weg vom Steuer!
Fährt ein Fahrzeug ohne Fahrer auf eine Sprengfalle, geht zwar die Technik kaputt, doch zumindest kommt kein Mensch zu Schaden. Bei der ELROB-Übung musste allerdings noch jemand im Führerhaus sitzen, um den Not-aus-Knopf zu drücken, falls etwas schief ginge.
Bild: DW
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Unterdessen meldete sich auch ein Wettbewerber des Autobauers Daimler zum Thema autonomes Fahren zu Wort. Die Opel-Mutter General Motors erklärte, sie wolle ab Ende 2016 eine Flotte selbstfahrender Autos rund um Detroit testen. Die umgebauten Fahrzeuge des Modells Volt mit Elektro-Antrieb sollen Mitarbeitern eines GM-Forschungszentrums für Fahrten zur Verfügung stehen. Der Internetriese Google testet bereits seit 2009 selbstfahrende Fahrzeuge in Kalifornien und entwickelte inzwischen selbst den Prototypen eines elektrischen Zweisitzers mit Computer-Steuerung.