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Literatur

Das multikulturelle Tiflis im Krimi

Sabine Peschel
3. April 2017

Georgien ist im nächsten Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse. Den preisgekrönten Krimi "Royal Mary" gibt es schon jetzt auf Deutsch. DW sprach mit dem Autor über seine Begeisterung für Tiflis und dessen Geschichte.

Tiflis, Stadtansicht
Die Stadt Tiflis um 1900Bild: picture-alliance/akg-images

Abo Iaschaghaschwili wurde 1977 in Tiflis geboren. Er studierte in München und Berlin. Für seinen zweiten Roman "Royal Mary" wurde er 2015 mit dem SABA, dem wichtigsten georgischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Neben dem Schreiben arbeitet er auch als Bergführer. Mit der DW sprach er über seine Lust an der vielfältigen historischen Tradition seiner Heimatstadt und ihrer Bewohner.

Herr Khuphenia, Sie nennen sich als Autor Abo Iaschaghaschwili. Warum benutzen Sie dieses Pseudonym?

Abo Iaschaghaschwili: Das ist ein alter georgischer Name, in Tiflis hat man diesen Namen früher verwendet. Mir hat er gefallen, er klingt sehr interessant, und er passt sehr gut zu diesem Buch und den Büchern, die ich zu schreiben versuche - dieser Welt, die dort beschrieben ist.

Sie haben Ihren im Original 2014 in Tiflis erschienenen Roman "Royal Mary" im letzten Jahr auf der Leipziger Buchmesse bei einem sogenannten Book Pitch, einer kurzen Selbstdarstellung, vorgestellt. Jetzt ist der historische Krimi soeben im Verlag fotoTAPETA erschienen. Wie war denn die Zusammenarbeit mit einem deutschen Verlag?

Das waren meine ersten Erfahrungen, mit einem deutschen Verleger und für deutsche Leser zu arbeiten. Es war interessant für mich, und ich bin zufrieden. Die Übersetzerin hat viel beigetragen. Zusammen mit dem Verleger, Herrn Rostek, haben wir eine gute Mannschaft gebildet.

Lia Wittek hat den Text aus dem Georgischen ins Deutsche gebracht. Sie selbst haben in München studiert und sprechen gut Deutsch. Haben Sie an der Übersetzung mitgewirkt?

Ja, ich habe viel mitgearbeitet. Ich habe das Glück, dass ich, wenn ich Deutsch lese, verstehen kann, ob etwas schön klingt oder nicht. Das hat mir bei dieser Arbeit sehr geholfen, denn im Georgischen habe ich mich sehr um eine schöne Sprache bemüht. Deshalb bin ich sehr froh, dass Frau Wittek und Herr Rostek sich gut in die 'Seele' dieses Buchs eingefühlt haben.

Der Autor Abo Iaschaghaschwili in seiner Heimatstadt TiflisBild: Volker Dittrich

Royal Mary spielt Ende des 19. Jahrhunderts in Tiflis. Weshalb haben Sie einen historischen Schauplatz gewählt?

Das war für mich ein bisschen wie ein Spiel. Ich mag meine Stadt sehr, im 19. Jahrhundert war Tiflis eine sehr interessante Stadt mit sehr vielen Kulturen, die dort aufeinandertrafen und nebeneinander existierten. Ich wollte diese Vielfältigkeit zeigen. Gleichzeitig habe ich alle Bücher, die ich seit meiner Kindheit liebe, mit vielen Anspielungen in den Text integriert.

In der Zeit, in der das Buch handelt, 1889, hat sich historisch viel ereignet. Zum Beispiel ist der persische Schah Naser ad-Din in Tiflis angekommen. Er wollte nach Europa reisen, nach England. In alten Quellen habe ich seinen Zug durch Tiflis gesehen. Das hat mir sehr gefallen, wie er mit seinem asiatischen Gefolge durch das europäische Viertel zog, in dem zum Beispiel die deutschen Kolonisten, die Schwaben, viel gebaut hatten und damit die Stadt wesentlich geprägt haben. Dieser Kontrast von asiatischen und europäischen Welten war für mich sehr spannend. Diese Stimmung wollte ich in meinem Buch zeigen.

Die Deutschen haben viel in die Stadt mitgebracht. Gartenbaumeister wie der Schwabe Scharer zum Beispiel, der den berühmten Botanischen Garten von Tiflis maßgeblich mitgestaltet hat. Oder auch die Küfereien, die Kultur der Fässer - die Georgier hatten bis dahin für den Transport von Wein große Schläuche aus Büffelleder benutzt.

Sie haben in Ihrem Roman ungeheuer viele alltagshistorische Details beschrieben. Wie haben Sie den Feinkostladen von Nasarbekow oder die Konditorei Hähne in der Michaelstraße entdeckt?

All diese Geschäfte und Konditoreien existierten wirklich. Ich habe jahrelang in Archiven mit Quellen wie alten Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet, um diese alte Welt von Tiflis wieder lebendig zu machen. Es macht mir sehr große Freude, das alles zu sammeln und zusammenzubasteln. Das ist eine anstrengende, langwierige Arbeit. In diesem Buch sieht man nur die Spitze des Eisbergs.

Ihr Haupt-Protagonist ist Franzose. War ein Georgier zu uninteressant?

Georgiens Hauptstadt im 21. Jahrhundert Bild: DW/V. Witting

Das Ganze ist als kleine Serie angelegt. In meinem ersten Buch gab es einen Georgier, jetzt einen Franzosen, der gut in diese Welt passt, und im nächsten werden die beiden zusammentreffen. Der Franzose hat einen groben Russen als Partner, der aus einer ganz anderen Welt kommt. Dieser Kontrast macht die Bühne interessanter.

Was hat Sie gereizt, einen Krimi zu schreiben? Ein Buch um das verschwundene Rennpferd Royal Mary, "das beste Pferd im Kaukasus"? Nebenbei bringen Sie auch noch einen griechischen Pferdeknecht, einen Inder, einen Deutschen namens Grimmelshausen und einen als Frau verkleideten Künstler um!

Es war ursprünglich nicht mein Ziel, einen Krimi zu schreiben, aber das Genre gibt mir die Möglichkeit, das Buch spannender zu machen.

Georgiens von Zerstörung und Wiederaufbau gezeichnete Geschichte ist spannend und wechselhaft. Hätte es nicht einfach ein historischer Roman sein können?

In diesem Fall wollte ich unbedingt über die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts schreiben, eine faszinierende Zeit in Georgien. Für einen Autor ist es eine großartige Möglichkeit, die Vielfältigkeit der Kulturen zu beschreiben. Ich mag zum Beispiel Rudyard Kipling, der in seinen Erzählungen die englische und die indische Kultur nebeneinander beschreibt. Tiflis ist janusköpfig, sagte man früher, der eine Kopf blickte nach Europa, der andere nach Asien - man konnte im Opernhaus die Zauberflöte hören und dreihundert Schritte weiter einem persischen Schlangenbeschwörer begegnen. Eine Stadt der Kontraste.

In deutschen Medien ist wenig von Georgien die Rede und wenn, dann oft mit der Anmerkung, dass Georgien unbedingt in die Europäische Union wolle. Aber Berlin ist 3000 Kilometer entfernt, Teheran nur 1200. Merkt man den Drang nach Europa in der Kaukasus-Republik tatsächlich?

Bild: Edition.fotoTAPETA Berlin

Georgien ist immer ein christliches Land gewesen. Europa, das war für uns unser Nachbar Byzanz. Jahrtausende haben wir über Byzanz mit den westeuropäischen Ländern Kontakt gehabt. Diese Brücke haben wir leider im 15. Jahrhundert verloren. Danach gab es die Dominanz Persiens, des Osmanischen Reiches, dieser orientalischen Ländern. Und im 20. Jahrhundert natürlich die der Sowjetunion, die vieles in Georgien zerstörte. Die über Jahrtausende entstandene Kultur ist dadurch verschwunden.

Bücher und Autoren aus Georgien sind in Deutschland wenig bekannt. Welchen zeitgenössischen Autor - außer Ihnen natürlich - sollten noch wir kennenlernen?

Der beste zeitgenössische Schriftsteller, den wir meiner Meinung nach haben, ist Aka Morchiladse. Drei oder vier seiner Bücher sind schon ins Deutsche übersetzt. Er zeigt alle Facetten unserer Kultur.

Und worauf dürfen wir uns von Ihnen noch freuen?

Mein dritter Roman, der im November erschienen ist, heißt - ins Unreine übersetzt - "Die Verbrecher des alten Tilfis". Das ist auch ein Krimi, aber er ist geschrieben wie ein biografisches Wörterbuch von Kriminellen aus dem 19. Jahrhundert.

Das Gespräch führte Sabine Peschel.


Abo Iaschaghaschwili: "Royal Mary. Ein Mord in Tiflis", Edition fotoTAPETA 2017, 126 Seiten

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