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Autor Bahman Nirumand: "Iran steht am Abgrund"

10. Dezember 2020

Repressalien gegen politische Gegner, Willkür, Hinrichtungen, Korruption und Armut. Und dann noch Corona. Am Tag der Menschenrechte zeichnen iranische Oppositionelle ein düsteres Panorama von der Lage im Land.

Niederlande Den Haag | Protest Amnesty International | Freiheit für Nasrin Sotudeh, Anwältin Iran
Protest für die Freilassung der iranischen Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh in Den HaagBild: ROBIANUTRECHT/dpa/picture alliance

Parastou Forouhar, die iranische Künstlerin und Professorin an der Universität in Mainz, wollte an diesem Donnerstag in Berlin eigentlich eine Grußbotschaft einer guten Freundin überbringen. Forouhar ist in die Hauptstadt gekommen, um am internationalen Tag der Menschenrechte über die Lage in ihrem Heimatland zu berichten.

Die Freundin, von der sie berichten wollte, ist Nasrin Sotoudeh, die bekannte Anwältin und Kämpferin für die Rechte der Frauen, die zurzeit im Iran im Gefängnis sitzt. Wieder einmal. Anfang November war Sotoudeh nach einem langen Hungerstreik zunächst in einen Hafturlaub entlassen worden, dann aber steckte sie sich mit dem Corona-Virus an.

Nun musste sie trotzdem wieder ins Gefängnis, ausgerechnet an dem Tag, als ihr in Abwesenheit der "Alternative Nobelpreis" verliehen wurde.

Nicht vor den Kindern abgeführt werden

Die Grußbotschaft fällt aus. Nur soviel will Forouhar über die letzten Gespräche mit ihrer Freundin berichten: Sie sei freiwillig zurück in die Gefangenschaft gegangen: "Sie wollte nicht erneut vor den Augen ihrer Kinder abgeholt werden, wollte nicht zulassen, dass die Polizei in dieser Pandemie-Zeit in das Zuhause ihrer Familien eindringt."

Repressalien gegen politische Gegner, Willkür, Hinrichtungen. Korruption und tiefe Armut. Und dazu die Pandemie. Iranische Oppositionelle ziehen Anfang Dezember ein düsteres, ein furchtbares Bild über die Lage im Iran. Einer von ihnen ist der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour, der im Iran geboren wurde.

Er sagte der DW, der politische Druck, der seit Jahrzehnten sehr stark sei, habe zuletzt noch einmal massiv zugenommen: "Die Lage in den Gefängnissen ist nicht nur wegen der Pandemie katastrophal. Auch die Zahl der Exekutionen hat zugenommen. Wir haben im letzten Jahr viele Proteste gesehen, die blutig niedergeschlagen worden sind."

Im Iran lebt nach Schätzungen von Experten die Hälfte der Bevölkerung unter der ArmutsgrenzeBild: TASNIM

Armut breitet sich aus

Im Ausland wird über den Iran oft in erster Linie im Zusammenhang mit dem Nuklear-Abkommen berichtet, das US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 einseitig aufkündigte und das seitdem weitgehend wirkungslos ist. 2015 hatten China, Russland, Großbritannien, Frankreich, die USA und Deutschland mit dem Iran vereinbart, die Sanktionen schrittweise zurückzunehmen, wenn der Iran sein Atomprogramm transparent zurückfährt.

Davon kann seit Trumps Ausstieg keine Rede mehr sein. Der iranisch-deutsche Schriftsteller Bahman Nirumand glaubt allerdings, die Sanktionen seien nicht der Hauptgrund für die Misere im Iran. "Der Grund ist, dass das Regime längst nicht mehr in der Lage ist, die elementarsten Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen und dadurch seine Basis im Volk weitgehend verloren hat."

Teheran fühle sich von innen und außen bedroht und habe Angst, die Macht zu verlieren. Nirumand: "Wirtschaftlich steht der Iran am Abgrund. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Ein Großteil nagt am Hungertuch."

Menschenrechte thematisieren

Der deutsch-iranische Abgeordnete Omid Nouripour hofft auf eine Wiederannäherung zwischen USA und dem Iran nach dem Amtsantritt von Joe BidenBild: Imago Images/C. Spicker

Grünen-Politiker Nouripour setzt auf neue Gespräche zwischen dem Iran und Washington mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden: "Es ist dringend erforderlich, dass bei neuen Verhandlungsrunden, die es mit dem Iran nach dem Präsidentenwechsel in der USA geben wird, nicht nur über unsere Sicherheit gesprochen wird und über das Nuklearprogramm des Landes, sondern auch darüber, dass Menschenrechte am Verhandlungstisch einen prominenten Platz finden.

Bei Nirumand klingt das pessimistischer: "Es ist die himmelschreiende, weit verbreitete Korruption und die mafiösen, sich religiös gebärdenden Stiftungen und Institutionen, die die Wirtschaft ruiniert haben," ist er überzeugt. Auch von Präsident Hassan Ruhani, der lange als eine Art Reformer galt, erwarte er nicht mehr viel, so der bekannte Schriftsteller in Berlin.

Iran leidet unter Corona

Vom Corona-Virus ist der Iran besonders stark betroffen. Seit dem Ausbruch der Pandemie Ende Februar seien über 50.000 Todesfälle und mehr als eine Million Infektionen registriert worden, melden offizielle Stellen. Zuletzt hatte Präsident Ruhani die USA beschuldigt, die Einfuhr von Impfstoffen mutwillig zu erschweren.

"Wenn wir über die Einfuhr der Impfstoffe sprechen, verfluchen wir hundert Mal diesen Trump, dem nicht mal die Gesundheit der Menschen wichtig ist", sagte Ruhani. Wie sehr aber der Präsident unter Druck steht, zeigt die Tatsache, dass er erklärte, er sei "jederzeit" bereit, nach neuen Gesprächen mit den Partnerstaaten des Abkommens zum Vertrag zurückzukehren.

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