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Politik

Böhmermann veröffentlicht geheime NSU-Akten aus Hessen

29. Oktober 2022

Noch 30 Jahre wollte das Bundesland Hessen einen Verfassungsschutzbericht zur rechtsextremen Terrorzelle NSU geheim halten. Nun stellte das "ZDF Magazin Royale" mit Moderator Jan Böhmermann den Bericht ins Internet.

Jan Böhmermann
Der TV-Satiriker und Moderator Jan Böhmermann hat offenbar einen neuen Coup gelandetBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Das ZDF Magazin Royale und das Internetportal FragdenStaat haben nach eigenen Angaben NSU-Geheimakten des hessischen Verfassungsschutzes veröffentlicht. "Wir glauben, die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was genau in jenen Dokumenten steht, die ursprünglich für mehr als ein Jahrhundert geheim bleiben sollten", heißt es auf einer Website zur Veröffentlichung.

Demnach offenbart sich in den als geheim eingestuften Dokumenten "ein mehr als zweifelhaftes Bild von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes; vor allem während der 90er Jahre". Aus den Akten gehe hervor: "Zu dieser Zeit sammelte der Dienst zwar umfangreiche Daten, hatte dabei aber weder den Überblick über seinen Bestand, noch folgten aus den gesammelten Informationen Konsequenzen."

Keine Antwort auf offene Fragen?

Gleichzeitig tauchten kaum Angaben zu der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU selbst auf, hieß es. "Wer hofft, in diesen Berichten die Antwort auf offene Fragen zum NSU, Beweise für gezielte Vertuschungsversuche oder gar den Beleg für die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Mordserie zu finden, wird enttäuscht."

Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Todesopfer der Rechtsterroristen waren zwischen 2007 und 2010 neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Zudem verübten die Terroristen zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten und etliche Banküberfälle. Die beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um der Festnahme zu entgehen. Als einzige Überlebende des
NSU-Trios wurde Beate Zschäpe als Mittäterin zu lebenslanger Haft verurteilt - auch wenn es nie einen Beweis dafür gab, dass sie selbst an einem der Tatorte war.

Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes verurteilt

00:38

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Die sogenannten NSU-Akten waren ursprünglich für 120 Jahre gesperrt. Der hessische Innenminister Boris Rhein hatte allerdings angekündigt, die Frist auf 30 Jahre zu verkürzen. Immer wieder hatten Aktivistinnen und Aktivisten gefordert, die Dokumente öffentlich zugänglich zu machen. Mehr als 130.000 Menschen unterzeichneten eine entsprechende an den Hessischen Landtag gerichtete Petition.

Akten sicherheitshalber abgetippt

Zum Schutz der Quellen seien die Akten abgetippt und die Inhalte in ein neues Dokument ohne digitale oder analoge Spuren überführt worden, schreiben das von Jan Böhmermann moderierte ZDF Magazin Royale und FragdenStaat. Aus rechtlichen Gründen seien in dem publizierten Dokument manche personenbezogenen Daten geschwärzt worden.

Bei dem seit Freitag abrufbaren Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert. Im Zuge der Überprüfung sei "nicht der NSU, sondern der hessische Verfassungsschutz und seine Rolle in Bezug auf die Taten des NSU" untersucht worden, schreiben die beiden Portale.

Schwere Vorwürfe der hessischen Linken

Nach Einschätzung der Partei Die Linke handelt es sich bei den veröffentlichten Akten offenkundig um die Original-Dokumente. "Sie scheinen vollständig und inhaltsgleich transkribiert worden zu sein", sagte der innenpolitische Sprecher der Linken im hessischen Landtag, Torsten Felstehausen. Man habe die Texte nebeneinander gelegt und verglichen. Die Abgeordneten hätten im Landtags-Untersuchungsausschuss Zugang zu den Originalakten gehabt. Eine offizielle Bestätigung der Authentizität steht noch aus.

Die hessische Linksfraktion begrüße die Veröffentlichung. Aus Sicht der Opferfamilien sei das eine lange Forderung gewesen, sagte Felstehausen. "Endlich kann die Öffentlichkeit sich ein eigenes Bild davon machen, wie der sogenannte Verfassungsschutz über Jahre mit Hinweisen auf rechten Terror umgegangen ist." Es sei zudem beschämend für die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, dass sie nicht der Petition von mehr als 130.000 Menschen auf Aktenfreigabe gefolgt sei, sondern dass es dafür Leaks durch Investigativ-Journalistinnen und -Journalistinnen gebraucht habe, sagte er.

kle/hf (afp, epd, dpa)

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